Der Bürgerrat „Deutschlands Rolle in der Welt“ unter der Schirmherrschaft von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hat am Samstag, 20. Februar, seine Empfehlungen zur deutschen Außenpolitik beschlossen. Nach 50 Stunden Beratung in zehn Sitzungen haben die 154 Ausgelosten Leitlinien – darunter auch mehrere Leipziger/-innen – zum Auftreten Deutschlands in der Welt formuliert, die nun bis zum 19. März in ein Bürgergutachten gefasst werden sollen.
Die vier formulierten Leitlinien:
„1. Deutschlands Rolle in der Welt sehen wir zukünftig als faire Partnerin und Vermittlerin, die gemeinschaftlich mit anderen, insbesondere mit der EU, eine Welt gestaltet, in der auch zukünftige Generationen selbstbestimmt und gut leben können.
2. Dazu setzen wir uns global für Nachhaltigkeit, Klimaschutz und die Wahrung der Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Frieden und Sicherheit ein.
3. Wir wollen uns unserer Verantwortung für das Erreichen dieser Ziele stellen, indem wir transparent und vorausschauend handeln und unseren eigenen Ansprüchen gerecht werden.
4. Wenn wir dabei innovativ und inspirierend im eigenen Land vorgehen, selbstkritisch voneinander lernen und konsequent handeln, können wir für andere zum Vorbild werden.“
Zu diesen Kernaussagen kamen die Ausgelosten nach intensiver Debatte am Samstag.
Marianne Birthler, die Vorsitzende des Bürgerrats, sagt rückblickend: „Das Wort Verantwortung hat eine wichtige Rolle gespielt. Niemand rief ‚Germany first‘. Die Bedeutung der Vergangenheit war deutlich herauszuhören. Eine wichtige Botschaft, die im Verlauf des Bürgerrats allerdings auch immer wieder auftauchte, ist: Deutschland muss sich nicht verstecken und soll in der Welt selbstbewusster für seine Werte eintreten, gerade bei den Themen Menschenrechte, Nachhaltigkeit und Demokratie.“
„Die Bürgerinnen und Bürger haben es gemeistert, aber schwieriger hätte die Prüfung nicht sein können“, sagt Claudine Nierth, Vorstandssprecherin des Vereins Mehr Demokratie, der gemeinsam mit der Initiative Es geht LOS den Prozess initiiert hat. „Das vom Bundestag gewünschte Thema ist sehr breit und vielschichtig. Diese Herausforderung haben wir angenommen und die Ausgelosten haben heute eine beachtliche Sammlung von Empfehlungen zur Außenpolitik beschlossen, mit denen der Bundestag nun weiterarbeiten kann.“
Im Verlauf des Online-Bürgerrats haben die Teilnehmenden in Kleingruppen und in der großen Runde immer wieder die Fragen bearbeitet, wie sich Deutschlands Rolle definieren lässt und wie sich dies konkret auf die Politik auswirken kann. Von der Moderation, von einer Illustratorin und mit Hilfe einer eigenen Online-Plattform wurden verschiedene Rollenbilder herausgearbeitet.
Beispielhaft diskutiert wurde die Rollen-Frage entlang der fünf Themenfelder Nachhaltigkeit, Frieden und Sicherheit, Wirtschaft und Handeln, Demokratie und Rechtsstaat und Europäische Union. Die Ausgelosten haben diese Themenfelder in feststehenden „Reisegruppen“ bearbeitet: Jede ausgeloste Person beschäftigte sich schwerpunktmäßig mit einem Thema, traf aber auch immer wieder mit der gesamten Gruppe zum Austausch zusammen. Für die fünf Themenfelder wurden insgesamt 32 Empfehlungen entwickelt, die ebenfalls in das Bürgergutachten einfließen werden.
„Wir sind überzeugt, dass sich das Instrument Bürgerrat auf jeden Fall zum Ausbau und zur Stärkung der parlamentarischen Demokratie eignet“, fasst Nierth zusammen. „Nach diesem zweiten Bürgerrat können wir das Fazit ziehen: Je konkreter die Fragestellung ist, desto tiefer kann ein Bürgerrat die damit verbundenen Zwickmühlen diskutieren und somit anwendungsbezogene und umsetzbarere Antworten liefern.“ Der Brückenschlag zwischen Politik und Bevölkerung sei mit diesem Bürgerrat auf jeden Fall gelungen. „Wir haben bereits Rückmeldungen aus allen Fraktionen, dass sie bereit sind, die Ergebnisse aufzugreifen.“
In den nächsten Wochen werden die Durchführungsinstitute, unterstützt von einem Redaktionsteam aus dem Kreis der Ausgelosten, die Ergebnisse zu einem Bürgergutachten zusammenfassen, das am 19. März dem Bundestag überreicht wird. Zeitgleich erarbeitet ein Team von IASS (Institute for Advanced Sustainability Studies) und IDPF (Institut für Partizipations- und Demokratieforschung der Bergischen Universität Wuppertal) einen Evaluationsbericht.
Der Bürgerrat wurde initiiert vom Verein „Mehr Demokratie“ und der Initiative „Es geht LOS“. Er wird durchgeführt von den Beteiligungsunternehmen IFOK, IPG und Nexus. Neben dem vom Ältestenrat des Bundestags vorgeschlagenen Thema Außenpolitik geht es auch darum, das Instrument Bürgerrat zu erproben und ein für die Bundesebene geeignetes Format zu entwickeln. Von den ursprünglich 169 Teilnehmenden mussten seit dem Start 15 den Bürgerrat aus zeitlichen, technischen oder gesundheitlichen Gründen verlassen, sodass aktuell 154 Ausgeloste dabei sind.
Auch Bürgerinnen und Bürger aus Leipzig und Schkeuditz wurden für den Bürgerrat zufällig aus den kommunalen Melderegistern ausgelost. Im November wurden Einladungsschreiben an Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde versandt. Unter den Rückmeldungen wurden die Teilnehmenden gemäß ihrer Angaben zu Geschlecht, Altersgruppe, Bundesland, Bildungsstand und Migrationshintergrund so ausgewählt, dass der Bürgerrat die Bevölkerung in Deutschland bestmöglich abbilden.
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