Karl Marx war alles Mรถgliche. Nur kein Nationalist. Der Bursche hat in diesem Jahr nicht nur seinen 200. Geburtstag gehabt, er erweist sich auch immer mehr als ein ร–konom, der รผber den Kapitalismus mehr zu sagen hat als alle heutigen Wirtschaftsweisen. Und da in Chemnitz sein Nischel steht, ist Chemnitz auch der Ort, an dem man mit Marx und Kreativitรคt den nationalen Dumpfbacken eine andere, echte Idee von Europa entgegensetzen kann.

Noch haben die Leute ja die Bilder von dem im Kopf, was man nun die โ€žEreignisse in Chemnitzโ€œ nennen kann, jene martialischen Verbrรผderungen der โ€žbesorgten Bรผrgerโ€œ mit den Rechtspopulisten und den eindeutigen Nazis. Leute, die einer Ideologie anhรคngen, die schon einmal mit Menschenhass und Verachtung durch Europa getobt ist. Woran wir uns ja an jedem 9. November auch erinnern.

Kรผnstler des Projekt Festivals โ€žAufstand der Geschichtenโ€œ nutzen nun den 10. November, um eine tiefergehende Diskussion um Reformen in Europa anzustoรŸen. Da und dort ist sie ja schon im Gang. Aber meist in Foren, in die sich die besorgten und in Panik geratenen Bรผrger nie verirren โ€“ etwa bei der Bรผrgerinitiative โ€žPulse of Europeโ€œ oder in Ulrike Guรฉrots โ€žEuropean Balcony Projectsโ€œ.

Am Samstag, 10. November, um 16 Uhr, ruft jetzt ein Chor aus Chemnitzer Bรผrgern am Karl-Marx-Kopf zeitgleich mit Chรถren und Ensembles aus ganz Europa die Europรคische Republik aus. Unterstรผtzt, kritisiert und ergรคnzt werden die Visionen der Chemnitzer vom wiedererwachten Karl Marx.

โ€žEuropa ist eine Idee, die von fast allen Menschen in Europa geteilt wird, wรคhrend die EU als Konzept immer mehr Widerstand auslรถst. Wir wollen wieder mehr Europa in die EU. Dafรผr mรผssen wir รผber Strukturen reden, auch wenn das so sexy wie eine Bananenkiste istโ€œ, erklรคrt dazu Laura Linnenbaum, kรผnstlerische Leiterin des Projektes.

Denn: Die Ereignisse in Chemnitz sind kein rein Chemnitzer Problem, sondern symptomatisch fรผr europaweite und globale Tendenzen. Die Antworten darauf mรผssen kommunal diskutiert und international verhandelt werden. Chemnitzer Bรผrger wollen daher ein Zeichen setzen.

โ€ž,Was kรถnnen wir aus Chemnitz fรผr Europa lernen?โ€˜, das muss unsere Fragestellung werdenโ€œ, findet Franz Knoppe, Projektleiter des Festivals โ€žAufstand der Geschichtenโ€œ, in dessen Rahmen diese kรผnstlerische Interventionsdemonstration stattfindet.

Grundlage der Chemnitzer Verkรผndung ist das 2018 von Chemnitzern verfasste und fรผr die Ausrufung erneut diskutierte โ€žChemnitzer Manifest fรผr die Zukunft Europasโ€œ (TU Chemnitz) sowie die โ€žVerkรผndung der Europรคischen Republikโ€œ des European Balcony Projects der Politikwissenschaftlerin Ulrike Guรฉrot, des Schriftsteller Robert Menasse und des Theatermachers Milo Rau. Die Ausrufung findet im Rahmen des European Balcony Projects statt.

Im Anschluss kommen Teilnehmer und Publikum im Europa-Cafรฉ miteinander ins Gesprรคch: Wie kรถnnen Bรผrger ihre Visionen von Europa einbringen? Was macht gelungene Bรผrgerbeteiligung aus, welche Form kann sie annehmen, welche Prozesse und Inhalte beeinflussen? Und kann die Vision Europa Freude an Utopie, Experiment und Dialog in der Zivilgesellschaft wecken?

Treffpunkt ist am Samstag, 10. November, um 16 Uhr am Karl-Marx-Monument Chemnitz. Fรผr die Performance sind 30 Minuten kalkuliert. AnschlieรŸend geht es zu den Gesprรคchsrunden ins Europa-Cafรฉ im Gebรคude hinter dem Karl-Marx-Monument.

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