Die Besetzung des Auditorium maximum der Universität Leipzig ist nach vier Tagen friedlich beendet worden. Die Aktivist/-innen der Gruppe „End Fossil“ räumten am Donnerstagabend den größten Hörsaal der Universität, nachdem sie sich mit Rektoratsvertretern auf eine gemeinsame Erklärung verständigt hatten. Beim Verlesen der Erklärung herrschte eine harmonische Stimmung.
Erklärung nach vier Tagen Besetzung
Damit geht eine intensive Zeit für die Aktivist/-innen und die verhandelnden Rektoratsmitglieder der Uni zu Ende, die sich zwischen Dienstag und Donnerstag zu zahlreichen Gesprächen zusammengesetzt hatten, teilweise – wie von „End Fossil“ stets gefordert – auf dem Podium im Audimax, teilweise hinter verschlossenen Türen. Am Mittwoch sah es zwischenzeitlich so aus, als würde eine Einigung auf der Kippe stehen, die Aktivist/-innen bezeichneten die Verhandlungen als „zäh“.
Die gemeinsame Erklärung, die am Abend von der Universität veröffentlicht wurde, besteht aus zwei Teilen: Zu Beginn erläutert die Universität sehr ausführlich, welche Anstrengungen sie im Bereich des Klimaschutzes bereits unternommen hat – quasi ein langer Werbeblock für die bereits bestehenden und geplanten klimaschutzbezogenen Maßnahmen der Hochschule.
Sie wurden nicht durch den öffentlichen Druck der Besetzung auf den Weg gebracht, sondern sind bereits verankert oder seit Längerem in Planung.
Das neue Prorektorat „Campusentwicklung“ wird etwa genannt, das mit dem Amtsantritt der neuen Rektorin Eva Inés Obergfell im April eingeführt wurde. In diesem Bereich sei das Thema Nachhaltigkeit verankert, erklärt die Uni. Matthias Middell, einer der universitären Verhandlungsführer während der Besetzung, hat das Prorektorat inne.
Uni führt Stelle für Nachhaltigkeitsmanagement ein
Außerdem zählt die Universität ihren „Runden Tisch zur Nachhaltigkeit“, ihr Green Office und eine im November beschlossene Nachhaltigkeitskommission auf, die am 30. Januar erstmals tagen soll. Eine ihrer Aufgaben soll es sein, einen regelmäßigen Nachhaltigkeitsbericht für die Universität zu entwickeln. Anfang 2024 soll der erste Bericht vorgelegt werden.
Weiterhin berichtet die Universität in der Erklärung von einer geplanten Stelle eines/einer Nachhaltigkeitsmanagers/-managerin. Der Beschluss zur Ausschreibung wurde erst heute in der Rektoratssitzung gefasst. Ob dies mit Druck durch die Besetzung gerade am heutigen Tag passierte, ist unklar. „Nach längerer Vorplanung“ sei die Stelle heute auf den Weg gebracht worden, heißt es vonseiten der Uni.
Der Grundstein für eine „strukturelle Verankerung“ des Nachhaltigkeitsthemas an der Universität sei bereits gelegt, heißt es in der gemeinsamen Erklärung. „Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsmaßnahmen und -aktivitäten müssen allerdings noch stärker geplant, gesteuert und weiterentwickelt werden, um ihre Wirkung besser zur Entfaltung zu bringen.“ Darin bestehe Einigkeit.
Uni will Curricula flexibler gestalten
Der zweite Teil der Erklärung bezieht sich auf die Forderungen von „End Fossil“ an die Universitätsleitung. Die Aktivist/-innen hatten es unter anderem zum Ziel der Besetzung erklärt, dass die Universität bis 2030 klimaneutral wird. Die heute veröffentlichte Erklärung hält fest, dass ein klimaneutraler Betrieb ein „generell geteiltes Ziel“ beider Parteien sei.
Konkreter wird es an dieser Stelle nicht, denn die Universität muss erst einmal ein Konzept erarbeiten, dass Begrifflichkeiten klärt und Möglichkeiten der Berechnung aufzeigt. Auch hierfür soll die Nachhaltigkeitskommission zuständig sein: Der für 2024 geplante erste Nachhaltigkeitsbericht soll die Grundlage für „Maßnahmen zur Emissionskompensation“ bilden.
Die zweite Hauptforderung der Studierenden umfasst die Ausgestaltung eines verpflichtenden Moduls für jeden Studiengang, in dem mögliche Herangehensweise an die Klimakrise aus der jeweiligen Fachperspektive vermittelt werden sollen.
An dieser Stelle verweist die Universität auf drei Module, die im Rahmen der sogenannten Schlüsselqualifikationen von Studierenden verschiedener Fachrichtungen bereits jetzt belegt werden können. Sie beschäftigen sich mit „Klimakrise und Lösungsmöglichkeiten“, „Energie und Umwelt“ und „nachhaltiger Entwicklung – Risikobewertung“.
