Es ist, als wรผrden die Besitzer Leipziger Baugrundstรผcke nur darauf warten, dass die Stadt die Planung von neuen Quartieren beginnt โ€“ und sofort schicken sie die Rodungskommandos los, um die Flรคchen komplett vom Strauchwerk zu befreien. Auch wenn auf Jahre hinaus nicht mit einem Baubeginn gerechnet werden kann. So wie gerade erst wieder am Wilhelm-Leuschner-Platz und in Gohlis-Nord an der Bremer StraรŸe.

โ€žWieder einmal werden auf dem Bebauungsplangebiet des Wilhelm-Leuschner-Platzes vorzeitig Bรคume gefรคllt, ein weiterer Versuch, mit der Kettensรคge vollendete Tatsachen zu schaffen. Vor Abwรคgung der Stellungnahmen der ร–ffentlichkeit, vor dem Ratsbeschluss zum Bebauungsplan und wiederum ohne Berรผcksichtigung des gesetzlichen Artenschutzes. Nur durch das entschlossene Eingreifen von Bรผrgerinnen, des amtlichen Baumschutzes und der Polizei konnten die Rodungen gestoppt werdenโ€œ, meldet sich die Initiative Stadtnatur zu Wort, die einfach nur noch den Kopf schรผtteln kann รผber die Gnadenlosigkeit, mit der in Leipzig Bauflรคchen schon dann gerodet werden, wenn ein Baubeginn nicht einmal in Sicht ist. 

Bereits zwei Jahre vor den jรผngsten Fรคllversuchen, am 21. Januar 2021, war ein alter Baum- und Heckenbestand auf dem Areal des Wilhelm-Leuschner-Platzes vernichtet worden. Damals lag zwar eine Genehmigung des Amtes fรผr Stadtgrรผn und Gewรคsser vor, nicht aber eine artenschutzrechtliche Genehmigung.

Der gerodete Jungbaumbestand รถstlich der Bremer StraรŸe. Foto: Ralf Julke
Gerodeter Jungbaumbestand รถstlich der Bremer StraรŸe. Foto: Ralf Julke

Ebenfalls vorzeitig gerodet wurde nun im Januar 2023 in der Bremer StraรŸe innerhalb eines noch nicht genehmigten Bebauungsplangebietes. Hier besteht zwar ein Aufstellungsbeschluss, die Bebauungsplanung ist jedoch noch nicht einmal in der ร–ffentlichkeitsbeteiligung und schon wird zum wiederholten Mal gefรคllt.

Erst im Mรคrz 2022 wurde der Vorentwurf fรผr den Bebauungsplan Nr. 433 โ€žStadtquartier รถstlich Bremer StraรŸeโ€œ von der Dienstberatung des OBM gebilligt. 400 Wohnungen sollen hier auf einem ehemaligen Kasernengelรคnde entstehen. Aber auch โ€žsoziale Einrichtungen wie eine weiterfรผhrende Schule und eine Kita.โ€œ

Das Problem auch hier wie an so vielen anderen Stellen der Stadt: Das Gelรคnde gehรถrt nicht der Stadt, sondern privaten Eigentรผmern. Und die wollen augenscheinlich nicht warten, bis ein offizieller Bebauungsplan existiert und eine Baugenehmigung vorliegt. Alles, was in den vergangenen Jahrzehnten auf dem verlassenen Kasernengelรคnde gewachsen ist, wurde grรผndlich abgerรคumt.

Diese umfangreichen Fรคllungen werden von der Behรถrde geduldet, da sie nicht unter die Baumschutzsatzung fallen, kritisiert die Initiative Stadtnatur. Ignoriert werde jedoch der gesetzliche Artenschutz, da Lebensrรคume geschรผtzter Arten zerstรถrt werden.

