Angekรผndigt war er vorab, nun ist es so weit: Bundesweit รผben Beschรคftigte des รถffentlichen Dienstes heute zum Auftakt der dritten Verhandlungsrunde mit den Arbeitgebern in Potsdam noch einmal massiven Druck aus. Neben der Gewerkschaft ver.di hat auch die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG zum Arbeitskampf aufgerufen. Nicht nur Busse und Straรenbahnen in Sachsen stehen weitestgehend still, auch das Schienennetz und Flughรคfen sind diesmal betroffen. Die LZ begleitet den Tag im Liveticker.
Klare Forderungen der Gewerkschaften
10,5 Prozent mehr monatlichen Lohn, mindestens jedoch 500 Euro, sowie 200 Euro mehr fรผr Azubis, Praktikanten und Studenten, dies sind die Eckpunkte der Forderungen, mit denen die Gewerkschaft ver.di in die Tarifrunde des รถffentlichen Dienstes fรผr 2023 geht.
Der bundesweit gรผltige Forderungskatalog wird vor allem mit der hohen Inflation, gerade im Bereich Lebensmittel- und Energieversorgung, begrรผndet. Die massive Teuerung reiรt starke Lรถcher in das Budget vieler Privathaushalte, auch der Angehรถrigen des รถffentlichen Dienstes. Angebote von Arbeitgeberseite wurden bislang als unzureichend abgelehnt.
Diese umfassten Lohnsteigerungen von 3 Prozent (1. Oktober 2023) und 2 Prozent (1. Juni 2024) sowie Inflationsausgleichs-Zahlungen von 1.500 bzw. 1.000 Euro. Die nรคchste Tarifrunde mit den Arbeitgebern startet heute, am 27. Mรคrz 2023, in Potsdam. Nun ist der Druck noch einmal deutlich erhรถht worden.
09:30 Uhr: Kundgebung von ver.di und EVG am Hauptbahnhof โ Fahrraddemo am Nachmittag
Auf dem kleinen Willy-Brandt-Platz am Leipziger Hauptbahnhof findet aktuell eine gemeinsame Kundgebung von ver.di und der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG statt.
Indes ist der Leipziger Hauptbahnhof so gut wie leergefegt.
Fรผr den Nachmittag ist ab 16 Uhr heute in Leipzig auch noch eine Fahrraddemonstration angekรผndigt, dazu ruft Fridays for Future mit der Kampagne #WirFahrenZusammen auf. Start ist am Neuen Rathaus. Die Fahrraddemo soll ausdrรผcklich in Solidaritรคt mit den Streikenden von LVB und ver.di stattfinden und die Dringlichkeit einer Verkehrswende auch im Sinne des Klimaschutzes unterstreichen. Bereits am 3. Mรคrz hatten ver.di und Fridays for Future gemeinsam auf der Straรe demonstriert.
09:45 Uhr: โEin Gรผterzug ersetzt tausende LKWโ
Matthias von der EVG auf der Kundgebung: โEin Gรผterzug ersetzt tausende LKW, und wir brauchen nicht nur einen, wir brauchen hunderte Gรผterzรผge, um unsere Klimaziele einzuhalten!โ Die Bemerkung, wonach laut Arbeitgeberverband 4,5 Prozent mehr Lohn ausreichend wรคren, wird mit lauten Buhrufen quittiert: โSie haben vergessen, dass ihr dieses Land in Krisenzeiten in Bewegung gehalten habt, liebe Kolleginnen und Kollegen!โ
Aktuell verhandelt auch die EVG รผber neue Tarifvertrรคge fรผr Beschรคftigte. Dies betrifft die Deutsche Bahn und weitere Verkehrsunternehmen. Doch gerade mit der DB gestaltet sich der Verhandlungsprozess offensichtlich kompliziert โ vor vier Wochen waren die Gesprรคche mit dem Staatskonzern ergebnislos unterbrochen worden.
10:00 Uhr: Seitenhiebe auf Backhaus und die LVB
Die Wut ist offenkundig groร: Er solle โaufhรถren, so eine Scheiรe zu verzapfenโ, heiรt es ganz undiplomatisch in Richtung Marc Backhaus. Der LVB-Pressesprecher, so der Vorwurf, soll gegenรผber der LVZ verdrehte Fakten geรคuรert haben, unter anderem in Bezug auf einen Inflationsausgleich und die Kommunikation der Streikenden. Auch die LVZ bekommt bei der Kundgebung ihr Fett ab, da sie ungeprรผft Behauptungen รผbernommen haben soll.
