„Schulbau offenbart große Bildungslücken“, titelt der NABU Leipzig. Und bringt damit etwas auf den Punkt, was in Leipzigs Verwaltungshandeln schon seit Längerem nicht mehr zu übersehen ist: Wenn es um Themen von Umweltschutz und Artenvielfalt geht, ist ein Großteil des Leitungspersonals völlig überfordert. Nicht nur im Auenwald, auch im schwindenden Grün in der Stadt. Das machen jetzt die Radikalzerstörungen an Leipziger Schulbauprojekten wieder deutlich.
Bäume und Sträucher werden in diesen Februarwochen im Eiltempo gefällt, fast stündlich melden sich verzweifelte Bürger beim Naturschutzbund NABU Leipzig und schildern ihre Empörung. Mit Unverständnis beobachten viele insbesondere den Kahlschlag an verschiedenen Schulen.
Besonders drastisch ist der Gehölzverlust am Lichtenberg-Gymnasium, so der NABU. Es wird saniert, um als Schulstandort wieder eröffnet zu werden, was auch der NABU Leipzig begrüßt. Dass man für solche Bauarbeiten Platz rund um das Gebäude benötigt, sei nachvollziehbar, dabei sollte man aber schonend vorgehen und so viel von der vorhandenen Natur erhalten wie möglich. Aber augenscheinlich gilt bei Bauvorhaben erst einmal: Alles muss weg.
Man behandelt das gewachsene Grün wie ersetzbare Kunstnatur. Hinterher wird wieder neu gepflanzt nach den hübschen Plänen der besonders gefragten Landschaftsarchitekten. Obwohl man bei Bestandsschulen in den letzten Jahren schon vorsichtig versucht hat, Nistgehölze und Insektendomizile in den Schulhöfen zu installieren. Die Kinder begreifen schnell, wie wertvoll solche Schutzorte für die Lebewesen in der Stadt sind.
Aber dass man bestehende Kleinbiotope einfach mal schont, scheint den Stadtgrünverantwortlichen nicht so recht bewusst.
Bäume, Sträucher, singende Vögel, summende Insekten – das wäre doch ein wunderbares Lernumfeld und auch ein möglicher Ort der Umweltbildung und des Naturerlebens an der Schule, betont der NABU etwas, was eigentlich immer wieder selbst von der Verwaltung betont wird, wenn es um Umweltbildung geht.
Aber dass man sich dann als Verwaltung genauso verhalten müsste, scheint einfach nicht wahrgenommen zu werden.
Stattdessen wurde am Lichtenberg-Gymnasium alles Grün radikal beseitigt. Auf einer Breite von 10 Metern vor dem Gebäude und 20 Metern hinter dem Gebäude sowie auf einer Länge von 150 Metern wurden alle Grünflächen zerstört, Bäume und Sträucher wurden gerodet.
Nur wenig anders ist es an der Hermann-Liebmann-Schule in Volkmarsdorf. Auch hier gibt es eine großflächige Beseitigung von Gehölzen. Selbst wenn das für An- und Neubauten nötig sein sollte, muss man auch hier fragen: Wo ist der gesetzlich erforderliche Ausgleich für die verlorenen Lebensstätten? Rund um die 20. Schule in Schönefeld wurden ebenfalls Bäume und Sträucher gerodet, und man könnte weitere Beispiele aufzählen, mahnt der NABU.
Sein Plädoyer: „Natur gehört auf den Schulhof und ins Wohnumfeld, ist Voraussetzung für Biodiversität in der Stadt. Das Grün ist Lebensstätte gesetzlich geschützter Tierarten und darf deshalb nicht zerstört werden. Diese Vorschrift wird in Leipzig tagtäglich ignoriert! Vögel benötigen die Sträucher als Nistplatz oder Ruhestätte, Gehölze verbessern das Klima und spenden Schatten in heißen Sommern. Die Kinder bekommen notfalls Hitzefrei, doch Vögel, die vor dem Schulfenster von Ast zu Ast hüpfen und ihr Frühlingslied singen, erleben die Schüler künftig nicht mehr.“
Um den Verlust zu ersetzen, sei es notwendig, größere Strauchgruppen neu zu pflanzen. Zudem müssen neu gepflanzte Bäume so gepflegt werden, dass sie groß und alt werden, kleine neugepflanzte Bäumchen wären kein Ersatz für den massiven Lebensraumverlust, so der NABU. Bis dahin haben hier Vögel für viele Jahre ihren Lebensraum verloren. Ein Ausgleich hätte deshalb bereits im Vorfeld der geplanten Bauarbeiten stattfinden müssen und in möglichst enger Nachbarschaft.
„Da dies kurzfristig möglicherweise nicht zu realisieren war, zeigt es nur umso mehr, dass alle vorhandenen Grünflächen in Leipzig so naturnah wie möglich zu pflegen sind“, geht René Sievert vom NABU auf eine Änderung im Denken ein, die in einigen Stadtratsfraktionen schon begriffen wurde, in einigen verantwortlichen Ämtern aber noch nicht. Denn genau dieses Alles-muss-weg-Denken sorgt für das derzeit heftig diskutierte Artensterben – nicht nur bei Insekten, auch bei Vögeln. Die Tiere verlieren systematisch ihren Lebensraum.
„Nur so können sie als Ersatz für Lebensraumverluste dienen“, sagt Sievert. „Eine naturverträgliche Stadtplanung würde die Folgen einzelner Baumaßnahmen verringern. Stattdessen aber wird zu wenig getan, um die Biodiversität auf Grünflächen zu fördern. Vielmehr sind auch viele andere Flächen, die als Ersatzlebensraum infrage kämen, ebenfalls bebaut worden oder naturfern gestaltet. Leipzig schrumpft!“
Ergebnis: Der NABU Leipzig hat bei den zuständigen Ämtern protestiert und bittet mit einem Offenen Brief um Auskunft, welche Ausgleichsmaßnahmen realisiert werden, um die zerstörten Lebensstätten an den Schulen zu ersetzen und um zu verhindern, dass die lokalen Populationen der betroffenen Singvogelarten noch weiter geschädigt werden.
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