Gerade hat das in Leipzig heimische Konzeptwerk Neue Ökonomie sein zehnjähriges Bestehen gefeiert – noch so ein Bündnis, das seit Jahren mit einer schwerfälligen Gesellschaft ringt, die einfach nicht begreifen will, dass die alte Art des Wirtschaftens unsere Lebensgrundlagen zerstört. Aber wird nicht auch der neue Wasserstoff-Hype zu zu einer ungerechten Ausbeutungspraxis für die Welt führen?
Die deutsche Wasserstoffstrategie jedenfalls birgt erhebliche Risiken für die weltweite Klimagerechtigkeit. Das ist die Schlussfolgerung des am Dienstag, 2. August, durch das Konzeptwerk Neue Ökonomie veröffentlichten Dossiers „Wasserstoff und Klimagerechtigkeit“.
Darin werden Möglichkeiten und Grenzen des Einsatzes von Wasserstoff als klimagerechtem Energieträger diskutiert. Neben ökologisch problematischen und ineffizienten Einsatzbereichen werden insbesondere globale Auswirkungen durch die geplanten Importe untersucht.
Das Dossier kann man sich hier herunterladen.
Wasserstoff wird als Schlüsseltechnologie zur Energiewende in der Industrie gehandelt. Aktuell wird an Wasserstofflösungen für diverse Sektoren geforscht. Die Bundesregierung überarbeitet derzeit die nationale Wasserstoffstrategie und kündigte bereits an, das Ausbauziel für Wasserstoff-Elektrolysekapazität bis 2030 zu verdoppeln.
Grau, blau und türkis sind Scheinlösungen
Das Dossier stellt dar, wie ein begrenzter Einsatz von sogenanntem grünen Wasserstoff aus 100 % Erneuerbaren Energien zu einer klimagerechten Wirtschaft beitragen kann. Dafür ist es jedoch notwendig, dass der Einsatz effizient erfolgt und die Verwendungsbereiche klar politisch priorisiert werden.
So könnte Wasserstoff in Zukunft als Speichermedium zur Stabilisierung des erneuerbaren Strom- und Wärmenetzes oder für bestimmte Hochtemperaturanwendungen in der Industrie eingesetzt werden. Gleichzeitig birgt der durch die Bundesregierung geplante Wasserstoffhochlauf massive ökologische Risiken und droht globale Ungleichheit und neokoloniale Wirtschaftsstrukturen zu verschärfen.
„Der von der Bundesregierung vorgesehene Wasserstoffbedarf wird auf absehbare Zeit nicht durch erneuerbare Energien zu decken sein. Andere Wasserstoffvarianten – blauer oder türkiser aus Erdgas mit CO₂-Abscheidung oder konventioneller grauer aus Erdgas – sind fossile Scheinlösungen. Wegen der starken Umwandlungsverluste sollte Wasserstoff nicht in direkt elektrifizierbaren Sektoren eingesetzt werden und wegen begrenzter Verfügbarkeit nicht für Luxusanwendungen wie z. B. als E-Fuels für Flugverkehr oder Sportwagen“, erklärt Lasse Thiele, Autor des Dossiers.
Wasserstoff einfach importieren?
Hochproblematisch ist nach Einschätzung des Dossiers ebenfalls das Ausmaß des geplanten Imports von grünem Wasserstoff aus afrikanischen Ländern, über den Deutschland sich als Wasserstoff-Technologiestandort zum Weltmarktführer entwickeln möchte.
So planen europäische und australische Konzerne derzeit beispielsweise in Namibia und der Demokratischen Republik Kongo die Realisierung von Megaprojekten wie Staudämme, Wind- und Solarparks für die Herstellung von grünem Wasserstoff für den Export. Ressourcen wie Geld, Flächen, Süßwasser und Rohstoffe werden für das Wachstum der europäischen Industrie reserviert, statt diese für eine lokale, demokratische Energiewende vor Ort einzusetzen.
„Starke gesetzliche Regelungen müssen solche Entwicklungen verhindern. So werden Importe nur begrenzt möglich sein. Wasserstoff erspart also nicht den industriellen Rückbau, der für eine wirklich klimagerechte Wirtschaft insbesondere in Ländern wie Deutschland notwendig ist“, betont Lasse Thiele.
Das Konzeptwerk Neue Ökonomie ist ein Leipziger Thinktank für eine soziale, ökologische und demokratische Wirtschaft und Gesellschaft. Neben regelmäßigen Publikationen organisiert das Konzeptwerk Kongresse & Veranstaltungen und eröffnet Bildungs- und Austauschräume rund um Themen der sozial-ökologischen Transformation.
Keine Kommentare bisher