10:10 Uhr: Gewerkschafter Paul Schmidt im Gesprรคch mit der LZ zum medialen Echo und Verhรคltnis zu FFF
Gegenรผber unserem LZ-Reporter รคuรert sich Paul Schmidt, Fachbereichsleiter von ver.di, zur medialen Berichterstattung รผber die Streiks der letzten Zeit bis heute. Die Berichterstattung sei demnach seiner Ansicht nach meist fair gewesen, einzelne wรผrden jetzt allerdings auch eine Schmutzkampagne fahren.
Auch wรผrden die Beschรคftigten hinter der Kampagne #WirFahrenZusammen stehen, unter deren Schirm die Klimabewegung Fridays for Future (FFF) fรผr den Nachmittag ab 16 Uhr in Leipzig eine gemeinsame Raddemo angekรผndigt hat. Trotz allem gรคbe es aber auch โkulturelle Unterschiedeโ und Abgrenzungstendenzen innerhalb der Belegschaft gegenรผber FFF, rรคumt der Gewerkschafter ein.
Unterdessen formiert sich der Demozug durch die Stadt.
Es geht am Hauptbahnhof vorbei รผber die Goethestraรe in Richtung Neues Rathaus. Es wird laut gepfiffen, Rufe wie โDank uns steht Deutschland still!โ ertรถnen. Eine grobe, erste Schรคtzung geht von etwa 500โ600 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus.
In Potsdam laufen indes parallel seit dem frรผhen Morgen die neuen Tarifverhandlungen fรผr den รถffentlichen Dienst. In den letzten Wochen hatten erste Gesprรคchsrunden ergebnislos geendet. Vom Groรstreik am heutigen Montag sind, zur Erinnerung, groรe Teile des Bundesgebiets betroffen.
Hier nochmal ein Blick auf die Demoroute unter dem Slogan โver.di und EVG โ zusammen geht mehrโ in Leipzig:
Die Demo und Kundgebung von ver.di plus EVG ist demnach bis 14 Uhr angesetzt.
Und hier ein erstes Video:
Dieses zeigt Impressionen vom Streik.
10:50 Uhr: Solidaritรคt auf den Schienen
Nicht alle streiken heute. Einige Gleisbauarbeiter, die an den Schienen beschรคftigt sind, und Teilnehmer des Streiks gehen aufeinander zu.
Die Schienenarbeiter spenden spontanen Applaus und werden daraufhin begrรผรt und umarmt.
11:05 Uhr: Demozug erreicht das Neue Rathaus zur Zwischenkundgebung
Der Demozug hat das Neue Rathaus erreicht. Hier findet eine Zwischenkundgebung statt. Soli-Hupen sind auch von der Feuerwehr zu hรถren.
Die Kundgebung von ver.di und EVG ist heute bis 14 Uhr offiziell angemeldet. Am Nachmittag folgt ab 16 Uhr die gemeinsame Fahrraddemo mit der Klimabewegung Fridays for Future. Startpunkt ist dort, wo jetzt die Zwischenkundgebung ist, am Neuen Rathaus.
Die bundesweite Situation zusammengefasst
Vielleicht an dieser Stelle nochmal zur Erinnerung รผber die Dimensionen des heutigen Groรstreiks: Dieser geht bundesweit, gilt als grรถรter Warnstreik seit vielen Jahren, Zรผge, Busse und Flugzeuge im Land sind weitgehend zum Stillstand gekommen. Die Auswirkungen auf Reisende, Berufspendler und Schรผler sind immens.
Das ganz groรe Chaos ist in Deutschland aber bisher ausgeblieben. Viele nutzten noch gestern Abend die Gelegenheit, etwa einen der letzten (vollen) Zรผge zu ergattern, um rechtzeitig vor dem Streik ihren Zielort zu erreichen.
Die dritte und entscheidende Verhandlungsrunde im รถffentlichen Dienst startet in Potsdam. ๐ชง๐ฆบ๐ช#zusammengehtmehr #streik pic.twitter.com/BEvwFXkIKt
โ ver.di โ Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (@_verdi) March 27, 2023
ver.di sowie der Beamtenbund dbb verhandeln heute in Potsdam weiter mit Bund und Kommunen รผber ihre Forderungen fรผr Beschรคftigte des รถffentlichen Dienstes. Dazu zรคhlen teilweise auch Beschรคftigte an Flughรคfen, zusรคtzlich gibt es รถrtliche Verhandlungen fรผr das Bodenpersonal.
Ab Mitte der Woche kommt zudem die Eisenbahnergewerkschaft EVG mit diversen Bahnunternehmen zum Verhandeln รผber neue Tarifvertrรคge zusammen, erst nach Ostern sollen auch wieder Gesprรคche mit der Deutschen Bahn aufgenommen werden. Die Situation ist also reichlich komplex.
