Die Medien schauen ja meist nur auf die jeweils gewรคhlten Regierungen, ob die das jetzt vielleicht mal hinbekommen mit Klimaschutz und Energiewende. Ab und zu schreibt man einen schnรถseligen Artikel รผber โFridays for Futureโ und attestiert den jungen Menschen, dass sie irgendwie blauรคugig wรคren, weil ja ernsthafte Politik bitteschรถn Sachzwรคnge berรผcksichtigen muss. Aber dass sich Hunderttausende Menschen in Deutschland auch in Umweltschutzverbรคnden engagieren, ist irgendwie tabu. Der BUND Leipzig macht jetzt aber deutlich, dass man sich in Leipzig jedenfalls nicht wegducken wird.
Kriminalisierung des Engagements
Die Bundeszentrale fรผr politische Bildung ging 2010 sogar davon aus, dass Umweltschutzverbรคnde und -initiativen in Deutschland sogar 2 Millionen Mitglieder und Fรถrderer haben. Nicht ohne Grund haben sie โ vom Gesetzestext her โ eigentlich starke Mitwirkungsrechte bei vielen kommunalen und Landesprojekten. Rechte, die freilich oft genug mit allerlei juristischen Tricks auรer Kraft gesetzt oder ignoriert werden.
Was dann immer wieder dazu fรผhrt, dass Bรผrger, die sich kenntnisreich, oft auch wissenschaftlich hoch qualifiziert in diesen Verbรคnden engagieren, auf einmal als Protestierer mit der Polizei konfrontiert sehen, die den friedlichen Widerstand gegen Tagebaue, Autobahnen, Ostseetunnel und was der Umweltzerstรถrungen mehr sind, mit Gewalt aus dem Weg schaffen. Da ist sehr vieles in Deutschland in Schieflage geraten.
Und diese Schieflage, die โInvestorenโ, Autobahnen, Konzernen und anderen โArbeitsplatzbeschaffernโ freie Bahn macht, blockiert tatsรคchlich seit รผber 16 Jahren jede Verรคnderung, die Deutschland zu einem klimaneutralen und umweltgerechten Land machen wรผrde.
Und das gilt auch fรผr Leipzig, wo die notwendigen Verรคnderungen hin zu einer nachhaltigen (im Sinn der von der UN definierten Sustainable Development Goals) Stadt nur im Schneckentempo passieren.
Leipzig noch immer im Schneckentempo
Selbst die Ausrufung des Klimanotstands 2019 hat an diesem Tempo nicht viel geรคndert. Was auch daran liegt, dass die Stadt sich gern die leicht erringbaren Feigenblรคtter etwa der Klimaschutzkommune besorgt, sich aber schwertut, eine wirkliche Leitvision einer klima- und menschengerechten Stadt zu entwickeln.
Der BUND Leipzig hat jetzt ein Leitpapier verรถffentlicht, in dem auch die vielen Fehlstellen noch einmal deutlich benannt sind.
Am Freitag, 10. Dezember, traf sich die BUND-Regionalgruppe Leipzig zur alljรคhrlichen Mitgliederversammlung im digitalen Raum. Besonderes Augenmerk lag auf der Vorstellung des neu beschlossenen Leitantrages. Des Weiteren wรคhlten die anwesenden Mitglieder eine Landesratsvertretung sowie Landesdelegierte.
Der diesjรคhrige Leitantrag โEin gutes Leben fรผr alle โ fรผr eine nachhaltige Entwicklung in Leipzigโ blickt kritisch auf das vorherrschende Wirtschaftssystem und fordert eine Abkehr vom derzeitigen Wachstumsparadigma.
