Das „Konzeptwerk Neue Ökonomie“ ist ein gemeinnütziger Verein in Leipzig Plagwitz, der seit über zehn Jahren Entwürfe für eine andere Wirtschaftsweise entwickelt, die unseren Planeten nicht zerstört: sozial und ökologisch, sozial-ökologisch. Die mittlerweile 25 Mitstreiter/-innen bedienen sich dafür Rosa Luxemburgs Idee der „revolutionären Realpolitik“. Im Kern geht es darum, die Machbarkeit von Veränderungen zu zeigen. Die LZ hat sich mit Nina Treu, Mitbegründerin des Konzeptwerks über den Selbstwiderspruch des sogenannten „grünen Kapitalismus“, die Chancen und Tücken von konzeptbasierter Arbeit, den langsam vorangehenden Klimaschutz in Leipzig und über Mut zu Veränderung unterhalten.
Eine neue, eine andere Wirtschaft
Wem oder was dient eigentlich die Wirtschaft? In der kapitalistischen Ordnung huldigt sie vor allem dem Mehrwert. Profite interessieren die Unternehmen, Wirtschaftswachstum die Nation. Wenn die Wirtschaft nicht weiterwächst, leiden alle; nicht nur Unternehmer/-innen und Parteien, sondern auch Arbeitnehmer/-innen. Das Konzeptwerk schlägt eine neue, eine andere Wirtschaft vor: „Von allen, für alle. Ökologisch und sozial,“ so steht es auf der Website.
Endloses Wachstum, wie es der Kapitalismus fordere, auf einem endlichen Planeten sei nicht machbar. Einen nachhaltigen, grünen Kapitalismus gebe es nicht. „Wir sollten die Wirtschaft stattdessen an den Bedürfnissen der Menschen ausrichten und Güter global gerecht verteilen“, sagt Nina Treu. „Wir sollten die Wirtschaft darauf ausrichten, dass sie ökologisch funktioniert, also viel weniger Ressourcen verbraucht. Es sollten alle mitentscheiden können, was produziert wird und wie es produziert wird.“
Das wiederholt Nina Treu immer wieder: Die Wirtschaft muss demokratischer werden. Dafür schaut sich das Konzeptwerk Beispiele in der Vergangenheit wie in der Gegenwart an. Der Blick geht dabei auch in die DDR. Nina Treu merkt dabei an, dass im real existierenden Sozialismus weniger soziale Ungleichheit herrschte, kritisiert aber auch die industrielle, unökologische Wirtschaftsweise und die mangelnde Demokratie.
Aktuell inspirierend findet sie kleine revolutionäre Zentren wie das kurdische Rojava.
Das Autonomiegebiet war zuletzt in den Nachrichten, weil der türkische Staatspräsident Erdogan den NATO-Beitritt Finnlands und Schwedens blockierte, weil sie dort angebliche Terrororganisationen, damit gemeint ist vor allem die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), unterstützt haben sollen. Das Gebiet im Nordosten von Syrien ist aber eigentlich deswegen so bemerkenswert, weil es trotz der Angriffe durch die Türkei und des Bürgerkriegs in Syrien eine funktionierende pluralistische Demokratie, Gleichberechtigung, Rechtsstaatlichkeit und ökologische Politik aufrechterhalten kann.
Über Konzept und Aktion
Nicht überraschend hält Nina Treu konzeptbasierte Arbeit für wichtig. Nützlich seien insbesondere solche Konzepte, die sich aufs große Ganze konzentrieren. Sie kritisiert jedoch die Überkonzeptionierung kleiner Ideen. Statt einer fünften Studie über solidarische Landwirtschaft solle das Motto mancherorts lieber „einfach ausprobieren“ lauten. Konzepte seien kein Selbstzweck.
Am Ende gehe es um die Umsetzung: Es brauche dann beispielsweise Stadträte, die sich wirklich dran machen und eine Verwaltung, die Beschlüsse nicht mit ständigen Ausnahmeregeln sabotiert; so etwa in Leipzig, wo die Stadtwerke eigentliche keine neuen Verbrenner mehr anschaffen sollen, aber das durch Ausnahmeregeln trotzdem ständig passiert. „Konzepte versprechen oft viel“, es käme aber darauf an, sie einzuhalten.
Im Artikel „Wie viele Klimakonzepte ergeben eine ökologische Transformation“ hat die LZ bereits über die Diskrepanz zwischen Soll- und Ist-Zustand der Leipziger Klimaschutzbestrebungen nachgedacht. Nina Treu sieht die Gründe dafür mitunter in der näheren wirtschaftlichen Vergangenheit der Stadt: „Leipzig hatte lange weder Geld noch Fokus auf Ökologie. Diese Themen wurden gegeneinander ausgespielt. Da hieß es dann, wir können die Stadt jetzt nicht sozial-ökologisch entwickeln, weil wir erstmal Arbeitsplätze schaffen müssen.“
Mit Porsche, BMW, DHL und dem Flughafen Leipzig/Halle ist die ökonomische Kraft nun da und es sprießen auch die Konzepte zur ökologischen Transformation. Doch auch hier ergeben sich Tücken: „Das ist kein zukunftsfähiges Konzept. Porsche und BMW produzieren Wagen der gehobenen und Luxusklasse. Das ist weder nachhaltig noch erzeugt es soziale Gerechtigkeit. Auf dem Flughafen schiebt DHL Fracht um die ganze Welt. Das sind nicht die Unternehmungen der Zukunft, das müsste auch die Stadt merken.“
Die Konzepte für mehr Klima- und Umweltschutz der Stadt Leipzig, etwa das Energie- und Klimaschutzprogramm (EKSP), hält Nina Treu trotzdem für einen Schritt in die richtige Richtung, solange sie nicht zur reinen Imagepflege verkommen.
Mut zur Veränderung
Das Konzeptwerk arbeitet eigentlich primär an großen Ideen, die eher den Bund oder sogar transnationale Strukturen betreffen, doch wird derzeit etwa im Zuge des Projekts „Bausteine für Klimagerechtigkeit“ intern beraten, wie das Fachwissen des Vereins auf kommunaler Ebene eingebracht werden kann. Im Projekt geht es um Themen, die durchaus von Städten vorangetrieben werden könnten: „Progressive Energietarife“, „gerechte Wohnraumverteilung“ und „autofreie Städte“ sind nur drei der sieben Bausteine.
Wie schon in der Vergangenheit, etwa beim Projekt „Zukunft für alle“ stellt das Konzeptwerk die zentrale Frage: „Wie wollen wir leben?“ Die lässt sich nicht im Elfenbeinturm beantworten, sondern soll mit möglichst vielen Interessierten erörtert werden.
Dafür finden immer große angelegte öffentliche Workshops und Veranstaltungen statt.
Bei Teilnehmer/-innen erfährt Nina Treu immer wieder „den Wunsch, aus der Ohnmacht herauszukommen.“ Neben der eigenen konzeptionellen Arbeit sieht sie die zentrale Aufgabe darin, anderen Mut zu machen, sich sozial-ökologisch zu engagieren.
„Wir stehen für einen pluralistischen Politikansatz. Das Konzeptwerk ist aus der Analyse entstanden, dass es viel zu wenig sozial-ökologische Politiken, besonders in Form revolutionärer Realpolitik, gibt. Darauf legen wir unseren Fokus, das heißt aber überhaupt nicht, dass es der einzige Weg ist, der wichtig ist.“
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