Am Sonntag, 25. April, war wieder Tag des Baumes. Der NABU Leipzig hat zu diesem Anlass einmal mehr auf die Bedeutung der Bรคume fรผr รkosystem und Klima in einer Stadt wie Leipzig aufmerksam gemacht. Zur Fรถrderung der Biodiversitรคt kรถnnen aber nicht nur die Bรคume selbst einen Beitrag leisten, sondern auch Baumscheiben.
Leider ist es in Leipzig Praxis, dass von der Stadtreinigung oder von Fremdfirmen regelmรครig Vegetation von Baumscheiben entfernt wird โ oftmals vollstรคndig, sodass der Boden austrocknet und die รถkologisch wertvollen Pflanzen verloren gehen. Es ist dringend erforderlich, diese Praxis zu รคndern, betont der NABU Leipzig.
Eine vollstรคndige Entfernung der Vegetation als Ausdruck von Sauberkeit ist angesichts von Klimanotstand und Artensterben unzeitgemรคร. Wildkrรคuter spielen im รkosystem eine grundlegende Rolle, insbesondere fรผr spezialisierte Insekten. Wenn sie beseitigt werden, gehen essenzielle Nahrungsquellen verloren.
Die gegenwรคrtige Praxis der Baumscheiben-โPflegeโ ist ein vermeidbarer Beitrag zum Artensterben, betont der NABU Leipzig. Ohne rechtliche Notwendigkeit und ohne nachvollziehbare Begrรผndung wรผrden Wildpflanzen entfernt, รถkologische Belange wรผrden nicht bedacht, Biodiversitรคt und Klimaschutz blieben unberรผcksichtigt. Deshalb fordert der NABU Leipzig in einem Positionspapier, das zum Tag des Baumes 2021 verรถffentlicht wird, dringend einen Paradigmenwechsel.
Wildkrรคuter fรผr Biodiversitรคt und Stadtklima
Bรคume kรผhlen, filtern Feinstaub, prรคgen das Straรenbild und erfรผllen viele รถkologische Funktionen. Doch in einer sich immer mehr verdichteten Stadt haben es die Straรenbรคume nicht leicht. Es sind Anstrengungen nรถtig, um die Straรenbรคume in Leipzig zu erhalten, betont der NABU. Neben vielen anderen Funktionen sind Bรคume vor allem auch Teil des รkosystems, sie bieten beispielsweise Nistplรคtze oder Nahrung. Heimische, standortangepasste Gehรถlze sollten daher bevorzugt werden.
Zur Fรถrderung der Biodiversitรคt kรถnnen aber nicht nur die Bรคume selbst einen Beitrag leisten, sondern auch Baumscheiben. Leider ist es in Leipzig Praxis, dass von der Stadtreinigung oder von Fremdfirmen regelmรครig Vegetation von Baumscheiben entfernt wird โ oftmals vollstรคndig, sodass der Boden austrocknet und die รถkologisch wertvollen Pflanzen verloren gehen.
Begrรผndet wird dieser Eingriff mit dem Sรคchsischen Straรengesetz und mit der Straรenreinigungssatzung. Beim Blick in die entsprechenden Paragraphen zeigt sich aber, dass ein Entfernen der Vegetation von den Baumscheiben dort gar nicht vorgeschrieben wird. Dass aus Unkenntnis der Arten, der รถkologischen Zusammenhรคnge und der rechtlichen Grundlagen die Vegetation der Einfachheit halber komplett beseitigt wird, ist eine fragwรผrdige Herangehensweise mit fatalen Folgen fรผr die Biodiversitรคt, betont der Naturschutzbund.
Auรerdem werden damit nicht nur vermeintliche โUnkrรคuterโ beseitigt, sondern auch Einsaaten und Anpflanzungen naturverbundener Anwohner โ ein verheerendes Zeichen gegen bรผrgerschaftliches Engagement. In Umkehrung der gegenwรคrtigen Praxis mรผsste jegliche Vegetation auf der Baumscheibe belassen werden, sofern dem nicht im Ausnahmefall zwingende Grรผnde entgegenstehen.
โUnsere heimischen Pflanzenarten sind Grundlage der Artenvielfalt, sie sind Nahrungsquelle und Lebensraum fรผr sehr viele Insektenarten und damit Basis der Nahrungskette. Sie haben wichtige Funktionen im รkosystem der Stadtโ, erklรคrt der NABU.
Laut der aktuellen Roten Liste der Pflanzen Deutschlands gilt fast ein Drittel der darin gefรผhrten rund 8.300 heimischen Wildpflanzen als gefรคhrdet, Stรคdte sind fรผr einige Wildkrรคuter die letzten Rรผckzugsrรคume.
โSie filtern unsere Luft und binden Feinstaub, sie kommen mit sehr wenig Wasser und Nรคhrstoffen aus, sie kรผhlen auf natรผrliche Weise und vรถllig kostenlos, wenn man sie denn lassen wรผrde. Heimische Pflanzenarten siedeln sich sehr schnell von allein an, damit kann ohne Zutun oder Kosten ein Beitrag zur Biodiversitรคtsfรถrderung und auch zum Klimaschutz geleistet werdenโ, formuliert der NABU den Anspruch.
