Der Stadtrat hat am 15. Juni den Antrag „Glasklar für Vogelschutz“ der Linksfraktion beschlossen, nachdem dieser im April 2021 beim ersten Mal abgelehnt worden war. Der NABU Leipzig begrüßt diesen Beschluss und hofft auf eine konsequente und rasche Umsetzung, bedauert allerdings, dass mit diesem Beschluss eine zeitnahe Lösung des Problems nicht erreicht werden kann.
Der Beschluss beinhalte nur einen Auftrag an den Oberbürgermeister. Dieser soll sich auf Landesebene dafür einsetzen, den Prüfkatalog bei Erteilung von Baugenehmigungen zum Thema Vogelschlag zu erweitern.
Doch aus Sicht des NABU bedeutet das: Damit geht das Sterben an Leipzigs Glasflächen vorerst unverändert weiter. Dabei wäre es ein Leichtes, vogelsicheres Glas zu verwenden bzw. eine solche Verwendung zu verlangen.
„Leider gibt es dafür offenbar keine verwaltungsrechtliche Möglichkeit, weshalb nun dieser kleinstmögliche Beschluss gefasst wurde, wofür der Stadtrat rund anderthalb Jahre benötigte“, kritisiert der NABU und findet es auch bedenklich, dass Oberbürgermeister Burkhard Jung in dieser Stadtratssitzung gegen den Antrag gestimmt hat.
Er soll nun einen Beschluss für mehr Vogelschutz umsetzten, den er selbst ablehnt. Was hat der Oberbürgermeister gegen Vögel, fragt sich der NABU?
Abgesehen davon reicht der Beschluss des Stadtrates aus Sicht des Naturschutzbundes nicht aus, um das Vogelsterben an Glas zu stoppen. Nur wenn der NABU Leipzig, der sich hier mit seiner Wildvogelhilfe engagiert, aufwändige Nachweise erbringt und immer wieder nachhakt, wird die zuständige Behörde aktiv.
Gegenwärtig dauere es ein Jahr, bis die Stadtverwaltung eine funktionale Nachrüstung an Glasfassaden beauflage, stellt der NABU fest. In dieser Zeit sterben die Vögel unvermindert weiter. Und die beauflagten Nachrüstungen seien für Bauherren um ein Vielfaches teurer als eine frühzeitige Berücksichtigung bereits auf Planungsebene.
Deshalb fordert der NABU Leipzig einen 4-Punkte-Plan gegen Vogelschlag, welcher kurzfristig umzusetzende Maßnahmen enthält:
1. proaktive Information von Bauherren
2. Sofortprogramm für Wartehäuschen
3. vorbildhafter Vogelschutz an stadteigenen Gebäuden
4. Berücksichtigung von Vogelschutz bei Ausschreibungen und Architekturwettbewerben
Der Beschluss gehe in die richtige Richtung, könne aber nur ein Baustein sein, um in der Stadt nicht nur Bauprojekte, sondern zugleich auch den Schutz der heimischen Natur und Tierwelt zu sichern. Diese Aufgabe habe die Stadtverwaltung ebenso, es dürfe nicht nur um „unbürokratische“ Baugenehmigungen gehen.
Gerade weil Bauen in Leipzig so begehrt sei, wären Konzepte für eine nachhaltige und naturverträgliche Bauweise selbst über das gesetzliche Maß hinaus realisierbar.
„Weltweit ist ein gigantisches Artensterben zu beobachten, verursacht durch menschliche Rücksichtslosigkeit“, geht der NABU auf den Hintegrund ein.
„Leider leistet auch Leipzig dazu immer wieder einen Beitrag. Die naturferne Gestaltung der Stadt führt zum Verlust von Lebensräumen, außerdem kommen immer wieder Tiere ums Leben, obwohl es vermeidbar wäre, wenn nachhaltige Stadtplanung und rücksichtsvolle Ressourcennutzung beachtet würden, aber in vielen Fällen ginge es schlichtweg einfach nur darum, Gesetze einzuhalten – Gesetze, die Tierleid und Naturzerstörung eigentlich verhindern sollen.
So wie bei Bauarbeiten Denkmalschutz und Brandschutz zu beachten sind, muss auch der Artenschutz berücksichtigt werden, leider ist das oftmals nicht der Fall oder erst nach langem zähem Ringen von mitfühlenden Anwohnern oder engagierten Naturschützern, obwohl es eigentlich Aufgabe der Stadtverwaltung wäre.“
Ein riesiges und leider in der „modernen“ Architektur vielfach ignoriertes Problem seien nun einmal Glasflächen. In Deutschland sterben jährlich über 100 Millionen Vögel durch Kollision an Glasscheiben. Meist spiegelt sich die umliegende Vegetation in den Glasscheiben und die Vögel prallen auf dem Weg dorthin gegen das Glas.