Artenschutz? Fehlanzeige

โ€žDiese Lebensstรคtten sind unabhรคngig von Baumschutzsatzung oder der Gehรถlzschutzzeit stets geschรผtzt โ€“ eine Zerstรถrung bedarf der Ausnahme oder einer Befreiung, in der Regel verbunden mit artenschutzrechtlichen KompensationsmaรŸnahmen. Beides ist nach den vorliegenden Informationen nicht gegeben. Auch wenn BuรŸgeldverfahren durchgefรผhrt werden โ€“ der entstandene Schaden wird dadurch nicht wiederhergestelltโ€œ, erlรคutert Axel Schmoll von der Initiative Stadtnatur.

โ€žDieser Trend des ersatzlosen Lebensraumverlustes ist leider symptomatisch fรผr die โ€šKommune der biologischen Vielfaltโ€˜, die ihre eigenen Zielsetzungen des Integrierten Stadtentwicklungskonzeptes INSEK, des Klimanotstandsbeschlusses und auch weiterer Stadtratsbeschlรผsse nicht beachtetโ€œ, bekrรคftigt Wiebke Engelsing von der Initiative Stadtnatur.

Umweltverbรคnde wie der BUND Leipzig, der ร–kolรถwe Leipzig und NABU Leipzig mahnen dies seit langem an. Der NABU hat seit 2016 ganze 400 Areale dokumentiert, in denen Lebensrรคume fรผr Tiere und Pflanzen vernichtet wurden, ohne entsprechend rรคumlich-funktionalen Ausgleich zu schaffen.

Weitersรคgen am Wilhelm-Leuschner-Platz

Der Bebauungsplan Nr. 392 โ€žWilhelm-Leuschner-Platzโ€œ ist derzeit in der Abwรคgungsphase. Von der Stadt selbst heiรŸt es dazu: โ€žโ€ฆ Das Abwรคgungsgebot ist eine wesentliche Verpflichtung fรผr die Aufstellung der Bauleitplรคneโ€œ, dabei โ€žsind die รถffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwรคgenโ€œ.
Grit Mรผller von der Initiative Stadtnatur stellt nun aber im Angesicht der tatsรคchlichen Aktivitรคten fest: โ€žDer Stadt indes scheint das Ergebnis dieser Abwรคgung schon bekannt zu sein โ€“ warum sonst werden mit der Kettensรคge Tatsachen fรผr eine Bebauung des Areals geschaffen? An einer wie vom Gesetz geforderten gerechten Abwรคgung hat die Stadt augenscheinlich kein Interesse.โ€œ

Stattdessen startete die Stadtverwaltung jรผngst eine Umfrage zur Gestaltung einer asphaltierten Freiflรคche auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz. Ist das auch wieder nur ein Ablenkungsmanรถver, fragt sich die Initiative Stadtnatur.

In der nรคchsten Ratsversammlung will die Initiative Stadtnatur im Rahmen der Einwohner/-innenanfrage ihr Fragerecht wahrnehmen. โ€žWir appellieren an die dem Umwelt- und Klimaschutz zugewandten Fraktionen, sich aktiv an der zu fรผhrenden Debatte zu beteiligen und Position zu beziehen.โ€œ

Dann muss die Stadtverwaltung Stellung nehmen zu zwei Anfragen, die Mitglieder der Initiative gestellt haben. Eine zu den geplanten RodungsmaรŸnahmen auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz und eine zur radikalen Grรผnbeseitigung รถstlich der Bremer StraรŸe.