11.30 Uhr: Bereitschaft zum unbefristeten Streik
Noch handelt es sich lediglich um einen 24-stรผndigen Warnstreik. Doch ver.di-Funktionรคr Paul Schmidt betont: Sollte die neue Verhandlungsrunde von heute bis Mittwoch nichts ergeben, sei er auch bereit zum ersten, unbefristeten Arbeitskampf in Deutschland seit den siebziger Jahren. Mittlerweile ist die Zwischenkundgebung kurz nach 11.30 Uhr am Neuen Rathaus beendet und der Demozug bewegt sich weiter.
Weiteres Video: Redebeitrรคge vom Willy-Brandt-Platz
Die Demo von ver.di und EVG geht indes weiter und zieht kurz nach 12 Uhr am Goerderlerring vorbei. โWir haben die Schnauze voll, wir sind heute auf der Straรe, nicht auf der Schieneโ, ist zu vernehmen. Wรคhrend diese Demo auf ihr Ende zusteuert, melden wir uns hier in Kรผrze mit Updates zurรผck.
LVB bieten zusรคtzliche Freiminuten fรผr Nextbike an
รber die App LeipzigMOVE bieten die LVB ihren Kundinnen und Kunden fรผr den heutigen Montag zusรคtzliche 30 Freiminuten zur Nutzung von Nextbike an, obendrauf zum bestehenden Kontingent von 10 Freifahrten im Monat. Der Streik im kommunalen Verkehrsunternehmen Leipzigs soll nach jetzigem Stand bis Dienstag, 4 Uhr morgens andauern. Weitere Informationen sind hier zu finden.
13:20 Uhr: Leere und Stille auch am Flughafen Leipzig/Halle, Inlandsflรผge gestrichen
Auch am Flughafen Leipzig/Halle ein รคhnliches Bild wie auf dem Hauptbahnhof, das schon fast an die Hochzeiten der Corona-Pandemie mit ihren Lockdowns erinnert: Die Abfertigungshalle, wo sich sonst Geschรคftsreisende und Touris tummeln, ist gรคhnend leer, die Schalter unbesetzt.
Bis auf einen รคlteren Mann, der sich offenbar aber nur etwas entspannt, sind kaum Menschen zu sehen. Mehrere Abflรผge wurden gestrichen. Unsere Reporterin traf 2 Reisende mit Koffern an, deren Flieger am Abend nach letzter Auskunft auch starten soll.
Lufthansa hatte wegen des Streiks bereits mehrere Verbindungen vorab gecancelt, andere Unternehmen bisher nicht. Allerdings ist auch das Bodenpersonal der Luftsicherheit zum Arbeitskampf aufgerufen. Die Auswirkungen des Streiks scheinen also auch hier am Airport greifbar zu sein. Dessen Konzernsprecher Uwe Schuhart teilte dazu auf LZ-Anfrage mit, dass fรผr heute zumindest sรคmtliche Inlandsflรผge gestrichen wurden. Gleiches gilt fรผr den Flughafen Dresden.
Einen Totalausfall des Flugverkehrs in Sachsen gibt es bisher aber offenbar nicht, internationale Verbindungen kรถnnten bedient werden. Doch weist die Mitteldeutsche Flughรคfen AG auf ihrer Homepage darauf hin, dass mit Problemen schon bei der Anreise zum Flughafen zu rechnen sei. Ob der einzelne Flug stattfinde, mรผsse wiederum rechtzeitig bei der Airline oder dem Reiseveranstalter in Erfahrung gebracht werden.
14:15 Uhr: Wir behalten die Situation im Auge
Wie wird es heute mit den Verhandlungen in Deutschland weitergehen und was sind die Auswirkungen? Die LZ behรคlt die Lage weiterhin im Auge und meldet sich wieder, sobald es Neuigkeiten gibt.
EVG: keine Warnstreiks รผber Ostern
Laut einem ARD-Bericht plant die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG รผber das nahende Osterfest keine Warnstreiks. Was nach den Feiertagen passiert, sei dagegen noch ungewiss und vom Angebot der Arbeitgeberseite abhรคngig, heiรt es.
Die EVG vertritt neben den Interessen von Eisenbahnern auch Binnenschiffer, Servicekrรคfte in Verkehrsmitteln und Busfahrer. Nach aktuellem Stand wird sie erst am 24./25. April wieder in Verhandlungen mit der Deutschen Bahn eintreten, Gesprรคche mit anderen Bahn-Anbietern รผber neue Tarifvertrรคge finden dagegen schon in dieser Woche statt.
