Da vergriff sich auch Kulturamtsleiterin Susanne Kucharski-Huniat völlig in der Wortwahl, als sie am Dienstag, 23. Juli, der Presse ihren Kommentar schickte: „Die betroffenen Denkmale sind alle von besonderer Bedeutung und touristischer Relevanz. Sich durch Vandalismus zu Umweltfragen zu äußern, dafür können wir kein Verständnis aufbringen.“ Worum ging es? Ein paar Leipziger Denkmalen war über Nacht ein minzgrüner Mundschutz verpasst worden.

Selbst die Verursacher hatten ihren Namen hinterlassen: „Extinction Rebellion“. Das ist eine kleine Gruppe junger Leipziger, die mit spektakulären Aktionen darauf aufmerksam machen wollen, dass unsere Gesellschaft gar keine Zeit mehr hat, sich beim Klimaschutz immer wieder zu vertagen. Schon am 25. Mai hatte die Gruppe Extinction Rebellion Youth Germany auf sich aufmerksam gemacht, als die jungen Leute ihre Köpfe ans Gitter des Neuen Rathauses ketteten: „Wir müssen den Kopf #hinhalten! Wir können am Tag vor der Wahl nur hilflos zuschauen wie uns insbesondere die Hälfte aller Wahlberechtigten (über 52) weiter in die größte Katastrophe der Menschheitsgeschichte stürzt: Die Klimakrise!“

In diesem Zusammenhang muss man auch die Sachsenwahl am 1. September sehen. Bislang führen zwei Parteien das Rennen an, die den Klimawandel entweder komplett leugnen (die AfD) oder so tun, als könnten sie noch 20 Jahre lang Kohle verfeuern (die CDU). Die Sachsenwahl ist deshalb auch eine Klimawahl. Begriffen haben das zumindest die jungen Leute. Wenn sie allein wählen dürften, würden sie keine der beiden Parteien in die Mehrheit wählen.

Und was ist mit dem Vandalismus? Haben die jungen Leute die Denkmale kaputtgemacht?

Das Kulturamt hatte gleich am Dienstag gedroht: „Alle Schäden wurden dokumentiert. Durch das Rechtsamt der Stadt Leipzig wird Anzeige erstattet. Die Beseitigung der Schäden ist nur durch Fachfirmen möglich. Sie wird mehrere Tage in Anspruch nehmen und mit erheblichen Kosten verbunden sein.“

Mehrere Tage?

Wer am Mittwochmorgen die Denkmale besuchte, fand – nichts. Gar nichts. Das Kulturamt hatte einfach vom Sessel aus dekretiert, dass das teuer zu sein habe. Man hat nicht mal genauer hingeschaut. Denn die Aufschriften waren allesamt von Kreide. Mitten in der Nacht waren die Mitstreiter von Extinction Rebellion unterwegs und haben die Kreide von allen Denkmalen abgewaschen und das auch auf ihrer Facebook-Seite dokumentiert.

Und als sie nach der Nachtschicht dann ausgeschlafen hatten, haben sie ihre Erklärung zu der Aktion veröffentlicht. Darin erinnern sie auch an den Antrag des Leipziger Jugendparlaments, auch in Leipzig den Klimanotstand auszurufen. Kiel und Konstanz haben den Klimanotstand schon ausgerufen, in Frankreich gilt er für das ganze Land. Leipzig ist da eher im Trödelmodus.

Ihre Stellungnahme hat die Gruppe übrigens mit „With Love & Rage“ unterschrieben, in Liebe und Wut also. Denn die Aktion des Kulturamtes zeigt: Leipzigs Verwaltung hat mal wieder völlig falsch reagiert.

Video: facebook.com/ExtinctionRebellionLeipzig

Die Erklärung von Extinction Rebellion

„Aufgrund der aktuellen Berichterstattung der Leipziger Volkszeitung und anderer Medien vom 23.07.2019 sehen wir – die Gruppe Extinction Rebellion, Ortsgruppe Leipzig – uns dazu verpflichtet, folgende Stellungnahme abzugeben:

Wir bekennen uns zur Durchführung der Aktion durch Mitglieder unserer Gruppe. Ausgewählte Statuen und Skulpturen der Stadt wurden in der Nacht vom 21.07.2019 auf 22.07.2019 mit Atemmasken, sowie einer Aufschrift mit handelsüblicher Kreide versehen.

Damit wollen wir darauf aufmerksam machen, dass selbst all das, woran diese Statuen erinnern sollen und wofür die Personen gearbeitet haben, mit der Klimakatastrophe auf dem Spiel steht. Wir erneuern unsere Forderung, dass ein sofortiges Umdenken und Handeln der Stadt Leipzig notwendig ist.
⠀⠀
Das Ausrufen des Klimanotstandes kann nicht länger warten.

Für die Aktion² wurde handelsübliche Sprühkreide verwendet. Damit widersprechen wir der in dem Artikel (1) zitierten Aussage von Frau Kucharski-Huniat, es würde sich bei dieser Aktion um Vandalismus handeln. Es handelt sich nach dem Willen des Gesetzgebers eben gerade nicht um Sachbeschädigung, wenn die Veränderung des Aussehens einer Sache nur kurzzeitig ist. In der Gesetzesbegründung wurde Kreide damit explizit ausgenommen.

Die Kreide lässt sich mit einfachsten Mitteln (Wasser) entfernen, sämtliche Spuren wären spätestens nach dem nächsten Regenguss verschwunden. Regen, der immer seltener wird, da die Klimakrise unmittelbar das Wettergeschehen beeinflusst und Dürreperioden zunehmen.

Die Art der Berichterstattung und die Reaktion des Kulturamtes auf unsere Kunstaktion angesichts der wissenschaftlich anerkannten Klimakrise zeugen offensichtlich von Notwendigkeit und Zweck von Aktionen dieser Art.
⠀⠀
Wir sehen es daher auch weiterhin als notwendig an, in Zukunft ähnliche Maßnahmen zu ergreifen, um auf die Dringlichkeit und den Handlungsbedarf im Angesicht der Klimakatastrophe hinzuweisen.
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Wir sind nach wie vor bereit, in der Kommunikation mit Behörden und Verantwortlichen über Wege aus der Krise zu diskutieren. Aber wir sind nicht bereit, angesichts der ungebremsten Fahrt in Richtung einer globalen Katastrophe weiter zu warten. Nicht wir sind es, die Vandalismus betreiben. Es sind die Konzerne, die den Planeten ausbeuten und die Politiker/-innen, die angesichts dessen nicht handeln.
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Es geht um die Zukunft unseres Planeten.

With Love & Rage

Extinction Rebellion – Ortsgruppe Leipzig“

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Trauermarsch von Extinction Rebellion in Leipzig: Jetzt werden auch noch die Gruftis politisch? Video & Bildergalerie

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