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Es gibt 10 Kommentare

@fra:
Es gibt viele versiegelte Areale, die mit tlw ruinรถser Gebรคudesubstanz belegt ist. Warum wird dort nicht gebaut? -> Weil es โ€œteurerโ€ ist. Die externen Kosten, die der Lebensraumverlust, der Verlust der biologischen Vielfalt und der Verlust von Kaltlufteinstrรถmungs- und Entstehungsgebieten verursachen, werden nicht internalisiert. Wรผrde man diese veranschlagen, dann wรผrde sich die Errichtung von Schulen unter vorheriger Planierung mancher Areale eher rechnen. So braucht man nur einen โ€œGutachterโ€, der im Rahmen des Artenschutzfachbeitrags der Amsel ein paar Nistkรคsten verordnet (tatsรคchlich schon geschehen โ€“ kleiner Hinweis: Amseln brauchen Hecken und Strรคucher, weil es keine Hรถhlenbrรผter sind). Und wie auch schon mehrfach hier dargestellt wurde โ€“ der Lebensraumverlust und die Zerstรถrung von nach ยง 44 BNatschG geschรผtzten Lebensstรคtten ist das Fanal; herzustellende Ersatzlebensrรคume sind nicht vorhanden, lt. Karte des Nabu wurden seit 2016 bereits mehr als 330 Areale ohne funktionalen Ersatzlebensraum zerstรถrt

https://www.google.com/maps/d/viewer?mid=1hg_NLQm1YzqZTLwQGQiHh4_8zUk&ll=51.341556550748905%2C12.397773536290622&z=12

Nicht Nabu und BUND mรผssen beantworten wohin mit den Schulen (das geht auch auf bereits versiegelter Flรคche mit mehr Geld), sondern die fรผr den Naturschutz und der Bekรคmpfung der Klimakrise Verantwortlichen mรผssen beantworten, wo und wie die Verdrรคngung der Arten gestoppt wird.

Eins habe ich vom NABU oder BUND noch nicht gehรถrt, wo man den die benรถtigten Schulen oder Wohnungen bauen sollte bzw. kann.

@ Chris, in Ergรคnzung A&O: Und in der Stadtverwaltung gibt es natรผrlich sehr unterscheidlich arbeitende bzw. engagierte Menschen; die Abnicker und Durchwinker und solche, die im Rahmen ihrer Mรถglichkeiten noch etwas positives fรผr Natur und Umwelt und Natur zu bewirken. Die letzteren haben es sehr sehr schwerโ€ฆ Wenn ein Bรผrger anruft und ein nicht mehr wegzudiskutierendes Vergehen meldet, dann kรถnnen die Stadtverwaltenden zudem gar nicht mehr anders als z.B. Rodungen zu stoppen, ansonsten machen sie sich auch womรถglich strafbar. Selbst die oberste Hierarchieebene, die extrem investorenfreundlich und naturschutzfeindlich ist โ€“ weil das System eine solche Besetzung bedingt -, macht dann bei solchen Baustopps mit, oder sie nutzen dann die Chance um ein wenig Naturschutz vorzuheucheln. Hat die Naturschutzbehรถrde sich irgendwann mal gegen diese ganzen Rodungen auf dem Leuschnerplatz gestemmt? Mitnichten! Das verstรถรŸtz sogar gegen das Bundesnaturschutzgesetz, denn dort ist die Eingriffsvermeidung als oberstes Primat gesetzlich verankert!

@Chris: Leider ist es tatsรคchlich so, dass bei der Stadt die linke Hand nicht weiรŸ was die rechte macht. Das Amt fรผr Stadtgrรผn und Gewรคsser genehmigt Eingriffe in den geschรผtzten Gehรถlzbestand โ€“ das beinhaltet aber NICHT die artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung nach ยง 67 BNatschG, die wiederum erteilt das Amt fรผr Umweltschutz. Kommt jetzt noch das Amt fรผr Bauordnung um die Ecke und erteilt eine Baugenehmigung (fรผr die Stadt als Auftraggeber) und kommt der Antragsteller zum (fehlerhaften) Ergebnis, auf dem von der Baugenehmigung betroffenen Areal liegt kein geschรผtzter Gehรถlzbestandteil vor, dann kann es auch zu der Situation kommen, dass: 1. Doch geschรผtzter Gehรถlzbestand vorliegt -> das Amt fรผr Stadtgrรผn interveniert und 2. geschรผtzte Lebensstรคtten nach ยง 44 BNatschG zerstรถrt werden -> das Amt fรผr Umweltschutz interveniert.