16:05 Uhr: Fahrraddemo am Neuen Rathaus sammelt sich
Wie angekรผndigt, sammelt sich eine Raddemo mit Startpunkt am Neuen Rathaus. Die Klimaschutzbewegung Fridays for Future hat unter dem Motto #WirFahrenZusammen die Streikenden dazu aufgerufen.
Bereits am 3. Mรคrz war es zu einer Allianz auf den Straรen Leipzigs zwischen beiden Seiten gekommen, als der Globale Klimastreik und der Arbeitskampf von ver.di mit Totalausfall von Trams und Bussen der LVB parallel stattfanden. Nicht zufรคllig, ist doch der Zusammenhang zwischen der Klimafrage und der Mobilitรคts- bzw. Verkehrswende offensichtlich.
17:45 Uhr: Raddemo ist beendet
Die Fahrraddemo endete gegen 17:45 Uhr. Etwa 100 Menschen fuhren dabei vom Neuen Rathaus รผber Hauptbahnhof und Jahnallee bis zum Streikposten am Straรenbahnhof Angerbrรผcke. Dabei wurde immer wieder die Solidaritรคt der Klimabewegung mit den Streikenden von ver.di und EVG betont.
Einwรคnde, die gewerkschaftlichen Forderungen seien nicht finanzierbar, galten dabei nicht: Wer satte Gehaltserhรถhungen fรผr Manager finanzieren und 100 Milliarden Euro fรผr das Militรคr bereitstellen kรถnne, so ein Argument, mรผsse auch in der Lage sein, das Rรผckgrat dieser Gesellschaft anstรคndig zu bezahlen. Auch sei keineswegs der Streik unverhรคltnismรครig, wie von Arbeitgeberseite behauptet, sondern das โScheiร-Angebotโ der Deutschen Bahn, รคuรerte etwa Johanna von der Initiative #WirFahrenZusammen drastisch.
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So kรถnnen Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstรผtzen:
Es gibt 17 Kommentare
Na gut, einen zweiten Versuch war es wert, ins Gesprรคch zu kommen und zu verstehen.
Ich kann die Auffassung nicht teilen, dass Leute, die sich womรถglich rechts des ACAB-Niveaus befinden, alle in โihren LVZ und BILD Echokammernโ bleiben mรถgen. Das sorgt nicht fรผr Austausch oder Lerneffekte. Das ist einfach nur borniertโฆ
โ
Und an mir selbst hab ich beobachten kรถnnen, wie Sie Ihre Munition stumpf verschieรen. Durch Sie erstmalig in meinem Leben in dieser Art politisch angegriffen worden (war ein anderer Artikel), fand ich an dem Abend tatsรคchlich vor Gedanken erst weit nach Mitternacht in den Schlaf. Ich fand Ihre Anschuldigungen, ich wรคre rechts, ein Lรผgner, und was es alles noch so gab, so bewegend, daร es einfach nicht gelingen wollte sich zu beruhigen.
Dass diese Redaktion uns nicht schรผtzt und anders, als es bei anderen Diskussionen schon oft vorkam, trotz der Beleidigungen, der Unsachlichkeit und der Wiederholung dieser Dinge, รผberhaupt nicht in Erscheinung trat, gab zusรคtzlich zu denken und zog mich runter. Bis es mir klarer wurde, warum das so sein kรถnnte.
Heute ist es anders. Ich hab jetzt so oft von Ihnen gelesen, was ich alles bin, das es auch รผberhaupt keine Unterschiede zu anderen Kommentatoren gibt, alles Faschisten und so weiter, das ich diese Platte nun auswendig kenne. Es juckt mich nicht mehr. Behaupten Sie einfach was Sie mรถgen, solange es die Redaktion hier nicht stรถrt, stรถrt es mich nun auch nicht mehr. ๐
Einen schรถnen guten Morgen allerseits.
Ich fรผrchte, werter User โSebastianTโ, Sie brauchen dringend und wirklich Hilfe. Die Kommentarspalten hier auf der L-IZ werden Ihnen kaum Hilfe bieten kรถnnen.
Ich versuche es hier noch mal, wo es doch bei der letzten Nachfrage leider erfolglos war: Welche meiner Aussagen sehen Sie denn als โrechtsโ oder als Lรผge?
P.S.: Auรerdem ist der Verweis darauf, daร mensch doch besser auf Forderungen verzichten mรถge, um dann in klassischer rechtsverdrehender Unmanier anzufangen, weitere Geringverdiener als โNegativbeispielโ heranzuziehen, auch eine typisch rechtskonservative bzw. faschistoide Rhetorikmasche, schlichtweg unangebracht und verachtenswert.
