Rund 1.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen am Mittwoch, dem 24. Juni, um mit einer Kundgebung den ukrainischen Nationalfeiertag zu begehen. Genauso wie in vielen anderen deutschen Stรคdten, wo sie so auch ihre Solidaritรคt mit dem von Putins Truppen รผberfallenen Land demonstrierten. Bei der Kundgebung auf dem Augustusplatz wurde es dann richtig emotional โ€“ auch weil Leipzigs Finanzbรผrgermeister Torsten Bonew sehr persรถnliche Worte fand.

Angefangen mit seiner Erinnerung an den 24. Februar und die Tage danach, als die Fernsehbilder nicht nur ihn sprachlos machten, sondern seine ganze Familie.

Eingeladen zur Demonstration am 24. August hatte der โ€žLeipziger Freundeskreis der Ukraineโ€œ. Seit Kriegsbeginn haben รผber 10.000 Schutzsuchende aus der dem Land in Leipzig Zuflucht gefunden โ€“ vor allem Frauen und Kinder. Denn die Brรผder, Ehemรคnner und Vรคter sind in der Regel in der Ukraine geblieben und dienen zumeist in der ukrainischen Armee, die sich am 24. August schon ein halbes Jahr erfolgreich gegen die russischen Truppen zur Wehr setzte.

Leipzigs Innenstadt blau-gelb

Der Demonstrationszug hatte am 24. August um 18 Uhr auf dem Augustusplatz begonnen, fรผhrte รผber RoรŸplatz, Martin-Luther-Ring, Dittrichring und Markt รผber die Grimmaische StraรŸe wieder zum Augustusplatz. Und da viele Teilnehmer/-innen nicht nur mit Plakaten und ukrainischen Flaggen erschienen waren, sondern sogar in blau-gelber Kleidung, war Leipzigs Innenstadt eine Weile ganz in die Farben der Ukraine getaucht.

An der Demo beteiligte sich auch Leipzigs Finanzbรผrgermeister Torsten Bonew, genauso wie der amerikanische Generalkonsul Kenichiro Toko. Eine Spendenbox wurde aufgestellt, um fรผr eine Drohne fรผrs ukrainische Militรคr zu sammeln.

Die erste Rede auf dem Augustusplatz โ€“ eine durchaus kรคmpferische, wie Bonew feststellte โ€“ hielt Sebastian Rother fรผr den Leipziger Freundeskreis der Ukraine.

โ€žNachdem das ukrainische Volk mehrere Jahrhunderte vergeblich darum gekรคmpft hatte, sein Recht auf nationale Selbstbestimmung wahrnehmen zu kรถnnen, gelang es ihm am 24. August 1991 endlich, seine nationale Unabhรคngigkeit zu erringen, indem es sich vom Joch des sowjetrussischen Imperiums befreiteโ€œ, hatte der Freundeskreis zuvor schon auf Kundgebung zum 31. Tag der Unabhรคngigkeit der Ukraine in Leipzig eingestimmt.

Am Anfang stand ein Putsch, aber einer in Moskau

Selbst dieser 24. August hat eine Menge mit den Ereignissen in Russland zu tun. Denn vorausgegangen war der Unabhรคngigkeitserklรคrung der Augustputsch in Moskau, bei dem eine Gruppe alter Funktionรคre versuchte, Michael Gorbatschow zu stรผrzen. Fรผr mehrere Staaten aus dem ehemaligen Reich der Sowjetunion war das das deutliche Signal, dass sie schleunigst den Weg in die Unabhรคngigkeit antreten mussten.

Die Bestรคtigung dafรผr, dass der Schritt den Ukrainern aus dem Herzen sprach, war dann das Referendum am 1. Dezember 1991, als รผber 90 Prozent der Bevรถlkerung den Schritt zum Nationalstaat bestรคtigten.

Und damit zu etwas, worum die Ukrainer seit Jahrhunderten gekรคmpft hatten. Rother erinnerte sogar an die Saporoger Kosaken und an die Partisanen, die im 2. Weltkrieg sowohl gegen die deutsche Wehrmacht als auch die sowjetische Armee gekรคmpft hatten.

Und spรคtestens mit Putins Amtsantritt war die ukrainische Unabhรคngigkeit wieder gefรคhrdet, mischte sich Moskau wieder verstรคrkt in die ukrainische Politik ein und versuchte โ€“ so Rother โ€“ das Land in einen Marionettenstaat zu verwandeln. Seit 2014 fรผhrt Moskau seinen Krieg gegen das kleinere Nachbarland.

Ein halbes Jahr Krieg

โ€žTragischerweise markiert der ukrainische Unabhรคngigkeitstag dieses Jahr gleichzeitig den sechsten Monat des Beginns des groรŸflรคchigen รœberfalls, mit dem der russische Imperialismus die Ukraine erneut zu unterwerfen und in eine Kolonie zu verwandeln versuchtโ€œ, so Rother.