Im รœbrigen war bei Twitter auch zu lesen (die grรผne Fraktion berichtete), dass es wohl ein Subunternehmen eines von der Stadt beauftragten Unternehmens war, welches die Arbeiten vor Ort durchfรผhrte.

Hier wird im Artikel (bzw. mal wieder Kommentar, bei so vielen Wertungen und Eigeninterpretationen) aber auch Einiges durcheinandergehauen, so scheint es mir. Beispiel Leuschi: โ€œdie Stadt schafft mit der Kettensรคge Tatsachenโ€ impliziert mir die Stadt als Auftraggeber โ€“ wiederum stoppt die Stadt (richtigerweise) die ungenehmigte Rodung.

Hallo fra, der gesetzliche Artenschutz gilt รผberall, vรถllig unabhรคngig von den Eigentumsverhรคltnissen. Fรผr die Vรถgel sind die Reviere die gesetzlich geschรผtzten Fortpflanzungsstรคtten (und z.T. auch Ruhestรคtten; s. ยง 44 BNatSchG). Wenn wichtige Habitatrequisiten in solchen Vogelrevieren zerstรถrt werden (so wie an der Bremer StraรŸe geschehen), so dass davon auszugehen ist, dass das Revier verloren geht, war die Entfernung solcher Strukturen verboten. Das gilt auch fรผr junge Gehรถlzbestรคnde, die fรผr manche Vogelarten sogar besonders wichtig sind (z.B. Heckenbrรผter). Das Entfernen solcher Strukturen ist auch im Winter verboten. Ich weiรŸ, manchmal nicht ganz einfach zu verstehen.

Hallo A&O. Die Paragraphen sind schรถn und gut, gelten aber wahrscheinlich fรผr diesen Bereich nicht. Da es sich nicht um eine Grรผnflรคche oder ungenutzte Flรคche handelt. Laut Bild ist das ein Garagenhof.

Hallo fra. Nun, so einfach ist es nicht. Das was da passiert ist, ist keine Verkehrssicherung. Denn das wรผrde implizieren das dort eine รถffentliche Verkehrsflรคche vorliegt und die Gehรถlze eine รผber das normale MaรŸ gehende Gefรคhrdung zu Schรคdigung von Personen und Sachen beherbergen.

Ferner ist die Rodung auรŸerhalb der Gehรถlzschutzzeit nicht per se erlaubt. Sie ist innerhalb der Gehรถlzschutzzeit definitiv verboten und nur bei Vorliegen von Grรผnden (Verbot mit Ausnahmevorbehalt) gestattet, so sagt es der Par. 39 BNatSchG. AuรŸerhalb wie innerhalb dieses Schutzes gelten die Zugriffsverbote des Par. 44 BNatSchG. Lebensstรคtten der besonders geschรผtzten Arten (so auch alle europรคischen Vogelarten) sind geschรผtzt โ€“ (Zer)Stรถrungen bedรผrfen immer einer รœberwindung durch Par. 67 BNatSchG. Und wenn dort in den Strรคuchern Amseln, Neuntรถter und schwarzkehlchen leb(t)en, dann sind das geschรผtzte Lebensstรคtten. In B-Plan-Verfahren werden hier dann artenschutzfachbeitrรคge erstellt, die auch eine Aussage darรผber treffen, wie Ersatzlebensrรคume zu schaffen sind usw.

โ€œJungbaumbestandโ€ das muss man sich erstmal auf der Zunge zergehen lassen. Laut Gesetz ist die Rodung auรŸerhalb der Brutzeit erlaubt, bei Gehรถlzen. So wie es auf dem Bild aussieht. Nennt man auch VerkehrssicherungsmaรŸnahmen. Nicht jedes verwilderte Grundstรผck fรคllt unter den gesetzliche Artenschutz. Dazu sagen sie ja das es Privatbesitz ist, wie wollen Sie das roden von Gehรถlzen verhindern. Mit Hausfriedensbruch?

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