Es klang wieder nach irgendetwas, als die Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) am 6. Juli verkündete, sie wolle die Schäden auf 110.000 Hektar Wald durch das Aufforsten von Millionen neuen Bäumen ausgleichen. Und das Geld dafür wolle sie gern aus dem Energie- und Klimafonds haben, der dafür nur in Teilen vorgesehen ist. Aufforsten klingt irgendwie gut, wäre aber so, wie es Klöckner andenkt, eine Katastrophe, findet Peter Wohlleben.

Die „Zeit“ meldete zu Klöckners Vorstoß am 6. Juli: „Klöckner schlug vor, ein ,Mehrere-Millionen-Bäume-Programm‘ aus dem Energie- und Klimafonds (EKF) der Bundesregierung zu finanzieren. Diesen hatte die Bundesregierung eingerichtet, um die Energiewende zu beschleunigen. 2019 umfasste er nach Regierungsangaben 4,5 Milliarden Euro. Sie werden für Erneuerbare Energien, Energieeinsparungen, Klimaschutz, Umweltprojekte und die Förderung der Elektromobilität verwendet. Der Waldklimafonds, der die Anpassung der deutschen Wälder an den Klimawandel fördern soll, ist ebenfalls Bestandteil des EKF.“

Aufforstung sei das effektivste Mittel, um die Klimaerwärmung zu bremsen, schrieb die „Zeit“ noch.

Aber einer schüttelte über den Unfug nur den Kopf: Deutschlands bekanntester Förster Peter Wohlleben, der seinen Kommentar zum Tonnage-Umgang mit dem deutschen Wald auf Facebook postete. Denn was derzeit in deutschen Wäldern kaputtgeht – von Stürmen niedergelegt wird, von Dürre heimgesucht und vom Borkenkäfer gefressen – das sind die alten Plantagenwälder mit Baummonokulturen, in der Regel Nadelwälder mit fehlender Wasserspeicherfähigkeit und trockenen Böden. Die aktuelle Art der Forstwirtschaft schwächt die Wälder massiv. Mit schweren Fahrzeugen werden die Waldböden zerstört und verdichtet. Die Waldböden verlieren ihren Artenreichtum. Das Waldklima wird zerstört.

Was wir jetzt mit diesen Wäldern erleben, bringt Wohlleben so auf den Punkt: „Der Klimawandel deckt diese ganzen Mängel auf.“

Und während Klöckner von Aufforstung redet, geht ja die alte Waldbewirtschaftung weiter. Auch Leipzigs Abteilung Stadtforsten hat wieder einen Forstwirtschaftsplan vorgelegt, mit dem tausende Festmeter gesunder Stämme aus dem Auenwald geholt werden sollen. Der eigentlich mehrfach geschützte Auenwald wird behandelt wie eine Holzplantage. Wo die alten, starken Bäume gefällt wurden, entstehen große Femellöcher oder „Mittelwaldbewirtschaftung“, die große Flächen des sensiblen Waldbodens der Sonne aussetzen. Darauf stehen dann in Reih und Glied neue Plantagenwälder, mit denen die Förster meinen, den Wald der Zukunft bauen zu können.

Ausgeforsteter Wald in der Luppeaue: Die wenigen alten Starkbäume spenden kaumnoch Schatten und die in Reih und Glied gepflanzten Setzlinge stehen mitten in der prallen Sonne. Foto: Ralf Julke
Ausgeforsteter Wald in der Luppeaue: Die wenigen alten Starkbäume spenden kaum noch Schatten und die in Reih und Glied gepflanzten Setzlinge stehen mitten in der prallen Sonne. Foto: Ralf Julke

Für Wohlleben ein Unding. Denn die stabilsten Wälder, die wir haben, sind die alten Laubwälder in den noch relativ unzerstörten Schutzgebieten. Wälder, die wir gerade jetzt dringend bewahren und erhalten müssen. Da verbietet sich der große Holzeinschlag geradezu.

„Das ist die völlig falsche Waldbewirtschaftung“, sagt Wohlleben, der – ähnlich wie die Lübecker Stadtförster – eine ökologische und schonende Waldbewirtschaftung für überlebenswichtig hält. Denn nur die gewachsenen und artenreichen Waldgemeinschaften der richtig alten Wälder sind in der Lage, auf die Veränderungen des Klimas auch zu reagieren.

„Bringt die Maschinen aus den Wäldern raus“, fordert Wohlleben. Hört auf, Nadelwälder zu pflanzen. Was eben auch bedeutet: Förster müssen lernen, den Wald vom Wald her zu denken, nicht von idealen Ernteergebnissen. Denn wozu das führt, war ja im Winter ebenfalls im Forst bei Gundorf zu sehen: Der Staatsbetrieb Sachsenforst „erntete“ hunderte gut gewachsener Eschen und Eichen. Der eigentlich dicht gewachsene Auenwald mit seiner starken Kühlfunktion wurde wieder massiv ausgelichtet. Und wo neue Freischläge entstanden, stehen wieder die frischen Setzlinge in Reih und Glied – aber mitten in der Sonne.

Der NuKLA e.V. hat diese sichtliche Zerstörung eines geschützten Waldbiotops entsprechend angezeigt. Und sich damit bei den staatlichen Instanzen wieder höchst unbeliebt gemacht. Was Wohlleben für ganz Deutschland sagt, gilt eben auch für Sachsen, wo die Bewirtschaftung der Wälder als Nutzholzwälder noch immer Priorität hat gegenüber dem Schutz der artenreichen Waldgemeinschaften und der zusehends selten gewordenen noch relativ intakten Waldinseln.

Die Förster, die im alten Denken verhaftet sind, werden mit dem Geld, das Julia Klöckner fordert, nicht viel Gescheites anfangen, ist sich Wohlleben sicher: „Diese Gelder werden nur von den Forstverwaltungen verbrannt, die dann anschließend über den Klimawandel jammern. So kann’s nicht weitergehen.“

Es geht nicht um das Neupflanzen neuer Idealwälder, sondern darum – wie in Lübeck – zu lernen, die noch stehenden Stadtwälder zu schützen und zu bewahren. Gerade weil sie durch die Klimaveränderungen und immer neue einwandernde Schädlinge zunehmend bedroht sind.

Peter Wohlleben unterstützt den NuKLA e. V. bei der Werbung um Spenden für den Marathon vor Gericht

Peter Wohlleben unterstützt den NuKLA e. V. bei der Werbung um Spenden für den Marathon vor Gericht

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