Paternalismus. Vielleicht der größte Feind echter Gleichstellung in Verschiedenheit. In der DDR mutierte der einstige (sozialistische) Kampftag der Frauen zum verkappten „Muttitag“ mit Sonderehrungen und Blümchen in der Betriebsgruppe. Doch zumindest gab es ihn noch, den 8. März, im anderen Teil Deutschlands verschwand der „rote“ Tag im 50er und 60er-Jahre-Mief. Ob er wieder lebendig ist, der Kampf um Gleichstellung, werden auch der heutige Weltfrauentag, die Demos und Versammlungen in Leipzig an einem weiteren Streiktag von Ver.di zeigen.

Zum Beginn eine einfache Frage: In welchen Bundesländern ist der Internationale Frauentag eigentlich ein gesetzlicher Feiertag? Richtig: in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern. Nur, möchte man meinen, wenn man neben dem Kampf für Gleichstellung für einen echten Feiertag zu Ehren der Frauen einsteht.

Aus dem jetzigen Stand von 14 zu 2 Bundesländern möchte Ver.di mit einem Volksantrag „8. März als Feiertag …“ in Sachsen seit November vergangenen Jahres gern ein 13:3 generieren.

Zum Hergang der Idee greift Ver.di weit zurück, bis in die Jahre 1911 bis 1914: „Im Rahmen einer Bezirksdelegiertenkonferenz in Dresden wurde an die Ideen von Clara Zetkin erinnert, an deren Forderung, Frauen ein aktives und passives Wahlrecht einzuräumen, bessere Arbeitsbedingungen zu schaffen und gleiche Löhne für gleiche Arbeit zu zahlen“.

Plakat der Frauenbewegung zum Frauentag 8. März 1914. Es wird das Frauenwahlrecht gefordert.. Quelle: Wikipedia, gemeinfrei
Plakat der Frauenbewegung zum Frauentag 8. März 1914. Es wird das Frauenwahlrecht gefordert.. Quelle: Wikipedia, gemeinfrei

Eine Forderung ist erfüllt, zwei dagegen sind weiterhin nicht in Gänze eingelöst. „Was Frauen in unserer Gesellschaft leisten, wird noch immer unterschätzt und zu wenig gewürdigt. Die Forderung, hierfür den 8. März zum offiziellen Feiertag zu erklären, ist einer von vielen Schritten“, so Oliver Greie, Ver.di-Landesbezirksleiter für die mitteldeutsche Region zur Kampagne.

Wenn er gelingt, der Sammelmarathon zum Volksantrag mit 40.000 Unterschriften im Freistaat, obliegt es anschließend dem gewählten Landtag Sachsens, über den Antrag in freier Abstimmung zu befinden.

Der Volksantrag, aus dem Frauentag auch in Sachsen einen gesetzlichen Feiertag zu machen, befindet sich in der Endphase, noch kann man ihn auch heute von 11 bis 16 Uhr auf dem Marktplatz Leipzig bei der Ver.di-Veranstaltung zum Frauentag wie auch in Chemnitz und Dresden unterzeichnen (Termine und Orte).

Noch ist also in Sachsen kein Feiertag, dafür gibt es aber 2023 gleich drei verschiedene Mottos am heutigen Frauentag, welcher gleichzeitig begleitet wird von Streiks in Kitas und Horten in ganz Sachsen im Rahmen der aktuellen Tarifverhandlungen mit den kommunalen Arbeitgebern um mehr Lohn.

So rücken die Vereinten Nationen in diesem Jahr laut der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (LpB) mit ihrem Slogan „DigitALL: Innovation and technology for gender equality“ Hemmnisse für Frauen in der digitalen Welt zu partizipieren, in den Vordergrund.

Der Verein UN Women Deutschland hingegen begeht den Tag mit der Aufforderung „Feministische Utopien leben. Gemeinsam für eine gerechte Welt“ und „stellt sich die Frage, wie unsere Welt aussehen könnte, wenn es keine Geschlechtergerechtigkeit mehr gibt“, so die LpB BW.

