Im europaweit einmaligen, mitten in einer Großstadt liegenden und zu großen Teilen als FFH-, SPH- und NATURA-2000-Gebiet unter Schutz stehenden Leipziger Auwald wird seit 1991 wieder kräftig Forstwirtschaft betrieben. Kurioserweise wird diese naturschutzfachlich begründet: Die Eingriffe seien nötig, um die auentypische Artenvielfalt auf diese Weise zu erhalten, da dem Leipziger Auwald seit fast 100 Jahren die hydrologische Dynamik fehlt.

Dennoch ist dieser Wald auch in dieser aktuellen Form, ohne Wasser, ein besonders wertvoller Wald, weshalb er unter Schutz gestellt wurde. Statt an einer Revitalisierung und großflächigen Wiedervernässung der hiesigen Auenflächen zu arbeiten (dafür sollen laut Aussage der Stadt Leipzig in 30! Jahren die Voraussetzungen geschaffen worden sein), wofür es hier trotz urbaner Lage reichlich Potentiale gäbe, um mit recht einfachen Maßnahmen viel Dynamik zu erreichen, wird großflächig abgeholzt, werden auf riesigen Femellöchern alte Eichen- und Eschenbestände aufgerissen, Stark- und Biotopbäume gefällt und danach zur „Beförderung der Eiche“ Eichensetzlinge eingebracht.

Parallel werden im Schutzgebiet Burgaue regelmäßig große Flächen für das wissenschaftlich begleitete Experiment „Mittelwaldbewirtschaftung“ in ähnlicher Weise zerstört. Auf allen Flächen kann man im Nachgang sehen, was geschieht: Auenuntypische Arten freuen sich über das Licht (und die Trockenheit) und breiten sich massiv aus. Wie eine Wand wuchert Ahorn, Brombeersträucher und Riesenknöterich siedeln sich an und ersticken alles, was länger braucht, um groß zu werden – natürlich auch die sowieso um ihre Vitalität gebrachten Eichen-Baumschulensetzlinge.

Nachdem in 2017 der BürgerInnenunmut nach einer solchen Femelung auf einer gut einsehbaren Fläche in Stadtnähe wuchs, fühlten sich die Akteure, leider unterstützt durch die hiesigen, mit der begleitenden Forschung betrauten Wissenschaftler und auch durch hiesige Verbände, bemüßigt, noch wirksamer in verschiedener Weise diesen lästigen Nachfragen ein Ende zu setzen: öffentliche Bürgerpodien, Förstersprechstunden, Schilder an den betreffenden Stellen, all das diente dazu, den Menschen zu erklären, wie gut und naturschutzfachlich richtig diese Maßnahmen seien und wie sehr sie doch zum Erhalt der auentypischen Artenvielfalt beitrügen. Wer sich direkt an einen anderen bekannten Leipziger Verein wandte mit seiner Sorge, bekam zur Antwort einen Newsletter und eine Spendenaufforderung zugesandt.

Wolfgang Stoiber auf dem Stumpf einer gefällten Eiche. Foto: NuKLA e.V.
Wolfgang Stoiber auf dem Stumpf einer gefällten Eiche. Foto: NuKLA e.V.

Wir, der Verein Naturschutz- und Kunst Leipziger Auwald e. V. (NuKLA), sind als einziger der ansässigen Vereine schon lange dieser gezielten Falschinformationen überdrüssig und alarmiert durch die 2017/18 durchgeführten und für 2018/19 geplanten weitreichenden Forstwirtschaftsmaßnahmen. Wir nehmen seit Ende 2018 unser Recht (und die damit verbundene Pflicht) wahr, als Mitglied der GRÜNEN LIGA Sachsen und damit anerkannter Naturschutzverein diesem Vorgehen zumindest bezogen auf die unter Schutz stehenden Flächen mit rechtlichen Schritten Einhalt zu gebieten.

So gibt es inzwischen ein Moratorium:

Die Stadt Leipzig hat sich bereiterklärt, trotz ihrer vehementen, angeblich wissenschaftlicher Begründungen für die naturschutzfachliche Sinnhaftigkeit ihrer Forstwirtschaft, bis zur endgültigen Klärung der Rechtslage auf den geschützten Flächen auf Holzeinschläge zu verzichten – außer im Falle notwendiger Sanitärhiebe zur Wegesicherung (ausschließlich an der B2).

Auf den nicht geschützten Flächen und den geschützten, die jedoch in die Zuständigkeit von Sachsenforst oder anderer fallen, wird jedoch weiter der Wald zerstört, werden die wertvollen alten Bäume in Größenordnungen entnommen, breite Rückegassen angelegt und die natürliche Waldstruktur zerstört, womit weitere Schäden (z. B. durch Stürme) vorprogrammiert sind. Man brüstet sich sogar öffentlich, welch stolze Preise das „Wertholz“ auf dem Markt erbringt.

Das von uns initiierte Rechtsverfahren hat zum Ziel, für europäisch geschützte Waldgebiete ein Urteil zu erreichen, das den rechtlichen Status von diesen Gebieten bezogen auf die Forstwirtschaft modellhaft feststellt. Darauf könnten dann andere, um den Erhalt von (geschützten) Wäldern ringende Naturfreunde bei ihren Rechtsstreiten Bezug nehmen! Dass dies vermutlich erst am Ende der Instanzen zustande kommen wird, ist uns klar: Wir können jedwede finanzielle Unterstützung (die ausschließlich dafür eingesetzt wird, da wir alle ehrenamtlich arbeiten) und fachlichen Beistand (da wir immer wieder als Spinner und Wutbürger diffamiert werden) brauchen!

Während die Stadt Leipzig mit ihrem städtischen Forstamt Stadtforsten das Moratorium eingegangen ist, ist Sachsenforst, das Forstamt des Freistaates Sachen, weiterhin munter dabei, ebenfalls im Leipziger Auwald auf ihren zuständigen Flächen, und Flächen der Stadt Leipzig – welche nicht von Stadtforsten sondern im Auftrag von Stadtforsten durch Sachsenforst bewirtschaftet werden – ca. 300-jährige Eichen abzuholzen.

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