LEIPZIGER ZEITUNG/Auszug Ausgabe 84, seit 23. Oktober im HandelEine Gemüsewurzelrevolution vor den Toren der Stadt. KoLa Leipzig steht für Kooperative Landwirtschaft. Die Genossenschaft mit aktuell 976 Mitgliedern ist im Mai 2018 entstanden und hat einen überaus verheißungsvollen Auftakt hingelegt. Aber was macht solidarische Landwirtschaft besser als gewöhnlicher Ökolandbau? Wie hat sich die Idee von KoLa bislang entwickelt? Und was bewegt hauptsächlich junge Menschen, diesen nicht unbedingt einfachen Weg einzuschlagen?
Dass ich ein paar Kilometer hinter Taucha das richtige Stück Ackerland gefunden habe, verraten mir die vielen geparkten Fahrräder. Ihre Besitzer sind längst ausgeschwärmt, um Weißkohl zu ernten und Möhren zu verarbeiten. Als nächstes soll Knoblauch gesteckt werden. Ab dem Herbst steht für die Genossenschaft KoLa endlich der Umzug auf weitaus größere Ackerflächen bevor.
Auch Eva Köhler hat alle Hände voll zu tun. „So eine Chance bekommt man nicht so oft, einen konventionell bewirtschafteten Betrieb umzustrukturieren auf ökologischen Anbau und dabei sogar die Produktionsmittel zu vergemeinschaften“, erläutert die Pressesprecherin von KoLa. Die Grimmaerin hat, bevor sie KoLa mitgründete und eines von drei Vorstandsmitgliedern wurde, Ökolandbau in Eberswalde und Wien studiert und bereits in der solidarischen Landwirtschaft gearbeitet.
„Ich mache Ökolandbau aus der Verantwortung heraus, Lebensraum für alle Lebewesen zu erhalten“, so Köhler. Mindestens 25 Prozent der Anbaufläche sei für sogenannte Leguminosen reserviert: Hülsenfrüchtler, an deren Wurzeln Bakterien in einem natürlichen Prozess Stickstoff im Boden anreichern.
Diese Gründüngung reduziere zwar die eigentliche Anbaufläche und somit kurzfristig den Ertrag, befördere jedoch langfristig die organische Masse im Boden als Lebensraum für diverse Mikroorganismen. Konventionelle Bauern greifen stattdessen zu synthetisch-mineralischem Dünger, der in seiner Herstellung allerdings sehr energieaufwendig sei und einen übergroßen ökologischen Fußabdruck hinterlassen würde.
Faire Anbaubedingungen gehen oft unter. Dass Ökolandbau Blühstreifen für die Artenvielfalt anlegt oder erhält, Schädlinge fast vollständig nur mechanisch und nicht mit Ackergiften bekämpft, ist mittlerweile sicher allgemein bekannt. Aber für die Junglandwirte von KoLa – alle zwölf Angestellten sind jünger als 38 Jahre – ist auch der soziale solidarische Gedanke in der Landwirtschaft enorm wichtig, berichtet Köhler. „Die, die das Gemüse anbauen und ernten, sollen fair bezahlt werden. Zugleich soll es erschwinglich für alle sein“, lautet das Leitmotiv.
Die solidarische Landwirtschaft tritt für mehr Wertschätzung ein. Gerade weil es schwierig ist, profitabel zu wirtschaften, seien weder Selbstausbeutung aus Idealismus heraus noch schlecht bezahlte Saisonarbeiter aus Osteuropa eine Option für KoLa. Tatsächlich speist sich der Profit in der konventionellen Landwirtschaft insbesondere für große Betriebe mit viel Fläche zu einem hohen Teil aus EU-Subventionen – ganz egal wie nachhaltig sie wirtschaften, weiß Köhler.
Taucha ist hingegen ein regelrechter Hotspot des genossenschaftlichen und sozialen Gegenentwurfs. Denn neben KoLa gibt es mit der „Ackerilla“ sowie der SoLaWi „Rote Beete“ bereits weitere solidarisch wirtschaftende Betriebe. Aber wie funktioniert so eine landwirtschaftliche Genossenschaft?
Die fast tausend Mitglieder bei KoLa sind mittels einer Einlage zu Miteigentümern des Ökobetriebs geworden. Und über einen extra Erntevertrag sichern sie sich einen regelmäßigen Ernteanteil, den sie in Verteilstationen in und um Leipzig abholen können. Es gleicht einer Selbstversorgung im größeren Stil.
Ziel von KoLa ist es, die Zahl der Ernteanteile auf 1.500 und die der versorgten Haushalte auf 2.000 zu schrauben. Denn mehr Mitglieder bedeuten mehr Finanzkraft. Schließlich soll nach dem Umzug auf die größeren Flächen ein Hofgebäude in ökologischer Ständerbauweise für 700.000 Euro errichtet werden. Außerdem soll ein 6.000 Quadratmeter großes solarthermisches Gewächshaus die Folientunnel ersetzen. Als nächstes steht das Bohren eines Brunnens auf der Agenda. Bislang hat KoLa von seinen Mitgliedern bereits Direktkredite in Höhe von 500.000 Euro erhalten.
„Es ist ein riesiges wirtschaftliches Paket und noch lange viel zu tun“, räumt Köhler ein. Schon die Aufbauarbeit seit Mai 2018 sei lang und aufwendig gewesen: Businessplan, Marketingstrategien, Mitgliedergewinnung, Öffentlichkeitsarbeit, Betriebskonzept, Fördermittel, Finanzierung, Homepage und vieles mehr. Vor gut einem Jahr wurde die Genossenschaft gegründet und im Frühjahr übergangsweise mit dem Anbau auf zweieinhalb Hektar eines befreundeten Biobauern begonnen.
Aber eine Genossenschaft sei eben auch die Rechtsform mit den wenigsten Insolvenzen, so Köhler. Neben dem Vorstand hat KoLa darüber hinaus einen achtköpfigen Aufsichtsrat. Außerdem nimmt der Genossenschaftsverband jährlich eine ausführliche Prüfung des Wirtschaftsbetriebs vor. Bislang gedeiht alles prächtig, insbesondere der Mitgliederzuwachs.
Ab 2021 erfolgt dann der Umzug von den derzeitigen Übergangsflächen auf die eigentlichen neuen Flächen in Plösitz, welche der Gruppe 2018 von der Kirchgemeinde Taucha zur Pacht angeboten wurden. Dann werden 27 Hektar von KoLa mit Gemüse und Gründüngung bewirtschaftet werden.
Noch mehr Salat, Mangold, Fenchel, Zucchini, Kohl, Basilikum, Dill, Aubergine, Paprika, Tomaten, Artischocken, Möhren, Knoblauch und Wassermelonen. Kontrolliert biologisch, mit geringem ökologischen Fußabdruck und fairen Anbaubedingungen. Zum Wohle der Mitarbeiter, der Mitglieder, der Umwelt. Eine Win-Win-Win-Situation.
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