Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) verklagt die Bundesregierung wegen Nichteinhaltung der im Bundes-Klimaschutzgesetz (KSK) festgeschriebenen Treibhausgas-Sektorziele für Verkehr und Gebäude. Auch der BUND Sachsen beteiligt sich an der am Dienstag, dem 24. Januar 2023, bekannt gewordenen Klage. Im Verkehrssektor wurden die für 2021 erlaubten Emissionsmengen um 3,1 Millionen Tonnen Treibhausgasemissionen, im Gebäudesektor um 2,5 Millionen Tonnen überschritten. Für 2022 ist eine erneute Überschreitung zu erwarten.
Gemäß Paragraf 8 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 im Klimaschutzgesetz verlangt der Umweltverband den Beschluss von Sofortprogrammen, deren Maßnahmen sicherstellen, dass die jährlichen Ziele in den betreffenden Sektoren eingehalten werden. Eine vorherige Aufforderung des Verbandes, ein wirksames Sofortprogramm vorzulegen, ließ die Bundesregierung ungenutzt verstreichen. Aber auch eine Regierung ist verpflichtet, ihre eigenen Gesetze einzuhalten.
Dass dabei bestimmte Minister ganz gezielt bremsen, macht die Sache ja noch brisanter.
„Wir können nicht weiterzusehen, wie Teile der Bundesregierung die eigenen Klimaschutzziele ignorieren und wirksame Maßnahmen bei Verkehr und Gebäuden verweigern“, erklärt Olaf Bandt, Vorsitzender des BUND e.V.
„Uns rennt die Zeit davon. Scholz, Wissing, Geywitz und Habeck schaffen es nicht, das Land auf Klima-Kurs zu bringen und brechen damit das deutsche Klimaschutzgesetz. Es braucht jetzt die politische Entscheidung, wirksame Maßnahmen für den Klimaschutz zu schaffen. Wenn die Regierung von Olaf Scholz dazu politisch nicht fähig oder willens ist, muss sie gerichtlich dazu verpflichtet werden.“
Das Video zur Klage.
Laut dem Klimaschutzgesetz muss die Bundesregierung bis 2030 ihre Emissionen um 65 Prozent reduzieren. Überschreiten Sektoren die vorgegebenen Jahresemissionsmengen, muss die Regierung laut des eigenen Bundes-Klimaschutzgesetzes schnellstmöglich Sofortprogramme beschließen. Bisher hat die Ampelkoalition keine derartigen Beschlüsse gefasst, obwohl sie dies wegen zu hohen Emissionen im Verkehrs- und Gebäudesektor in 2021 hätte tun müssen.
Sie hat noch nicht einmal wirksame Sofortprogrammentwürfe vorgelegt, die zur Zielerreichung hinreichende Maßnahmen enthalten hätten. Das hat der Expertenrat für Klimafragen der Bundesregierung 2022 bestätigt.
Dieses Versagen ist umso dramatischer, weil selbst die Ziele des Klimaschutzgesetzes nicht ausreichen, um die völkerrechtlich verbindliche 1,5-Grad-Grenze des Pariser Klima-Abkommens zu erfüllen. Auch den klimaverfassungsrechtlichen Vorgaben, die das Bundesverfassungsgericht auf eine vom BUND mitinitiierte Verfassungsbeschwerde hin 2021 statuiert hatte, läuft der derzeitige Kurs der Bundesregierung entgegen.
„Der Kanzler ist jetzt gefordert, ein Machtwort zu sprechen, um seinem im Wahlkampf selbst verliehenen Titel ‚Klimakanzler‘ gerecht zu werden“, so Bandt.
Unterstützung aus Sachsen
Die Klage vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg wird rechtlich vertreten vom Vorsitzenden des BUND Sachsen, Prof. Dr. Dr. Felix Ekardt, der stellvertretenden Vorsitzenden des BUND Sachsen und langjährig im Umweltrecht tätigen Rechtsanwältin Dr. Franziska Heß sowie ihrer Kollegin Lisa Hörtzsch, beide Baumann Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbH aus Leipzig. Heß und Ekardt haben bereits die erfolgreiche Klimaklage vor dem Bundesverfassungsgericht gemeinsam rechtlich vertreten.
Dr. Franziska Heß erklärt zur Klage: „Aus unserer Sicht sind die Vorgaben des Klimaschutzgesetzes eindeutig. Es steht nicht im Belieben der Bundesregierung, ob sie bei Überschreitungen von Jahresemissionsmengen durch einzelne Sektoren ein Sofortprogramm aufstellt oder nicht. Sie ist hierzu ganz klar verpflichtet und diese Verpflichtung wollen wir nun durchsetzen.“
Was der BUND vorschlägt
Die jetzt eingereichte Klage nennt bewusst keine Maßnahmen für die beiden Sektoren Verkehr und Gebäude. Denn ein Gericht wird nach Einschätzung des BUND der Politik keine Maßnahmen vorschreiben wollen. Maßnahmen, mit denen die Politik wirksame Sofortprogramme aufstellen könnte, gibt es aber und sind bekannt.
Der BUND schlägt beispielsweise folgende zentrale Maßnahmen für die beiden Sektoren vor.
BUND Forderungen für ein wirksames Sofortprogramm im Verkehrssektor sind u.a.:
· Abschaffung vom Dienstwagenprivileg und von Steuervorteilen für Dieselkraftstoff & Kerosin,
· eine Reform der Kfz-Steuer mit zusätzlichem Bonus-Malus-System beim Kauf,
· den Stopp des Autobahnbaus,
· die Einführung von Pkw-Maut,
· die Einführung des Tempolimits,
· Mittelerhöhung für den Ausbau von öffentlichem Verkehr und Radverkehr.
BUND Forderungen für ein wirksames Sofortprogramm im Gebäudesektor, in dem die energetische Modernisierung im Mittelpunkt eines Maßnahmenpaketes steht, u.a.:
· flächendeckende Sanierungsfahrpläne,
· Streichen der Ausnahmen für bestehende Nachrüstpflichten und höhere Anforderungen,
· mehr Vorgaben zur Optimierung von Gebäude-Heizungsanlagen, bessere Vollzugskontrolle,
· Vorgaben für energetische Modernisierung, zuerst bei Gebäuden mit schlechtester Effizienz,
· 25 Milliarden Euro Fördermittel p.a. für klimazielkompatible energetische Modernisierungen.
Was das Klimaschutzgesetz verlangt
Das Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG), beschlossen in 2019, ist das Gesetz, das für Deutschland die Ziele – nicht die genauen Maßnahmen – auf dem Weg zur Einhaltung der rechtsverbindlichen Pariser Temperaturgrenze von weit unter 2 Grad und möglichst 1,5 Grad festlegt. Die KSG-Ziele reichen für das Paris-Ziel allerdings noch nicht aus, ebenso wenig wie die Klimaziele der EU – sie sind deshalb völkerrechtswidrig und nach Einschätzung des BUND auch weiterhin verfassungswidrig.
Die Nichteinhaltung des Klimaschutzgesetzes hängt aktuell juristisch vor allem am Verkehrs- und Gebäudesektor, welche in 2021 zu hohe Emissionen hatten und ihre Ziele für das Jahr nicht eingehalten haben. Beide Sektoren sind in der BUND-Klage enthalten.
Darüber hinaus ist laut kürzlich veröffentlichter Berechnungen von Agora Energiewende davon auszugehen, dass durch die höhere Produktion von Strom aus Kohlekraftwerken der Energiesektor seine Ziele wohl nicht erreichen wird, der Industriesektor schafft seine Ziele auch nur wegen der derzeit schwachen Konjunktur.
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