Wenn die Lรถhne anderer Gruppen zu niedrig sind, kommen eigentlich nur โWirtschaftsspezisโ auf die Idee, anderen ihre angemessene Vergรผtung nicht zu gรถnnen.
Einfach nur noch erbรคrmlich, diese rechten Verwรคsserer.
Oha, Bรคrchen und Konsorten versuchen auch hier, mal wieder mit der typischen realitรคtsverdrehenden, rechtskonservativen, antisozialen und regressiven Polemik, die berechtigten Forderungen nach Lรถhnen, die zum Leben reichen, zu diskreditieren.
Hierbei erdreistet sich ein Bรคrchen gar, uns weiszumachen, daร er bei der Ver:di wรคre, und mein โfalscherโ Namensvetter bestรคrkt dieses Mรคrchen auch noch.
Es ist mir immer noch schleierhaft, daร es diese Subjekte immer und immer wieder versuchen.
Ich schรคme mich weiterhin fรผr deren abstruses und menschenfeindliches Gebahren. LVZ, Bild, Focus und Co. sollten deren Echokammer bleiben, da kรถnnen diese Akteure ihre Lรผgen und Falschaussagen gerne verbreiten.
@Urs
๐
Ich verstehe unter Fachkrรคftemangel tatsรคchlich Menschen, die sich in ihrem Arbeitsgebiet richtig gut auskennen und dort Leistungen erbringen, auf die man sich โals Laieโ oder Auftraggeber verlassen kann.
Und um @TLpz aufzugreifen:
Ja, von diesen Menschen gibt es mittlerweile zu wenig. Das stelle ich auch in meinem Job fest, wo viele Firmen gebunden werden und es sich bereits seit Jahren abzeichnete, dass es immer schlimmer wird. Gute Fachleute verschwinden und werden von Firmen angeworben, die mehr Geld bzw. einen hรถherwertigen Arbeitsplatz geboten bekommen. An deren Stelle tritt meist Personal, was nicht die Qualitรคten aufweist, wie das vorige. Mit teils schlechterem Fachwissen als ich.
Oder die Verfรผgbarkeit von Firmen, welche sich dramatisch verschlechtert hat. Selbst der โrote Teppichโ reicht nicht mehr, um fรผr zuverlรคssige Termine zu sorgen. Da Personal fehlt.
Die Idee, alles outzusourcen, rรคcht sich seit Jahren ungemein. Aber das zu verstehen, dazu ist manches Unternehmen auch nicht in der Lage und ein weiteres Thema. Man treibt diese Situation einfach immer weiter auf die Spitze.
Fehlerhafte Bildungspolitik ist ein groรer Faktor, der es hat eskalieren lassen. Viele frisch Ausgelernte werden mit einem hanebรผchenen Bachelor-Wissen und ohne Einarbeitung auf die reale routinierte Wirtschaft losgelassen. Nichts gegen diese Menschen! Aber รถkonomisch und fรผr die arbeitstechnische Umwelt ist das gruslig und in hรถchstem Maรe ineffizient und nervenaufreibend.
Mein Unternehmen ist auch gewerkschaftlich โdurchorganisiertโ. Und ich profitiere davon auch. Aber bei Forderungen von 10% dreht sich bei mir auch der Magen um und es wird etwas einfacher, sich in die Unternehmensfรผhrung zu versetzen. Zumal ja auch nicht jedes Unternehmen eins mit Gewinn ist, sondern auch Daseinsfรผrsorge eine Rolle spielt.
Wenn ich in meiner Familie schaue, was dort teilweise fรผr harte Arbeit auf dem Konto landet:
Zum Beispiel als freischaffender Instrumentenlehrer; da diese in den Schulen โ trotz gegenteiliger Behauptung โ nicht genommen werden, da das der Sportlehrer mitmacht.
Dort ist man darauf angewiesen, was Menschen sind bereit dafรผr zu zahlen, รคhnlich wie beim Friseur. Da kommt man auf ein unteres 4 stelliges Einkommen, vor Steuern! Wenn die Lohnerhรถhungen von 500 Euro hรถren, lachen und weinen die zugleich. Erhรถhen Sie mal als Freischaffender die Preise um 10%. Dort ist der Zahlende ein Bรผrger von Angesicht zu Angesicht und richtig hart!
Oder Verkรคufer, Friseure, Bรคcker, Raumpflegefachkrรคfte,โฆ
Alles Berufe, die es braucht, und die nun zu bezahlen nach Mindestlohn bereits viele Menschen abgeschreckt hat, weiter diese Dienstleistungen beizubehalten.
