So einfach ist das nicht, die Erinnerung an eine Revolution unter Denkmalschutz zu stellen. Oder sie mit einem UNESCO-Welterbetitel zu versehen. Das stellt nun das Kulturdezernat fest, nachdem das sächsische Wissenschaftsministerium geprüft hat, welche Chancen eine Bewerbung überhaupt hätte. Beantragt hatte es die CDU-Fraktion im Leipziger Stadtrat. Was aber niemanden daran hindert, sich um andere Titel zu bewerben.
„Ein Welterbeantrag wird grundsätzlich nicht von einer Kommune, sondern der Bundesrepublik Deutschland gestellt, wobei zuvor die Vorschläge der jeweiligen Länder in einem föderalen Abwägungsprozess priorisiert und zeitlich gestaffelt werden. Deshalb wurde im Rahmen der Prüfung durch die Stadtverwaltung Leipzig eine Stellungnahme des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft, Kultur und Tourismus erbeten“, erläutert das Kulturdezernat, wie es vorgegangen ist, um die Chancen des ursprünglichen CDU-Antrages auszuloten.
Bewerbung gilt faktisch als chancenlos
„Im Ergebnis unterstützt das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus nachdrücklich die verstärkte überregionale und internationale Sichtbarmachung der Stätten der Friedlichen Revolution im Freistaat Sachsen. Das Ministerium kommt aber gemeinsam mit dem für das materielle Weltkulturerbe fachlich zuständige Staatsministerium für Regionalentwicklung zum Schluss, dass die Ausgangslagen in den drei Städten Leipzig, Dresden, Plauen nach gründlicher Prüfung keine hinreichende Verknüpfung zum sogenannten materiellen Welterbe im Sinne der UNESCO-Welterbekonvention bieten.
Ebenso wenig erfolgversprechend sieht das Ministerium eine Bewerbung für das ‚Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes‘ im Rahmen der UNESCO-Konvention zum Erhalt des immateriellen Kulturerbes, da das historische Ereignis von 1989 an seine politischen Zeitumstände gebunden ist und im eigentlichen Sinne keine lebendige Weitergabe einer kulturellen Tradition darstellt.“
Was ja niemanden daran hindert, markante Orte der Revolution zu vermarkten. Obwohl das meist gar nicht nötig ist, weil die Orte der Revolution ja sowieso wesentliche Teile der Leipziger Erinnerungskultur sind.
Der Ratsversammlung wird also empfohlen, dem Vorschlag des Dezernats Kultur zuzustimmen, und stellt fest, eine Bewerbung sowohl um das materielle Weltkulturerbe als auch das immaterielle Weltkulturerbe als wenig erfolgversprechend einzustufen.
Ein Alternativvorschlag liegt auf dem Tisch
Stattdessen stellt das Kulturdezernat einen Alternativvorschlag in den Raum, der dem Anliegen ebenfalls gerecht werden könnte.
„Das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus verweist hingegen auf europäische Programme, wie das Europäische Kulturerbe-Siegel der Europäischen Union sowie ggf. die Kulturrouten des Europarates, als mögliche Alternativen“, stellt das Dezernat fest.
„Die Stadt Leipzig sieht die überregionale Positionierung der Stätten der Friedlichen Revolution in Leipzig und im Freistaat Sachsen als prioritäre Aufgabe und steht einer Bewerbung um das Europäische Kulturerbe-Siegel – auch im Verbund mit weiteren sächsischen Städten – offen gegenüber.“
Doch da tut sich ein kleines Problem auf, denn die markanten Gebäude, die es betrifft, tragen ja auch schon andere Siegel, wie das Kulturdezernat betont: „Es wird jedoch darauf verwiesen, dass bereits ‚Leipzigs Musikerbe-Stätten‘ mit dem Europäischen Kulturerbe-Siegel ausgezeichnet wurden. Zudem sind die Orte Nikolaikirche, Innenstadtring und Museum in der ‚Runden Ecke‘ bereits Teil des Netzwerkes ‚Stätten des Eisernen Vorhangs‘ und wurden 2012 mit dem Vorläuferprogramm des aktuellen Europäischen Kulturerbe-Siegels ausgezeichnet.“
Und dazu kommt noch: „Eine Bewerbung um eine Europäische Kulturroute des Europarates hingegen kann nur von Stätten erfolgen, die sich in mindestens drei verschiedenen Staaten, die im Europarat vertreten sind, befinden, sich vernetzen und eine gemeinsame Rechtsform etablieren. Dieses Programm wird mit Blick auf die Vernetzung sächsischer Kommunen als weniger zielführend erachtet.“
Die Initiative muss „von unten“ kommen
Aber die betroffenen Einrichtungen können sich ja trotzdem zusammentun und eine Initiative starten, eventuell eben doch das Europäische Kulturerbe-Siegel zu bekommen: „Da eine Bewerbung um das Europäische Kulturerbe-Siegel von den potenziellen Kulturstätten ausgeht – beispielsweise in der Kategorie ‚nationale thematische Stätte‘ – , schlägt die Stadtverwaltung vor, die potenziellen Bewerber/-innen zu unterstützen und finanzielle Ressourcen für die Erarbeitung einer Bewerbung zur Verfügung zu stellen. (…)
In einem öffentlichen Verfahren können Leipziger Institutionen und Initiativen, die mit der Friedlichen Revolution verbunden sind, eine Konzeptskizze zur Bewerbung einreichen. Nach Prüfung soll das überzeugendste Konzept den Zuschlag erhalten, sodass die ausgewählte Stätte eine Bewerbung erarbeiten kann, die anschließend dem Freistaat Sachsen übermittelt wird.“
Es liegt also an den möglichen Bewerbern, sich jetzt zusammenzutun und ein gemeinsames Konzept auf den Weg zu bringen. Wenn sie das wollen. Denn das macht ja die Untersuchung des Anliegens deutlich: Ohne Eigeninitiative der betroffenen Häuser und Einrichtungen passiert hier nichts. Sie müssen es selbst wollen. Aber immerhin eine finanzielle Unterstützung von der Stadt soll es geben, wenn sie ein Konzept für die Bewerbung auf die Beine stellen wollen.
Und das könnte sogar sofort beginnen, wie man in der Vorlage lesen kann: „Die Ausschreibung der Mittel wird nach Beschlussfassung für Ende 2022 / Anfang 2023 angestrebt. Die Mittel sollen im Haushaltsjahr 2023 ausgereicht werden. Da eine Bewerbung um das Europäische Kulturerbe-Siegel im 2-Jahres-Rhythmus fortlaufend möglich ist, könnte eine Bewerbung der Stätten der Friedlichen Revolution ggf. im nationalen Nominierungsdurchgang 2025 oder im Durchgang 2027 zum Zuge kommen.“
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