Offizielle Nachweise über die Gasthofbrücke in Lindenau gibt es seit 1910. Da sorgte ein Unfall der Straßenbahn dafür, dass die Brücke repariert werden musste. Aber eine Brücke muss es hier schon viel früher gegeben haben, stellt Bettina Weil in ihrem Heft zu den Luppe-Brücken fest. Doch kaum ein Mensch denkt beim Befahren der Brücke mit der Tram-Linie 3 an die Gasthofbrücke. Der Name war auch nie offiziell. Am Weltfriedenstag bekommt sie jetzt tatsächlich einen offiziellen Namen.
Der Name Gasthofbrücke hat sich – wie bei vielen anderen Leipziger Brücken auch – volksmundlich eingebürgert, so Bettina Weil. Denn die Brücke führte, wenn man von der Angerbrücke kam, direkt zum legendären Gasthof „Dreilinden“, nach dem noch heute das Spielhaus der Musikalischen Komödie benannt ist. Nur den Gasthof gibt es nicht mehr.
Die Stellungnahme der Stadt zum Antrag der Linksfraktion ergänzt die Angaben zur Gasthofbrücke: „Die zur Benennung vorgeschlagene Brücke über die Kleine Luppe im Zuge der Zschocherschen Straße wurde um 1880 errichtet. Der Name ,Gasthofbrücke‘ ist nicht auf eine amtliche Benennung zurückzuführen, zumindest kann kein Beleg für eine Benennung nachgewiesen werden. Der Name entstammt wohl einer volkstümlichen Bezeichnung, die auf die Nähe eines alten Gasthofes im damaligen Orts Lindenau zurückzuführen ist, heute das Spielhaus der ,Musikalischen Komödie‘.
Erstmals wurde dieses Gasthaus 1495 erwähnt, ab ca. 1700 trug es den Namen ,Drei Linden‘. Ein örtlicher Bezug zu Georg Elser ist an dieser Stelle nicht gegeben, da jedoch die US-amerikanische Armee im April 1945 über die Angerbrücke zur Befreiung Leipzig vom Nationalsozialismus einrückte, kann zumindest ein symbolischer Bezug hergestellt werden.“
Seit Oktober 2019 bemühte sich die Linksfraktion darum, mit der Namensgebung dieser Brücke über die Kleine Luppe einen der mutigen Kämpfer gegen das Hitlerregime zu ehren. Im Januar 2020 stimmte die Stadtverwaltung dem Anliegen zu.
Sie verwies dabei darauf, dass sich verschiedene Leipziger schon seit 2000 bemühten, Georg Elser im Leipziger Stadtbild zu ehren: „Die Benennung einer Örtlichkeit in Leipzig nach Georg Elser ist schon mehrfach von Privatpersonen vorgeschlagen worden. Bereits nach dem erstmaligen Vorschlag im Jahr 2000 ist der Name in den Vorrat für Straßenbenennungen aufgenommen worden, also nicht grundsätzlich als für eine Benennung ungeeignet bewertet worden.
Eine tatsächliche Benennung wurde unter Verweis auf den fehlenden örtlichen Bezug Elsers zur Stadt Leipzig bisher aber nicht vollzogen. Georg Elser hat in der Stadt Leipzig insoweit bisher keine Ehrung, auch nicht in anderen Formen wie beispielsweise einer Gedenktafel oder einem Denkmal, gefunden.“
Die Brückenumbenennung wird am diesjährigen Weltfriedenstag, dem 1. September, um 18:30 Uhr an der Lindenauer Gasthofbrücke (nahe der Musikalischen Komödie) zu Ehren des NS-Widerstandskämpfers Georg Elser stattfinden, lädt der Erich-Zeigner-Haus e.V. ein.
„Nachdem eine Umbenennung der Gasthofbrücke in ,Georg-Elser-Brücke‘ bereits seit mehreren Jahren angestrebt wurde, konnte die Genehmigung der Stadt Leipzig in diesem Jahr nun doch noch eingeholt werden“, freut sich Henry Lewkowitz, Geschäftsführer des Erich-Zeigner-Haus e. V. „Entscheidend für den Erfolg war das jahrelange Engagement des Mitinitiators Dr. Hans-Joachim Wienhold sowie die Unterstützung des Stadtratsmitgliedes Marco Götze (Die Linke).“
Die Umbenennung der Brücke wird durch die Anbringung zweier Namenstafeln an den Seiten der Brücke realisiert. Sie sollen beim Überqueren der Brücke zukünftig an das Engagement von Georg Elser, einem herausragenden Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime, erinnern.
Der Erich-Zeigner-Haus e. V. initiiert als gemeinnütziger Verein seit vielen Jahren unterschiedliche Projekte der historisch-politischen Bildungsarbeit für Jugendliche und Erwachsene. Eines der aktuellen Projekte des Vereins ist die Umbenennung der Gasthofbrücke in Leipzig-Lindenau in Georg-Elser-Brücke, die am 1. September um 18:30 Uhr stattfinden wird.
Georg Elser verübte am 8. November 1939 ein von ihm allein vorbereitetes Attentat auf Adolf Hitler und andere führende Nationalsozialisten bei deren Zusammenkunft im Münchner Bürgerbräukeller. Der von Elser selbst gebaute Sprengkörper, den er zeitgesteuert explodieren ließ, detonierte erfolgreich, führte jedoch nicht zum Tod von Hitler oder seinen hochrangigen Anhängern, die unplanmäßig eine vorzeitige Abreise antraten.
Elser selbst wurde bei seiner Flucht in die Schweiz an der Grenze als Verdächtiger verhaftet und der Gestapo ausgeliefert. Nach schwerer Folter gestand er seine Alleintat, wurde zunächst zum „Agenten des englischen Geheimdienstes“ erklärt und als „Sonderhäftling“ für einen Schauprozess nach dem „Endsieg“ im KZ Sachsenhausen und im KZ Dachau gefangen gehalten. Auf Befehl Hitlers wurde er im KZ Dachau am 9. April 1945 erschossen.
„Dass eine Umbenennung der Lindenauer Gasthofbrücke nun doch noch genehmigt wurde, zeigt wieder einmal, dass sich anhaltendes Engagement auszahlt. Wir freuen uns sehr über die Entscheidung der Stadt, denn durch die Umbenennung der Brücke zu Ehren Georg Elsers können wir nicht nur einen herausragenden, aber leider oft vergessenen Widerstandskämpfer ehren, sondern wir setzen zusätzlich ein wichtiges Zeichen gegen den erstarkenden Rechtsextremismus und für eine aktive Erinnerungskultur in Deutschland“, erklärt Henry Lewkowitz, Geschäftsführer des Erich-Zeigner-Haus e. V.
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