Dort mรผsste man ansetzen, um Gerechtigkeit zu erreichen, und nicht fรผr โuns Tarifversorgteโ 500 Euro einfordern.
Streik und Lรถhne sind immer ein schwieriges Diskussionsthema. Hรคlt man die Forderungen der Gewerkschaft fรผr zu hoch, steht man im Verdacht es den Leuten nicht zu gรถnnen; steht man zu den Forderungen, ist man schnell Idealist oder Traumtรคnzer.
Mir gehts tatsรคchlich wie Urs; ich hadere mit meiner Gewerkschaft. Grundsรคtzlich ist es gut, dass es sie gibt, deswegen bin ich auch Mitglied. Aber spรคtestens beim Durchboxen der 35-statt-38-Stunden Woche (โWestniveau!โ) hรถrte es so langsam bei mir auf. Unsere Tariflรถhne sind im Leipziger und ostdeutschen Vergleich wirklich gut, die 30 Tage Urlaub gibts nicht in jedem Unternehmen hierzulande, auch nicht รผberall Weihnachtsgeld und was es sonst noch so gibt bei uns. Trotzdem wurde eine โgroรe Ungerechtigkeitโ skizziert, weil wir drei Stunden pro Woche mehr arbeiten als vergleichbare Westbetriebe. Immer wieder gern gezeigt: das Beispiel in Berlin, wo ein Werksteil auf West-, und einer auf der Ostseite einer Straรe liegt. โdie Unterschiede seien nicht zu erklรคrenโ, hieร es auf Gewerkschaftsseite (was natรผrlich nicht stimmt), und man war sich nicht zu schade, ein Balkendiagramm mit verfรคlschten Grรถรenordnungen in den Betriebsratsnachrichten zu verschicken, um auf die immanenten Unterschiede hinzuweisen und diese zu betonen.
Ich war auch nicht allein mit meiner Skepsis ob der Senkung der Wochenstundenzahl. Mehrere Kollegen meldeten in den entsprechenden Runden Zweifel an, manche รคuรerten sich auch zum verfรคlschten Balkendiagramm. Es nรผtzte alles nichts โ wenn man sich sicher ist, auf der richtigen Seite der Argumente zu stehen, wird es schwer mit sachlichen Fragen durchzudringen. โDie Gerechtigkeit 32 Jahre nach der Wendeโ war DAS tragende Argument, da half auch keine Nachfrage nach der Kompensation der Arbeitskraft. Weggewischt. Irgendwas mit Digitalisierung. Jetzt wird innerhalb von Jahren eine Wochenarbeitsstunde nach der anderen gesenkt, jedes zweite Jahr verzichten wir deshalb auf Geld, und unser Werk steht im Vergleich zu den Westwerken am Ende dann gleich da. Aber die Verantwortlichen kรถnnen sich auf die Schultern klopfen, dass jetzt โGerechtigkeitโ hergestellt wurde. Bis man wieder einen anderen Vergleich findet, irgendwo im Westen, um Forderungen aufzustellen und vielleicht auch seinen eigenen Apparat zu rechtfertigen.
โ
Und so war es auch letztes Jahr mit der Tariferhรถhung. Klar, wenn es dem Unternehmen gut geht, dann ist es auch ok etwas fรผr die Mitarbeiter herauszuholen. Fรผr mich ist das aber eher ein Thema von Sonderzahlungen, nicht von dauerhaften Lohnerhรถhungen. Mir ist es definitiv lieber, dass mein Standort nicht wieder auf die Streichliste des Konzerns kommt, als das ich eine (am Netto-Ende) dann doch homรถopatische Lohnerhรถhung einstreichen kann. Und die Signalwirkung ist halt offensichtlich, offenbar springt nun jede Gewerkschaft auf den Zug auf und verlangt um die 10 Prozent. Wenn das Skaleneffekte annimmt, ist die Inflation doch vorprogrammiert.
โ
Man kann dann natรผrlich รผberlegen, ob man wirklich noch bereit ist absurde 4,30 โฌ fรผr einen Milchkaffee in der Stadt auszugeben. Oder, ab der nรคchsten Saison, 80 statt 73 โฌ fรผr eine Parkettkarte im Gewandhaus. Der Mindestlohn, den ich den vielen Leuten wirklich gรถnne, die ihn bekommen, hat ja in vielen Gebieten schon fรผr eine Preiserhรถhung gesorgt. Dieser Faktor wรคre aus meiner persรถnlichen Sicht der einzige, den ich nicht diskutieren mรถchte. Aber โ10 Prozent รผberallโ machen wir aktuell wirklich Sorge. Ganz abgesehen davon, was natรผrlich korrekt angesprochen wurde, dass das eine Sicht auf gewerkschaftlich Organisierte ist.
