Die Hürde ist hoch. Zwei Drittel des Stadtrates müssen zustimmen, wenn jemand Ehrenbürger bzw. Ehrenbürgerin der Stadt Leipzig werden soll. Das ist am Mittwoch, 9. Februar, auch so passiert. Ganz selbstverständlich bekam Friedrich Magirius 50 Stimmen, bei drei Enthaltungen und sieben Gegenstimmen. Dennoch gab es zwei durchaus wichtige Diskussionen zu dem Thema.
Die erste gleich zu Beginn, als Thomas Kumbernuß (Die PARTEI) beantragte, den Tagesordnungspunkt abzusetzen. Zwei Gründe nannte er dafür: Einmal die Tatsache, dass nach 190 Jahren wieder nur ein Mann zur Wahl stand. Das sei überhaupt nicht gegen Friedrich Magirius gerichtet (dessen Verdienste OBM Burkhard Jung später alle aufzählte), sondern schlicht der Tatsache geschuldet, dass damit die Tradition fortgesetzt werde, dass Frauen gar nicht zur Entscheidung stünden.Sein zweites Argument: Die Vorentscheidungen über Ehrenbürger-Kandidaturen werden nach der Stadtrats-Ordnung im Verwaltungsausschuss des Stadtrates gefällt.
Das ist diesmal aber nicht passiert. Darauf ging Burkhard Jung sofort ein. Alle Fraktionen hätten sich im Vorfeld schon eine Meinung gebildet und die letztliche Entscheidung, die Abstimmung auf die Tagesordnung zu setzen, habe dann der Ältestenrat getroffen.
Im Ältestenrat kommen alle Fraktionsvorsitzenden mit dem OBM zusammen. Das ist sozusagen das Spitzengremium des Stadtrates.
Natürlich stand hinter dem Vorstoß von Thomas Kumbernuß eine intensive Debatte in der Linksfraktion, die das Nicht-Aufstellen von Kandidatinnen als Ehrenbürgerin thematisierte. Aber das ist bislang nur eine Debatte in der Linksfraktion. Wobei diese Ratsversammlung diese Debatte überhaupt erst einmal in die Öffentlichkeit hob.
Denn wenn immer nur in Fraktionsklausuren diskutiert wird, bekommen die Bürgerinnen und Bürger von Leipzig ja gar nicht mit, dass überhaupt diskutiert wird und genau diese Nichtaufstellung von Frauen als Problem gesehen wird.
Freilich kam Kumbernuß mit seinem Antrag, die Abstimmung von der Tagesordnung zu nehmen, nicht durch. Eine Stadtratsmehrheit von 44 Stadträt/-innen bei 11 Gegenstimmen und zwei Enthaltungen war dafür, die Sache mit der Ehrenbürgerwürde auf der Tagesordnung zu lassen.
Argumentation Thomas Kumbernuß (Die PARTEI)
Video: Livestream der Stadt Leipzig
Warum Frauen es mit der Nominierung so schwer haben
Wenig später war es dann so weit und Burkhard Jung rief nicht nur den Tagesordnungspunkt auf, sondern erklärte auch, warum Leipzig Friedrich Magirius unbedingt mit der Ehrenbürgerwürde würdigen möchte. Dazu gab es tatsächlich keine Debatte. Und das Abstimmungsergebnis machte sehr deutlich, welche Hochachtung Magirius bei den demokratischen Fraktionen im Stadtrat genießt.
Danach freilich ging es bei zwei Stadträt/-innen durchaus darum, die Frage zu erklären, warum sie so abgestimmt haben, wie sie es getan haben. Beide eigentlich aus denselben Gründen. Beate Ehms (Die Linke) hatte für Magirius gestimmt und fand ihn auch würdig für die Ehrung. Doch dass Leipzigs Stadträte nun zum 88. Mal wieder einen Mann gewählt haben und seit 190 Jahren keine einzige Frau, fand sie dann doch wichtig, endlich zur Sprache zu bringen.
Beate Ehms und Mandy Gehrt zum Abstimmungsverhalten
Video: Livestream der Stadt Leipzig
Ihre Fraktionskollegin Mandy Gehrt hatte sich aus demselben Grund der Stimme enthalten. Sie hatte ja noch am selben Tag einen eigenen Antrag eingereicht, über den wir an dieser Stelle schon berichtet haben. Und sie hatte sich aus diesem Anlass auch extra einen Mantel angefertigt, auf dessen Rückseite alle 200 Frauen stehen, die bislang auf der Website mit Frauenporträts unter leipzig.de aufgelistet sind.
Auch das ein Schritt, Frauen in der Stadt und der Stadtpolitik endlich sichtbar zu machen. Denn dass es keine einzige bisher geschafft hat, im Stadtrat zur Abstimmung vorgeschlagen zu werden, hat genau mit dieser Nicht-Sichtbarkeit zu tun.
Worauf in gewisser Weise dann FDP-Stadtrat Sven Morlok einging, der darauf hinwies, dass es mitnichten so sei, dass in den Ausschüssen nicht auch über Frauen als Ehrenbürgerinnen diskutiert würde. Doch der OBM tue gut daran, gerade deshalb dann keine Frauen vorzuschlagen, wenn absehbar sei, dass sie in der Ratsversammlung die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit nicht bekommen würden. Denn das ist dann wirklich kränkend, wenn der Stadtrat eine Kandidatin dann in aller Öffentlichkeit durchfallen lässt.
Wobei damit das Anliegen von Mandy Gehrt nicht aus der Welt ist. Denn genau das zeigt ja, wie enorm nach wie vor die Widerstände in einzelnen Ratsfraktionen sind, Frauen überhaupt zur Kenntnis zu nehmen und für würdig zu halten, Ehrenbürgerin zu werden.
Wer da mauert und von vornherein „Nein“ sagt, verriet Morlok nicht. Aber zumindest von der Linksfraktion kann man annehmen, dass dort die Widerstände am geringsten sind.
Da Mandy Gehrts Antrag im Verfahren ist, dürfte es dazu noch eine richtige Diskussion geben.
Offiziell überreicht werden soll die Ehrenbürgerurkunde an Friedrich Magirius dann im Mai, kündigte OBM Burkhard Jung an. Dann wäre das Alte Rathaus saniert und die dortigen festlichen Räumlichkeiten stünden wieder für eine würdige Veranstaltung zur Verfügung
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