Das Aktionsbündnis International Womens Day ruft dazu auf, Geschlechtergerechtigkeit anzunehmen und zu ergreifen. Der Hashtag lautet dabei #EmbraceEquity.

Überblick Demos & Streikorte etc. zum Frauentag in Leipzig

10–13 Uhr: Gemeinsames Frühstücken im Soziokulturellen Zentrum Mühlstraße mit „Mitbring-Brunch“ und Konzert mit Maria Schüritz, 11–16 Uhr: Ver.di-Veranstaltung zum Frauentag u. a. auf dem Marktplatz, Kundgebung, 14:30 Uhr: Demonstration auf dem Augustusplatz, Motto: „Twerk Class for free“, 16 Uhr: Demonstration auf dem Marktplatz, Motto: „Feministisch kämpfen weltweit. Die Krisen stecken im System“, 18 Uhr: Revolutionäre 8. März-Demonstration auf der Sachsenbrücke, Motto: „Frauen! Leben! Widerstand!“

Ganztägig: Radio Blau widmet heute (hier online hören) einen großen Teil seines Programms dem feministischen Kampftag. Der Tag beginnt um 6 Uhr mit einer Sendung über FLINTA*-Musikschaffende und ihr Empowerment (Ermächtigung). Um 10 Uhr folgt das Studiokonzert der feministischen Leipziger Band Kapa Tult.

Um 12 Uhr gibt es eine Sondersendung über Endometriose. Um 13 Uhr folgt eine Ausgabe von „Vomensbar“ über feministischen Aktivismus. Die Heinrich-Böll-Stiftung ist um 15 Uhr mit einer Sendung über reproduktive Gerechtigkeit zu Gast und die Sendung „Aktuell“ um 19 Uhr blickt dann auf das Streikgeschehen vom 8. März 2023 in Leipzig zurück.

14 Uhr: Frauen auf der Straße und eine schweigende Juristin

Seit wir den Liveticker kurz verlassen haben, ist schon eine ganze Menge passiert am heutigen Frauentag in Leipzig. Vor allem wohl die überraschende Blockade der Jahnallee in Leipzig ab 10 Uhr durch heute ausschließlich Frauen der „Letzten Generation“ (zum ausführlichen Livebericht). Damit waren heute wortwörtlich ab 10 Uhr Frauen auf der Straße, um für Gleichstellung und Klimaschutz zu demonstrieren.

Wie jedes Mal bei den meisten „LG“-Aktionen brachten die heute durchgehend weiblichen Klimaschutzaktivist/-innen für eine Weile den Verkehr stadteinwärts auf Höhe der Marschnerstraße zum Erliegen, indem sie teils ihre Hände mit Sekundenkleber an der Fahrbahn befestigten. Nach der Alarmierung der Polizei und Loslösung der Menschen von der Fahrbahn kam es auch heute zu Ingewahrsamnahmen durch die Einsatzkräfte und eine anschließende Identitätsfeststellung gegen alle sieben Beteiligten im Polizeipräsidium.

Neu hingegen sind die ebenfalls eingeleiteten Ermittlungen gegen einen Autofahrer, welcher offenbar Gewalt gegen die Frauen angewendet haben soll. Zumindest steht der Verdacht im Raum, wie Polizeisprecher Olaf Hoppe LZ auf Nachfrage zu einem Umstand erklärte, der leider immer wieder gegen die Aktivist/-innen vorkam – auch in Leipzig.

Verfolgt wurde ein solcher Fall bislang noch nicht, im Gegenteil hatte mit der Uni Leipzig-Dozentin Dr. Elisa Hoven eine Juristin darauf abgestellt, dass das „Recht dem Unrecht nicht weichen“ müsse, sprich, die Gewaltanwendung gegen die Aktivistinnen gegenüber Welt.de als mindestens teilweise legitim dargestellt.

Anlässlich des Frauentages veröffentlichen wir hier mal unsere Anfrage an Dr. Elisa Hoven Universität Leipzig zu Gewalt gegen Klimablockaden, welche uns aufgrund der „sehr starken terminlichen Auslastung“ der Buchautorin trotz einer Nachfrage um Angabe, wann die Antwort möglich sei, nie beantwortet wurden.