โUnser Ziel ist ein gutes Leben fรผr alleโ
Hierbei ist der BUND Regionalgruppe eine positive Vision besonders wichtig: โUnser Ziel ist aber ein gutes Leben fรผr alle! Wir setzen uns ein fรผr eine Art zu wirtschaften, die COโ-arm, ressourceneffizient und sozial inklusiv ist. Dadurch werden menschliches Wohlergehen und soziale Gerechtigkeit gesteigert, wรคhrend gleichzeitig Umweltrisiken und รถkologische Knappheiten verringert werden.โ
Eingeleitet wurde die Versammlung durch Gruรwรถrter von dem Vorsitzenden der Leipziger SPD, Holger Mann, und dem amtierenden Landesgeschรคftsfรผhrer des BUND Sachsen Dr. David Greve. Danach blickte der Vorstandsvorsitzende der Regionalgruppe Martin Hilbrecht auf das Jahr 2021 zurรผck. Trotz der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie zog er ein positives Fazit: โ2021 war ein Gemeinschaftswerk von vielen Aktiven, Freiwilligendienstleistenden und auch Angestellten. Nur so konnte unser Jahr so bunt und so aktiv gestaltet werden, trotz Pandemiesituationโ.
Neben Demonstrationen, Aktionen und Veranstaltungen wurden zudem zwei Positionspapiere und mehrere Stellungnahmen verรถffentlicht.
Unser Wohlstandsdenken muss sich รคndern
Der Leitantrag betont freilich sehr deutlich, dass sich unser Denken รผber Wirtschaft deutlich รคndern muss. Und die Forderungen zeigen eben auch, dass es in Leipzig nach wie vor klemmt โ angefangen bei einer wirklich belastbaren Bรผrgerbeteiligung: โDaher soll es auch mehr Rรคume fรผr den Austausch zwischen den Akteuren (zum Beispiel Runde Tische) und die Partizipation der Bevรถlkerung an politischen Entscheidungen (zum Beispiel Bรผrger/-innen-Rรคte) geben.โ
Was aber eben auch einschlieรt, dass auch Bรผrger und Stadtverwaltungen lernen mรผssen, das Zerstรถrerische des alten Wachstums-Denkens zu verstehen und Politik anders auszurichten.
โDie Vermittlung von Wissen รผber Zusammenhรคnge zwischen unserer Wirtschaftsweise und der Zerstรถrung der natรผrlichen Lebensgrundlagen ist eine wesentliche Voraussetzung, um die Menschen fรผr eine nachhaltige Entwicklung zu sensibilisierenโ, heiรt es im Leitantrag. โWir mรถchten daher Kenntnisse รผber das Thema und รผber die Herausforderungen einer nachhaltigen Entwicklung vermitteln.โ
Natรผrlich geht es da ans Eingemache, wie der BUND feststellt: โAls BUND Leipzig kรถnnen wir eine der treibenden Krรคfte fรผr ein neues Verstรคndnis von Wirtschaft sein. Dies umfasst etwa das neue Verknรผpfen des Begriffes โWohlstandโ mit alternativen Indikatoren als alleinig mit dem Bruttoinlandsprodukt. Sowohl in den global, national und kommunal gesteckten Nachhaltigkeitszielen als auch in der Pflege (care) von Mensch und Natur sehen wir alternative Indikatoren. Zudem schauen wir auf die Wirtschaftsfรถrderung und das stark Natur- und Umweltrelevante, bereits etablierte Wirtschaftscluster in Leipzig: Automobil- und Zulieferindustrie, Gesundheitswirtschaft und Biotechnologie, Energie- und Umwelttechnik, Logistik sowie IT-, Medien- und Kreativwirtschaft.โ
Welche Wirtschaft ist wirklich zukunftsfรคhig und welche eben nicht?
Stillstand in der Mobilitรคtswende
Und nicht ganz grundlos stellt der BUND fรผr Leipzigs Mobilitรคtswende wieder mal einen Stillstand fest, obwohl die 2018 mit dem nachhaltigen Mobilitรคtskonzept vom Stadtrat beschlossen wurde.
Und dass ein Umweltverband dann gar noch die vielen Demonstrationen und Protestaktionen im Jahr 2021 betonen muss, erzรคhlt das eine Menge รผber die Unberatenheit einer Politik, die beim wichtigsten aller Themen โ dem Klimawandel โ immer noch zรถgert, zaudert und den Umweltverbรคnden eben nicht das Mitspracherecht einrรคumt, das ihnen eigentlich zusteht.
Den Leitantrag 2022 der BUND Regionalgruppe Leipzig findet man auf der Homepage des BUND Leipzig.
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