Die Universität setzt es sich in der Erklärung selbst zum Ziel, attraktivere Bedingungen für ein Klimamodul an den einzelnen Fakultäten zu schaffen, beispielsweise könnte die Modulwahl für die Studierenden freier gestaltet werden. Man ziehe in Betracht, die Ringvorlesungen der Leipziger Initiative für Nachhaltige Entwicklung (LINE) für alle Studierenden zugänglich zu machen.
Neben ihren zwei Hauptforderungen der Klimaneutralität und des Klima-Moduls bezogen sich die Aktivist/-innen seit Beginn der Besetzung stets auf einen Stura-Beschluss zum Thema Nachhaltigkeit vom Juli. Die Uni beteuert in der Erklärung, den Beschluss zu beachten und „die Umsetzung der darin enthaltenen Ziele in allen Bereichen“ anzustreben.
Alle Augen auf die Nachhaltigkeitskommission
„Die Universität Leipzig setzt sich in allen Bereichen, auf die sie unmittelbaren Gestaltungseinfluss hat, dafür ein, deutlich vor dem Jahr 2030 klimaneutral zu werden“, heißt es abschließend. Damit werde sie ihrer wichtigen Vorbildfunktion in der Gesellschaft gerecht, einen Weg aufzuzeigen, die 1,5°C-Grenze auf der Grundlage des IPCC-Berichts von 2021 zu erreichen.
Auch will sich die Uni stärker mit anderen Hochschulen im Bereich nachhaltiges Energie- und Baumanagement vernetzen. Das dürfte der Job von Prorektor Matthias Middell sein, der beispielsweise im Herbst erwirkt hatte, dass die Universität intervenierte, nachdem ein von ihr in Auftrag gegebenes Wassersportzentrum am Störmthaler See für Protest von Naturschutzgruppen und Stura gesorgt hatte.
Nun bleibt also zu beobachten, welche Ergebnisse die im neuen Jahr startende Nachhaltigkeitskommission liefern wird und wie konkret die Universität ihre Bekenntnisse in die Praxis umsetzen wird. Ausschlaggebend für die Wahrung der Glaubwürdigkeit der Universität wird auch sein, wie schnell oder langsam die Verwaltungsmühlen nun mahlen, die solch große Ziele möglich machen sollen. Die Universität ist schließlich, was Angehörige und Komplexität angeht, mit einer Kleinstadt zu vergleichen.
Festzuhalten ist, dass die Universitätsleitung in den letzten Tagen gezeigt hat, dass sie das Anliegen der Studierenden ernst nimmt.
Harmonischer geht’s kaum
Man respektiere vor dem Hintergrund der Klimakrise den Wunsch der Aktivist/-innen, öffentlichkeitswirksame Protestaktionen durchzuführen, heißt es vonseiten der Universität. „Ebenso, wie wir vonseiten der Besetzenden erwarten, dass sie die demokratischen Prozesse der Universität Leipzig und ihre Kernaufgaben in der Lehre respektieren“, erklärt Prorektor Middell. Die Besetzung des größten Hörsaals hindere jedoch Studierende an ihrem Studium.
Die Aktivist/-innen betonten im Verlauf der Besetzung, dass keine Vorlesung ausfallen müsse, da die Uni im Verlauf der Corona-Pandemie Strukturen aufgebaut habe, die ein schnelles Umstellen auf Online-Lehre ermöglichen. Das schien auf den ersten Blick in den vergangenen Tagen auch ganz gut funktioniert zu haben: Am Eingang zum Audimax hingen mehrere Zettel mit QR-Codes für ins Digitale verlegte Vorlesungen.
Bei der Verkündung herrschte eine bemerkenswert harmonische Stimmung zwischen Prorektor Roger Gläser und den Aktivist/-innen, man bedankte sich gegenseitig für die konstruktiven Gespräche.
Der Ausgang dieser Aktion steht in krassem Kontrast zu einer Besetzung durch „End Fossil“ vergangene Woche an der Goethe-Universität Frankfurt/Main. Dort stellte der Kanzler Strafantrag gegen die Studierenden und ließ den Hörsaal von der Polizei räumen.
Seit Montagnachmittag hatten rund 20 Aktivist/-innen der international agierenden Gruppe „End Fossil“ das Audimax besetzt gehalten. Neben Forderungen an die Universität geht es der Gruppe um gesamtgesellschaftliche Umwälzungen wie die Verkehrswende und eine Abkehr vom Profitmodell für Energieanbieter. Seit Monaten besetzen junge Menschen Hochschulen und Schulen in ganz Europa, beispielsweise in Prag, Lissabon und Leeds.
Die komplette Erklärung ist im Wortlaut auf der Website der Universität Leipzig nachzulesen.
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