15 Uhr: „Auf zum Streik, Kolleg/-innen!“

Um 11:00 startete die Demonstration zum Warnstreik in der zweiten Tarifrunde für die Beschäftigten des öffentlichen Diensts. Rund 500 Menschen des Städtischen Eigenbetriebs Behindertenhilfe Leipzig (SEB), des Verbunds Kommunaler Kinder- und Jugendhilfe Leipzig (VKKJ), Erzieher/-innen aus Leipziger KiTas, sowie Beschäftigte in der Verwaltung der Städte Leipzig, Schkeuditz und Markkleeberg versammelten sich am Volkshaus. Aufgerufen hatten GEW und ver.di fast schon traditionell zum 8. März.

„Wir haben Forderungen aufgestellt: Wir wollen 10,5% mehr Lohn, aber mindestens 500€ mehr, weil das dafür sorgt, dass vor allem die unteren Entgeltgruppen stärker entlastet werden. Das sind vor allem die Entgeltgruppen, in denen verstärkt Frauen arbeiten“, sagt Juliane, Erzieherin.

Außerdem fordern die Beschäftigten eine Laufzeit von 12 Monaten und 200 € mehr im Monat für Azubis, Praktikant/-innen und dual Studierende. Die VKA und der Bund hatten eine Erhöhung um 5% ab dem 1. Oktober 2023, eine einmalige Inflationsausgleichszahlung von 2.500€ und eine schrittweise Erhöhung der Jahressonderzahlung auf 90 % im Jahr 2024 vorgelegt.

Dazu Juliane: “Wenn man bedenkt, wie wichtig vor allem die frühkindliche Bildung für unsere Kinder und für die ganze Gesellschaft ist, dann ist es eine absolute Frechheit, was die Arbeitgeber uns für ein Angebot hingelegt haben in der vergangenen Verhandlungsrunde Ende Februar.”

‚Hoch mit den Löhnen, runter mit den Preisen‘ und Solidarität mit LVB-Beschäftigten bekundeten die Demo-Teilnehmenden in Leipzig. Die Demonstration endete mit einer Kundgebung auf dem Marktplatz, wo es warmes Essen und Tee gab für die vielen, die es bis dorthin im unerwarteten Leipziger Wintereinbruch durchgehalten hatten.

„Heute ist nicht nur Frauenkampftag, sondern feministischer Kampftag, wo auch für die Rechte von trans* inter* und nicht-binären Personen gekämpft werden muss“, erläuterte Sina, Kolleg/-in und Sänger/-in auf der Bühne am Marktplatz.

15:20 Uhr: Erste Impressionen von Marktplatz-Kundgebung von Ver.di

Seit 14 Uhr ist die Bühne eröffnet, der Frauenkampftag in Leipzig hat merklich an Fahrt aufgenommen. Mit Zu- und Abflüssen waren bereits mehr als 600 Menschen auf dem Platz, nachdem hier 14 Uhr die erste Demo vom Volkshaus kommend mit rund 500 Teilnehmer/-innen eintraf. Mittlerweile sind die ersten Redebeiträge rings um den heute laufenden weiteren Ver.di-Streiktag im aktuellen Tarifkonflikt mit den kommunalen Arbeitgebern gelaufen (siehe Video drüber).

Sozialistin, Frauenrechtlerin, Politikerin: Clara Zetkin als Denkmal am gleichnamigen Park in Leipzig. Foto. LZ
Sozialistin, Frauenrechtlerin, Politikerin: Clara Zetkin als Denkmal am gleichnamigen Park in Leipzig. Foto. LZ

Aktuell, ca. 15 Uhr, hat sich eine weitere Radzubringerdemo vom Clara-Zetkin-Park gesammelt und startet nun zum Markt. Hier am Denkmal für die Frauenrechtlerin Zetkin hatte sich eine weitere Radzubringerdemo gesammelt.

