Drei Jahre ist es her, dass Meldungen aus dem hessischen Hanau das ganze Land erschรผtterten: Ein 43-jรคhriger Mann hatte unter anderem in einer Shisha-Bar insgesamt neun Menschen erschossen. Am Ende tรถtete der Attentรคter dann seine 72-jรคhrige Mutter und schlieรŸlich sich selbst. Wรคhrend in Hanau selbst gestern an die Opfer erinnert wurde, fanden in ganz Deutschland weitere Gedenkveranstaltungen statt โ€“ so auch in Leipzig.

Unter dem Motto โ€žTrauer wird zu Wutโ€œ gingen im Leipziger Rabet geschรคtzt bis zu 2.000 Menschen auf die StraรŸe, um ihrer Trauer und Wut Ausdruck zu verleihen. Auf den Tag genau drei Jahre zuvor hatte ein 43 Jahre alter Hanauer am spรคten Abend des 19. Februar 2020 gezielt zwei Lokale in der hessischen Stadt angesteuert, die vor allem von Menschen mit Migrationsgeschichte besucht wurden, und dort das Feuer erรถffnet.

Kaloyan Velkov (33), Fatih SaraรงoฤŸlu (34) und Sedat Gรผrbรผz (30) starben hier als erste durch die Schรผsse des Attentรคters. Gรถkhan Gรผltekin (37), Mercedes Kierpacz (35), Ferhat Unvar (22), Said Nesar Hashemi (21), Hamza Kurtoviฤ‡ (22) und Vili Viorel Pฤƒun (22) fielen seinem Hass kurz darauf zum Opfer.

Erst Stunden spรคter drangen Spezialkrรคfte der Polizei in das Wohnhaus des Schรผtzen ein โ€“ und fanden dort dessen Leiche sowie die seiner 72-jรคhrigen Mutter. Tobias R., der laut einem Gutachten an paranoider Schizophrenie erkrankt und zugleich seit Jahren fรผr ein rassistisch-rechtsextremes Weltbild mit massivem Verschwรถrungsdenken bekannt war (und dennoch legal Waffen besaรŸ), hatte offenbar erst seine Mutter Gabriele R. und dann sich selbst getรถtet. Hier gibt es eine ausfรผhrliche Chronologie des Geschehens.

Es gab auch kritische Stimmen

Trotz der Kรคlte hatten sich zahlreiche Menschen am Sonntagnachmittag im Leipziger Rabet zusammengefunden, wobei es offensichtlich รผber den rechtsterroristischen Anschlag von Hanau hinaus auch um den grundsรคtzlichen Hinweis auf rassistische Strukturen gehen sollte. Dementsprechend wurde nicht allein Hanau thematisiert, sondern auch auf รคhnliche Hassverbrechen hingewiesen: โ€žHanau war kein Einzelfall, Widerstand, รผberall!โ€œ war zu hรถren, wรคhrend die Demonstrantinnen und Demonstranten รผber die EisenbahnstraรŸe zogen.

Dazu wurden auch Bilder der in Hanau ermordeten Menschen gezeigt und ihre Namen mit der Aufforderung โ€ž#say their namesโ€œ auf Schildern getragen. Die Polizei war nur in geringer Stรคrke an Einsatzkrรคften prรคsent und hielt sich trotz teilweiser Vermummung der Protestteilnehmer zurรผck. Zu Zwischenfรคllen kam es nicht. Mit einer Abschlusskundgebung war die Demo nach etwa anderthalb Stunden beendet.

Hinter vorgehaltener Hand gab es aber durchaus kritische Stimmen: So erklรคrte eine nach eigener Aussage selbst von Rassismus betroffene Person gegenรผber unserem LZ-Reporter, sie empfรคnde die Losungen vom โ€žBullenstaatโ€œ und einer BRD, die โ€žnicht unser Staatโ€œ sei, fรผr ein Gedenken, das vor allem erinnern und Kraft spenden soll, als nicht passend. Auch der mindestens umstrittene Spruch โ€žVon Hanau bis nach Gaza โ€“ Yallah Intifadaโ€œ war zu vernehmen.

Gedenken in Hanau und viele Fragen ungeklรคrt

In Hanau selbst fand gestern das zentrale Gedenken an den rassistischen Anschlag statt, unter anderem war auf dem Marktplatz auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (52, SPD) anwesend. Danach wurde auf dem Hauptfriedhof an die Opfer erinnert und dazu aufgerufen, sich der Bedrohung durch Hass, Hetze und Rassismus konsequent entgegenzustellen: โ€žWir sind stรคrker als euer Hass!โ€œ, so Hanaus OBM Claus Kaminsky (63, SPD).

Auch drei Jahre nach dem Anschlag von Hanau bleiben zahlreiche, quรคlende Fragen zum Ablauf der Tat, der Rolle der Behรถrden und dem Polizeieinsatz fรผr die Angehรถrigen der Opfer ungeklรคrt, etwa, warum der spรคter ermordete Vili Viorel Pฤƒun den Notruf 110 nicht erreichen konnte, als er den Attentรคter offenbar in seinem Wagen verfolgte. Obendrein soll in einer der betroffenen Bars der Notausgang verriegelt gewesen sein und so den rettenden Fluchtweg versperrt haben.

Gleichsam hatte sich Ferda Ataman, Antidiskriminierungsbeauftragte der Bundesregierung, kritisch geรคuรŸert: Trotz eines begrรผรŸenswerten Kabinettsbeschlusses mit MaรŸnahmen gegen Rassismus und Rechtsextremismus von Ende 2020 sei bisher nichts passiert, monierte die 43-Jรคhrige gegenรผber der Tagesschau.

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