@Christian
Gibt es denn (wirklich) zuwenig (potentielle) Arbeitskrรคfte insgesamt am Arbeitsmarkt? Oder ist der โFachkrรคftemangelโ einfach nur ein Synonym fรผr eine fehlerhafte Bildungs- und Industriepolitik? Ist ein Job von den Rahmenbedingungen her attraktiv, finden sich auch entsprechende Arbeitskrรคfte. Viele Firmen (und Behรถrden) denken aber leider immer noch, das ihnen die Arbeitskrรคfte die Bude einrennen. Ohne Corona z. Bsp. gรคbe es in der รถffentlichen Verwaltung auch heute noch kein Homeoffice fรผr klassische Bรผroarbeitsplรคtze, dafรผr aber Kernarbeitszeiten. Und auch bis heute haben viele Fรผhrungskrรคfte noch nicht verstanden, das manchmal nicht der Ort, an dem die Arbeitsleistung erbracht wird entscheidend ist, sondern das Ergebnis.
Daร Busfahrerinnen und -fahrer, lieber User โJanโ, die รผbrigens bei den LVB m.W. ein hรถheres Einkommen beziehen, als Straรenbahnfahrerinnen und -fahrer, bisher und seit Jahren zu mies bezahlt werden, ist ein Aspekt, den man eben seit Jahren hรคtte gewerkschaftlich angehen sollen. Jetzt in einer Phase der kartellgetriebenen Energiepreisanhebung (diese hรคtte man mit ordentlichen Einmalzahlungen, und nicht verzagten, kompensieren sollen), die immerhin im Rรผckgang ist, einen hohen Teuerungsausgleich plus eine hohe Kompensation der ausgebliebenen Lohn- und Gehaltserhรถhungen aus der Vergangenheit zu verlangen, ist insoweit unglรผcklich, als daร jetzt nicht nur die Teuerung manifestiert wird, sondern auch noch wirkliche Inflation, also verstรคrkte โGelddruckereiโ einsetzen wird (mal abgesehen von der Gelddruckerei fรผr diverse sog. โSondervermรถgenโ), und es gibt genug gesellschaftliche Bereiche, die allenfalls erst mit langer Verspรคtung auch und indirekt daran partizipieren werden, ich sage nur inhabergefรผhrter Buchhandel. Jedenfalls sind mehr als 10 Prozent Lohn- und Gehaltssteigerung รผberrissen, um es mit einem Helvetismus auszudrรผcken. Es gibt dabei zu wenige Gewinner und zu viele Verlierer, denke ich, auch wenn ich selbstverstรคndlich einem Busfahrer oder einer Straรenbahnfahrerin gรถnnen wรผrde, grรถรenordnungsmรครig genauso viel wie jemand in einer Amtsstube oder einer Autowerkhalle zu verdienen.
Und รผbrigens: Fachkrรคftemangel ist ein seit mindestens 15 Jahren weidlich bemรผhter Terminus, der von Anfang an dafรผr gedrechselt worden war, durch Ausnรผtzung von Lohngefรคllen anderen Lรคndern die Leute abzuwerben und hier dennoch die Tarife zu unterlaufen.
Es muร auch heiรen โdie Fachkrรคftemangelโ, das ist ein Apparat, mit dem man eine Fachkraft einspannt und dann mangelt, die dann platt herauskommt. Fragt sich nur noch, was eine Fachkraft sein soll. Ich empfinde den Begriff als seltsam geringschรคtzend, egal fรผr welche Berufsgruppe. Gibt es eigentlich Fachkraftfahrer (m, w, d)? Allenfalls Fachkrafttrainer, die รผberall Fachkraftfutter verteilen oder gleich selbst verzehren.
@Christian: Ich finde, bestimmten Menschen die Fรคhigkeit abzusprechen, sich gewerkschaftlich zu organisieren zu kรถnnen, da machen Sie es sich zu einfach. Zumal es fรผr Gebรคudereiniger einen bundesweit gรผltigen Tarifvertrag gibt. Ich hรถre immer was alles nicht geht. Nach ca. 10 Jahren Betriebsratstรคtigkeit und Teilnahme an Tarifverhandlungen als Mitglied der Tarifkommission kann ich alle nur ermutigen, sich fรผr ihre Arbeitsbedingungen stark zu machen. Und da ist nicht nur Geld gemeint. Und Fachkrรคftemangel kรถnnen wir durch unbรผrokratische Einwanderungspolitik lindern.
