Als 2015 fast eine Million Kriegsflüchtlinge nach Deutschland kamen, war das scheinbar ein gefundenes Fressen für die Fremdenfeinde im Land, die Stimmung machten gegen die Menschen, die Asyl in Deutschland suchten. Aber sie waren nie die Mehrheit. Und wo die einen wüteten, beschlossen die anderen, wirklich zu helfen. So entstand auch die „Kontaktstelle Wohnen“.
Denn Leipzig war zwar bereit, möglichst viele Geflüchtete aufzunehmen. Aber gleichzeitig war der verfügbare freie Wohnraum knapp. Den Asylsuchenden drohte, jahrelang in den Großunterkünften der Stadt leben zu müssen – keine gute Voraussetzung für Integration und ein selbstbestimmtes Leben. Und so feiert der Projektverbund „Kontaktstelle Wohnen“ in diesem Monat seinen 5. Geburtstag und freut sich über die rasante Entwicklung des Vereins seit seiner „wilden“ Gründungsphase.
Das heißt in aller Kürze: In fünf Jahren unterstützte die Kontaktstelle Wohnen über 1.400 Geflüchtete – sowohl in Leipzig, als auch im Landkreis Leipzig und in Nordsachsen – direkt dabei, eigenen Wohnraum zu beziehen. Die Kontaktstelle stand den Klient/-innen auch nach dem Umzug beratend zur Seite und informierte in rund 6.500 Sprechstunden tausende Klient/-innen zu Fragen rund um das Thema Wohnen und Wohnungssuche.
Doch zurück zur Geschichte: Im März 2016 beschlossen die Gründer/-innen der beiden ehrenamtlichen Initiativen „Willkommen im Kiez“ und „fluechtlingswohnungen.org“, sich unter der Trägerschaft des Zusammen e. V. als Projektverbund „Kontaktstelle Wohnen“ zusammenzuschließen.
„Unser Engagement, Geflüchtete dabei zu unterstützen, aus Gemeinschaftsunterkünften und anderen prekären Wohnsituationen in eigenen Wohnraum zu ziehen, begann 2015 als ehrenamtliche Initiative in Leipzig. Nun arbeiten wir mit neun Hauptamtlichen in Teilzeit in Leipzig, dem Landkreis Leipzig und neuerdings auch in Nordsachsen. Unser Verein ist dem Bedarf der Menschen entsprechend sehr schnell gewachsen und doch erreichen uns weit mehr Anfragen als wir aufgrund des angespannten Wohnungsmarktes in Leipzig und Umgebung bearbeiten können. Dies bestätigt nur die Relevanz und Dringlichkeit unserer Arbeit“, erzählt die Mitbegründerin der Kontaktstelle Wohnen, Dana Ersing.
Doch so sehr sich die „Kontaktstelle Wohnen“ den Bedürfnissen der Klient/-innen auch anpasst, steht sie vor großen Herausforderungen: „Das Wohnungsangebot für unsere Klient/-innen steht vor dem Kollaps. Die steigenden Mieten machen es uns zusehends schwerer, Wohnraum zu finden, der für unsere Klient/-innen bezahlbar ist oder der vom jeweiligen Amt für die Kostenübernahme akzeptiert wird. Derzeit stehen fast 900 Haushalte auf unserer Warteliste. Von diesen Fällen sind über 140 Fälle als Härtefälle (z. B. Schwangerschaft, Krankheit, Obdachlosigkeit) einzustufen. Die Lage ist besorgniserregend“, fasst Henrike Bohl die Schwierigkeiten der Wohnungsvermittlung zusammen.
Die Relevanz und Motivation des Engagements fasst sie so zusammen: „In Gemeinschaftsunterkünften sind Rückzug und Privatsphäre kaum gewährleistet und Social Distancing ist einfach nicht möglich. Die zentrale Unterbringung von Geflüchteten geht außerdem mit Stigmatisierung und Ausgrenzung einher. Erst der Bezug einer eigenen Wohnung bedeutet den Beginn eines menschenwürdigen und selbstbestimmten Lebens in dieser Gesellschaft. Er ermöglicht den Zugang zu einem sozialen Netzwerk und Rückzug als wichtige Ressource für den Alltag, um Herausforderungen wie Spracherwerb, schulischen Anschluss oder beruflichen Einstieg zu meistern“.
Immer mit der Intention, Geflüchteten das Ankommen in und den Anschluss an diese Gesellschaft zu erleichtern, entwickelt sich der Verein auch nach fünf Jahren stetig weiter. So nimmt das neue Projekt „Neue Nachbarschaften“ seit Anfang des Jahres 2021 folgerichtig auch den Aufbau nachbarschaftlichen Zusammenhalts nach dem Umzug der Klient/-innen in den Blick.
Grund dafür ist die zentrale Bedeutung von Nachbarschaften als wichtige Mikrostrukturen in dieser Gesellschaft. Durch die räumliche Begegnung, durch entstehende Unterstützungsnetzwerke und lokale Aushandlungsprozesse können diese positiv in die Gesamtgesellschaft ausstrahlen und bei gelingendem Zusammenleben als Multiplikator/-innen für ein Selbstverständnis von einer vielfältigen Gemeinschaft auf Augenhöhe dienen.
Doch aktuell stehen sich der schwierige Wohnungsmarkt und der Bedarf so vieler Geflüchteter und Migrant/-innen im Kontrast gegenüber. Doch für die Kontaktstelle Wohnen gibt es keinen Zweifel, dass fünf Jahre erst der Anfang waren, denn es gibt noch viel zu tun.
„Wir sind gekommen, um zu bleiben. Und vor allem, um anderen beim Bleiben zu helfen!“, ist sich Stefan Kausch, Projektkoordinator der Kontaktstelle Wohnen, sicher.
Nicht zuletzt durch die beständige Förderung durch das Sozialamt der Stadt Leipzig und die Sächsische Aufbaubank wird das Wirken der „Kontaktstelle Wohnen“ ermöglicht.
Der Projektverbund wird aktuell gefördert von und durch: a) Das Landesprogramm „Integrative Maßnahmen“ durch das Sächsische Ministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt (aufbauend auf einer Maßnahme mitfinanziert mit Steuermitteln auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes), b) das Sozialamt der Stadt Leipzig, c) durch die Förderung von Projekten im Rahmen der Richtlinie „Vielfalt entdecken – gemeinsam gestalten“ der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, d) das Bundesministerium für Inneres, für Bau und Heimat (auf der Grundlage eines Beschlusses des Deutschen Bundestages), e) des Programmes „Wir für Sachsen – bürgerschaftliches Engagement“ f) dem Sächsischen Mitmachfonds.
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