15:45 Uhr: Jetzt streikt auch noch der Strom

Die Karte der aktuellen Störungen im Stromnetz ist von 15:24, die Seite ist aktuell nur schwer abrufbar, da sie offenbar überlastet ist. Der Strom ist ausgefallen, für wie lange ist derzeit noch unbekannt. In jedem Fall sind derzeit die Gebiete Volksmarsdorf, Neustadt Neuschönefeld vom „Strom-Streik“ betroffen.

Gegen 15:44 Uhr melden die Stadtwerke, dass die Störung in Bearbeitung ist, aktuell (15:57 Uhr) soll in einigen Straßenzügen der Normalbetrieb wieder angelaufen sein.

Die Störungskarte um 15:24 Uhr. Screen netz-leipzig.de
Die Störungskarte um 15:24 Uhr. Screen netz-leipzig.de

16:30 Uhr: Impressionen vom Markt und dem Augustusplatz

Während die Feministische Demo auf dem Marktplatz seit 16 Uhr die Bühne direkt von Ver.di übernommen hat und Redebeiträge rings um Gleichstellung und Frauenrechte (Videos folgen) laufen, ist es auf dem Augustusplatz eher still. Hier mahnen Listen von getöteten Frauen und prangern das Thema Femizide, also explizit gegen Frauen ausgeübte Gewalt, weil sie Frauen sind, an.

Darüber hinaus wird für das „nordische Modell“ und eine Einführung auch in Deutschland in der Prostitution geworben. Laut Wikipedia sieht dieses Modell vor, dass „Freier“, als Kunden von Sexarbeiter/-innen „asymmetrisch kriminalisiert“ werden. So wird nicht „die Person, welche sexuelle Dienstleistungen anbietet“ bestraft, sondern ein „Sexkaufverbot“ bestraft seit 1999 die Kunden.

Wiki fasst die Kontroverse rings um dieses Modell so zusammen: „Das Nordische Modell wird kontrovers diskutiert. Dabei treffen unterschiedliche Akteure mitunter auch Aussagen, die hinsichtlich der Ziele, des Erfolges und der Auswirkungen des Sexkaufverbotes in direktem Widerspruch zueinander stehen“.

In Deutschland ist Prostitution legalisiert, wobei der Gedanke der Arbeitsverbesserung für die in diesem Bereich tätigen Frauen im Vordergrund stand. Auch dieser Weg steht mittlerweile unter Kritik, da die „Liberalisierung“ unter anderem zur Bezeichnung „Puff Europas“ beigetragen hat, während der Menschenhandel und die Unterdrückung der Frauen im „ältesten Gewerbe der Welt“ noch immer nicht wirklich beendet ist.

16:30 Uhr: Erste Impressionen von der Marktbühne

Die Demoroute der feministischen Versammlung laut veranstalterangaben ab 16 Uhr. Foto: Screen
Die Demoroute der feministischen Versammlung laut Veranstalterangaben ab 16 Uhr. Foto: Screen

Die längeren Redebeiträge, welche heute auf der feministischen Frauentagsdemo ab 16 Uhr auf dem Marktplatz gehalten wurden, werden sicherlich erst im Laufe des heutigen Abends online gehen – alles braucht eben seine Zeit. Hier also die ersten Eindrücke zu den Themen und Beteiligten, welche sich heute auf der Bühne äußerten.

Aktuell sind wir bereits in der „Wegbewegung“ vom Markt, da um 18 Uhr bereits die nächste Versammlung an der Sachsenbrücke starten soll. Auch die Demonstration auf dem Augustusplatz läuft noch.

Normal sollte auch die Demo vom Marktplatz aus über einen teil des Ringes um 16 Uhr starten.

20:20 Uhr: Impressionen vom Abend des „Frauentags“

Die Demo um den Ring ist absolviert, Rauchtöpfe und ein bisschen Pyrotechnik inklusive. Hier Videoeindrücke vom Geschehen zwischen 17 und 20 Uhr. Die Reden im Video fanden alle auf der Sachsenbrücke statt. Zu den Redebeiträgen auf dem Marktplatz folgt morgen ein weiteres Video mit einem eigenen Artikel zu den Inhalten.

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