@Jan
Danke, ja, das weiร ich. Das dรผrfte aber nichts an meinen Ausfรผhrungen รคndern.
Sagen Sie mal einem Reinigungsmenschen, dass er eine Gewerkschaft grรผnden soll.
Und selbst wenn dieser in einer Gewerkschaft ist, heiรt das noch nicht, dass es einen Tarifvertrag fรผr sein Metier gibt.
Das Argument, es gibt zu wenig Arbeitskrรคfte fรผr eine bestimmte Sparte, lรคsst sich nicht nur am Geld festmachen.
Geld allein schafft noch nicht Menschen, die dort arbeiten kรถnnen. Schon gar nicht, wenn es zu wenig gibt.
Maximal locken sie Fachkrรคfte von einer Firma zur anderen und verschieben das Loch von links nach rechts.
Viele Berufe schรผtteln einfach nur den Kopf, wenn sie hรถren, andere fordern mal einfach mind. 500 Euro mehr Lohn.
Prinzipiell sehe ich es auch so: man muss ausreichend Knaster verdienen fรผr seinen Job.
Das hilft der Gesellschaft, faire Preise zu entwickeln, wovon z.B. auch ein Friseur leben kann.
Es ist aber sinnfrei, wenn man dies nur einer Hรคlfte der Gesellschaft angedeihen lรคsst.
@ Urs: Ich verstehe ihr Argument, jedoch nur insoweit, dass 10,5 % als Inflationsausgleich keine angemessene Forderung sein soll. Wenn sie sich jedoch die Lรถhne eines Bus- oder Bahnfahrers anschauen, reichen 10,5% mehr bei weitem nicht aus, um den Beruf attraktiver zu machen. Schon jetzt haben die zu wenige, welche sich dort bewerben. Solange ich beim Zusammenschrauben von Autos in Deutschland das doppelte oder dreifache verdiene als in systemrelevanten Berufen, sollte weitergestreikt werden.
@Christian: Es ist ein Grundrecht, sich gewerkschaftlich zu organisieren und fรผr Tarif- und Arbeitsbedingungen zu streiken.
Ich bin seit 10 Jahren Mitglied bei ver.di. Ich zweifle, ob meine Gewerkschaft die ggw. Gesamtlage versteht.
Der international bekannte Volkswirt Heiner Flassbeck hat ziemlich den Durchblick: https://www.relevante-oekonomik.com/2023/03/21/die-inflation-ist-bald-zu-ende-wann-reagiert-die-ezb
Zitat: โDas, was man in den letzten Monaten in der รffentlichkeit โInflationโ genannt hat, gibt es nach allem, was wir wissen, hรถchstens noch wenige Monate.โ, und Flassbeck schluรfolgert dann, โโฆ dass es in diesem Jahr keine Inflationsdynamik mehr gibt, die mit dem Argument โReallohnsicherungโ Abschlรผsse weit รผber der Norm von etwa vier Prozent rechtfertigen wรผrde.โ
Schwierig finde ich, dass nur jene in Deutschland einen hรถheren Lohn oder bessere Bedingungen wirklich erstreiten kรถnnen, welche durch Gewerkschaften organisiert sind.
Aber das sind nicht einmal die Hรคlfte der deutschen Arbeitnehmer!
Was ist mit den restlichen anderen, welche prekรคre Jobs haben (aufgrund der Niedrigqualifizierpolitik der Industrie)?
Im Gegensatz zu denen geht es Tarifentlohnten recht gut.
Der โRestโ wird also vergessen.
Alle beklagen stรคndig die Schere, welche immer weiter auseinander klappt.
Das wird mit Streiks und deren Ergebnissen weiter verstรคrkt.
Wichtig wรคre eigentlich, dass ALLE Arbeitnehmer fรผr eine bestimmte Leistung einen adรคquaten Lohn erhalten.
Zurzeit gilt nur das Recht des am lautesten Schreienden und dem, der am besten das รถffentliche Leben lahmlegen kann.
Ich arbeite in einem Krankenhaus und bin selbst vom Streik betroffen und muss deshalb Umwege und Hindernisse in Kauf nehmen. Gleichzeitig profitiere ich von den Streiks, da auch mein Gehalt nach dem TVรD gezahlt wird. Ohne Streiks hรคtten wir so viele Sachen nicht erreicht, die fรผr uns heute normal sindโฆ 5 (Arbeits-)Tagewoche, durchschnittlich 8h Arbeit am Tag, uswโฆ
Danke fรผr den Arbeitskampf !
Ich hoffe die haben einen schรถnen Tag. Mein Kleiner freut sich riesig, der muss heute nicht in die Schule.
Er hat ja noch nicht genug Schulausfall.