โAufgrund der unterschiedlichen Wurzeltiefen sind Wildkrรคuter auch keine Konkurrenz fรผr Straรenbรคume, eher ist die Beschattung des Bodens durch die Krautvegetation fรผr den Baum von Vorteil. Es ist dringend erforderlich die Praxis der Baumscheiben-โReinigungโ zu รคndern. Eine vollstรคndige Entfernung der Vegetation als Ausdruck von Sauberkeit ist angesichts von Klimanotstand und Artensterben unzeitgemรคร.โ
Weitere Informationen zur wichtigen Rolle der Baumscheiben fรผr die Biodiversitรคt in der Stadt hat der NABU Leipzig auf seiner Website gesammelt.
Das Positionspapier zur Entfernung von Vegetation auf Baumscheiben als PDF.
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Es gibt 3 Kommentare
Natur- und Artenschutz korrelieren in der besiedelten Landschaft regelmรครig mit dem Anspruch und der Umsetzung einer รผberlieferten Ordnungsdefinition. Als die Menschen in historischer Zeit es sehr schwer hatten sich in einer bedrohlichen wilden Natur zu ernรคhren um zu รผberleben, war die Nutzung der natรผrlichen Ressourcen schon alleine wegen der fehlenden techn. Mรถglichkeiten sehr extensiv. Diese war gekennzeichnet durch Plรคnterwaldwirtschaft, Hutung, Dreifelderlandwirtschaft und teilweise auch wegen der fehlenden technischen Kapazitรคt durch wiederholtes Aussetzen der Nutzung also einfaches Liegenlassen. Das war in Mitteleuropa ca. 1500 Jahre so. Diese Halbkultur bewirkte eine Vielzahl von Lebensraumangeboten auch von Arten, die im verbreiteten Wald natรผrlicherseits vorkamen und aus innerasiatischen Steppengebieten einwanderten, insbesondere Blรผhpflanzen der Wiesengesellschaften. Eine รผbertriebene Ordnung ist fรผr viele Flรคchen besonders innerhalb von Siedlungen nicht mehr erforderlich zum รberleben, im Gegenteil sie kostet nur zusรคtzliche Zeit und Energie. Das Abblรผhen und die Samenbildung von sog. Unkrรคutern war wegen der Besiedlung von dem Nahrungserwerb dienen Ackerflรคchen historisch nicht gewollt, bis auf Wiesen, wo man Futter in Form von Heu gewann. Das รผberlebte Leitbild in der Stad,t ich richte mir mein Umfeld so ein wie ein Zimmer und es muss dann auch mit aller Gewalt so bleiben, ist das eigentliche Problem. Deshalb sollte man das Abblรผhen und die Samenbildung auf den meist sowieso zu kleinen Baumscheiben ruhig zulassen und davor keine Angst haben, wie vor 1000 Jahren.
Naja, lieber Christof, Ihre Gedanken in Ehren, aber selbst wenn ein gewisser Prozentsatz auf der Windschutzscheibe landet, blieben die restlichen Insekten doch ein Gewinn, oder?
Deswegen Tempo 30 einfรผhren wรผrde ich nicht ๐
Das Hundeargument kam auch mir gleich in den Sinn und der weiterfรผhrende Gedanke, ob man mit einem โSuchhundโ und den Hinterlassenschaften eines Artgenossen nicht dem รbertรคter auf die Spur kommen kรถnnte?
(Genabdruck wird nicht funktionieren, weil zahlreiche Vierbeiner illegal unangemeldet in der Stadt leben).
Das ist wirklich ein รbel, sehe es fast jeden Tag auf den mir nahen Baumscheiben. Mit Bewuchs kรถnnte diese Unart tatsรคchlich wieder โgefรถrdertโ werden.
Aber deswegen wรผrde ich die Idee nicht fallen lassen.
Eine saubere Abgrenzung, meinetwegen noch 10cm weggesenst, und dann kann gern wachsen, was will.
Und fรผr die Kontrolle von Vierbeinern mehr Personal und Strafen hoch.
Die immer weniger werdenten Straรenbรคume erhalten, pflegen und auch mal wรคssern โ alles in Ordnung. Ich gebe nur 2 Dinge zu bedenken 1. das Grรผne der Baumscheiben ist vielleicht noch mehr eine Einladung fรผr die vielen Vierbeiner ihr Geschรคft darin zu verrichten und bringt die Zweibeiner eher auf den Gedanken diese Hinterlassenschaften im Grรผnen zu verbergen, braucht der Zweibeiner doch keine Tรผte fรผr die โWurstโ mitnehmen. 2. sollten sich doch im Wildgrรผn der Baumscheiben Insekten einfinden und diese Ausflรผge unternehmen wollen auรerhalb der Baumscheibe, landen die Insekten ganz schnell einmal an einer Windschutzscheibe. Hรคtten wir also auch nichts gekonnt.