โ€žWie seine genozidale Kriegsfรผhrung beweist, versucht der Kreml, die nationale Unabhรคngigkeit der Ukraine wieder zu zerstรถren, indem er das ukrainische Volk vernichtet und dessen Nationalstaat von der Weltkarte streicht. Doch er hat die Rechnung ohne die ukrainische Bevรถlkerung gemacht, die Putins Schlรคchter nicht mit Blumen begrรผรŸt, sondern in einem an Tapferkeit und Heldenmut kaum zu รผberbietenden Volkskrieg die Stirn bietet.

Nachdem der russische Aggressor bereits vor Kyjiw zurรผckgeschlagen werden konnte und seine Offensive im Osten und Sรผden des Landes ins Stocken geraten ist, bereitet das ukrainische Militรคr eine Gegenoffensive zur Befreiung der besetzten Gebiete vor. Entgegen der defรคtistischen Propaganda, die der putinistischen Diktatur in die Hรคnde spielt, hat die Ukraine eine echte Chance, einen vernichtenden Sieg รผber den russischen Faschismus zu erkรคmpfen, wenn sie von ihren Verbรผndeten ausreichend mit angemessenem militรคrischen Gerรคt ausgerรผstet wird.

Ein solcher Sieg wรคre nicht zuletzt im Interesse aller Bรผrger der demokratischen Lรคnder, gegen die der Putinismus bereits seit Jahren einen hybriden Krieg fรผhrt, um eine Vormacht รผber Osteuropa und das Baltikum zu gewinnen, ein neues russisches Reich zu errichten und die bestehende Weltordnung zu zerstรถren.โ€œ

Finanzbรผrgermeister Torsten Bonew auf der Kundgebung zum 31. Jahrestag der Unabhรคngigkeit der Ukraine auf dem Augustusplatz. Foto: Sabine Eicker
Finanzbรผrgermeister Torsten Bonew auf der Kundgebung zum 31. Jahrestag der Unabhรคngigkeit der Ukraine auf dem Augustusplatz. Foto: Sabine Eicker

Dass er der deutschen Unterstรผtzung nicht so recht traut, verschwieg er in seiner Rede am 24. August auch nicht. Er erinnerte daran, dass Deutschland den Holodomor bis heute auch nicht als Genozid anerkannt hat. Und dass sich die regierende SPD sichtlich schwertut, eindeutig Position zu beziehen โ€“ die Rolle von Ex-Bundeskanzler Gerhard Schrรถder ist ihm dabei besonders suspekt.

โ€žDer Freiheitswille ist nicht zu brechenโ€œ

Aber er betonte auch, dass die Hilfe Europas weitergehen muss. Denn die Ukrainer kรคmpfen nicht nur um ihre Freiheit, sondern auch um die Europas. Eines Europas, das Putin auch deshalb fรผr schwach hielt, weil hier scheinbar viele Menschen bereit sind, um des lieben Friedens und ihrer Gasrechnung willen klein beizugeben und dem starken Mann in Moskau seinen Willen zu lassen. โ€žOhne diese Leute hรคtte er sich nie gewagt, in die Ukraine einzumarschierenโ€œ, so Rother.

Warum Putin eigentlich keine Chance hat, das ukrainische Volk zu besiegen, fasste er so zusammen: โ€žDer Freiheitswille der Menschen ist nicht zu brechen.โ€œ

Wer Hilfe braucht, dem macht man die Tรผr auf

Auf vรถllig andere Weise emotional wurde dann die Rede von Torsten Bonew, der an diesem Tag OBM Burkhard Jung vertrat und lieber auf alles Staatsmรคnnische verzichtete und davon erzรคhlte, wie seine Familie mit dem Krieg in der Ukraine umging. Angefangen mit dem vergeblichen Versuch, beim ersten Friedensgebet nach Putins รœberfall auf die Ukraine in die vรถllig รผberfรผllte Nikolaikirche zu kommen, bis zum Beschluss des Familienrates, Zimmer freizurรคumen und eine ukrainische Familie aufzunehmen.

Mit einem gemieteten Kleinbus fuhr er dann nach Krakow, um die fรผnfkรถpfige Familie abzuholen, mit der man Kontakt aufgenommen hatte. โ€žWer Hilfe braucht, dem macht man die Tรผr auf.โ€œ Heute gehรถren die Geflรผchteten quasi zur Familie, auch wenn die Kinder die Sprache der jeweils anderen nicht sprechen.

โ€žHerzen brauchen keine Spracheโ€œ, sagte Bonew.

Und er nutzte die Gelegenheit, gerade den anwesenden Ukrainerinnen zu sagen, wie sehr er ihre Kraft, ihre Stรคrke und ihren Optimismus bewundert. Denn wie lange der Krieg noch dauert, ob Putin schon bald wieder aus der Ukraine verdrรคngt werden kann, weiรŸ niemand. โ€žWir dรผrfen nicht still werdenโ€œ, sagte er. โ€žDer Frieden Europas wird in der Ukraine verteidigt.โ€œ

Nach Rothers Rede wurde mit einer Gedenkminute vor allem all jener gedacht, die in der Ukraine als Zivilisten und Soldaten dem russischen รœberfall zum Opfer gefallen sind.

Die kompletten Redebeitrรคge

Impressionen der Demonstration

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