Bei der Wildvogelhilfe des NABU Leipzig sind Anflugtraumata die häufigste Fundursache verletzter Vögel. Von 2013 bis 2021 wurden 443 Vögel mit Anflugtrauma nach Kollision mit Glasflächen aufgenommen. Für viele weitere Vögel käme jedoch jede Hilfe zu spät, sie versterben an den Folgen der Kollision noch am Unfallort.
In Leipzig ist es aktuell noch gängige Praxis, dass der NABU die angeflogenen Vögel an Glasscheiben dokumentieren muss, um zu beweisen, dass die Todesrate signifikant erhöht ist. Diese Nachweise sind sehr zeitaufwendig, im Ehrenamt nicht zu bewältigen und außerdem eine seelische Belastung für die Vogelschützer, betont der Naturschutzverein.
Deshalb hat der NABU Leipzig auf eine Entlastung durch die Stadtverwaltung gehofft und hatte deshalb für eine entsprechende Stadtratsinitiative geworben.
Der nun tatsächlich gefasste Beschluss ist aus Sicht des NABU leider keineswegs der Beginn für konsequentes Handeln. Er beinhalte nur einen Auftrag an den Oberbürgermeister. Dieser soll sich auf Landesebene dafür einsetzen, den Prüfkatalog bei Erteilung von Baugenehmigungen zum Thema Vogelschlag zu erweitern.
Die vier Forderungen des NABU Leipzig im Einzelnen
1. Der NABU Leipzig fordert, dass der Artenschutz bei Bauvorhaben genauso berücksichtigt wird wie Brandschutz und Denkmalschutz. Durch Aufklärung im Vorfeld können Kosten aufgrund teurer Nachrüstungen ebenso gemindert werden wie das Leid der Tiere. Der Ursprungsantrag enthielt ein Beratungsangebot für Bauherren zum Thema Vogelschlag, dieser Antrag wurde bedauerlicherweise nicht übernommen.
Ein Beratungsangebot zum Thema Vogelschlag analog zu den Beratungsangeboten und Flyern zu z. B. Denkmalschutz, Baurecht, Abwasser usw. ist auf der Seite der Stadt Leipzig für Bauwillige nicht aufgeführt. Lediglich die Naturschutzbehörde hat das Merkblatt „Beachtung des Artenschutzes bei Bauvorhaben“ überarbeitet. Bei genehmigungsfreien Bauvorhaben nach § 34BauGB wird das Merkblatt nicht ausgereicht. Die Hinweise zu möglichen Risiken durch Vogelschlag sollten dort zu finden sein, wo sie nötig sind, auf der Seite der Stadt Leipzig im Themenkomplex rund ums Bauen.
2. Der NABU Leipzig fordert ein Gesamtkonzept für Wartehäuschen. Seit mehreren Jahren weist der NABU Leipzig die Stadtverwaltung darauf hin, dass die erst kürzlich ausgetauschten Wartehäuschen der RBL Media GmbH ebenfalls Todesfallen für Vögel darstellen. Es wäre möglich gewesen, diese von vornherein vogelsicher zu gestalten, nun ist jedoch eine entsprechende Nachrüstung überfällig und muss umgehend umgesetzt werden.
Beispielhaft hat der NABU Leipzig am 25.04.2022 die Haltestelle Martinshöhe mit Klebeband vogelsicher gestaltet, nachdem innerhalb kurzer Zeit sechs tote Vögel dort gefunden wurden. Leider wurde diese wirksame und preisgünstige Entschärfung der Vogelfalle nach kurzer Zeit wieder entfernt, sodass danach die nächste Blaumeise dort getötet wurde.
Laut Einwohneranfrage „Gefahr für Vögel durch verglaste Wartehäuschen“ ist geplant, die durch den NABU Leipzig mit Vogelschlag dokumentierten Wartehäuschen nachzurüsten. Da die Totfunde durch Vogelschlag an Wartehäuschen ehrenamtlich festgestellte Zufallsfunde sind, ist ein Nachrüsten lediglich dieser Wartehäuschen bis zu einem unbekannten Zeitpunkt und anschließender Testzeit von zwei Jahren nicht ausreichend.
Maßnahmen gegen Vogelschlag sind hinreichend erprobt und dokumentiert, sodass eine „Testphase“ nicht zielführend ist. Der NABU Leipzig fordert Sofortmaßnahmen an Wartehäuschen, welche als Todesfallen für Vögel bekannt sind und eine zeitlich verbindliche Nachrüstung aller Wartehäuschen im Stadtgebiet.
3. Die Stadt Leipzig sollte an den kommunal genutzten Gebäuden mit Vorbildwirkung vorangehen. Am Technischen Rathaus sollte die Glasbrücke vogelsicher gestaltet werden, um aufzuzeigen, dass sich auch die Stadtverwaltung der Tragweite des Themas bewusst ist.
4. Bei Ausschreibungen und Wettbewerben muss der Vogelschutz berücksichtigt werden. Gebäude, an welchen große Glasflächen geplant werden, sind präventiv mit wirksamen Maßnahmen gegen Vogelschlag auszuschreiben. Damit werden teure und aufwändige Nachrüstungen wie in der Max-Liebermann-Straße vermieden.
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