Eigentlich sollte es am Dienstag, 26. Juni, so weit sein. Die Stiftung Friedliche Revolution wurde vom Stadtrat der Stadt Leipzig beauftragt, einen Verfahrensvorschlag zur Bรผrgerbeteiligung fรผr das geplante Freiheits- und Einheitsdenkmal in Leipzig zu erarbeiten. Dieser Vorschlag sollte am Dienstag, 26. Juni, im Rahmen einer Pressekonferenz vorgestellt werden. Aber am Montag gabโ€™s das Stopp-Zeichen.

Da tagte zum ersten Mal wieder das Begleitgremium zum Wettbewerb fรผr das Leipziger Freiheits- und Einheitsdenkmal. Das Gremium kennt man noch aus den alten Zeiten. Es begleitete auch den ersten Wettbewerb โ€“ von der ersten Euphorie durch die Stรผrme der Kritik bis zum Scheitern. Bis zu jenem Stadtratsbeschluss im Jahr 2014, der den ersten Denkmalswettbewerb fรผr beendet erklรคrte.

Gleichzeitig beschloss der Stadtrat, dass es einen weiteren Wettbewerb geben sollte.

Aber diesmal wollte sich die Stadt dabei zurรผckhalten. โ€žDie Stadt Leipzig hat auch aus den Vorgรคngen von 2014 gelerntโ€œ, sagt Kulturbรผrgermeisterin Skadi Jennicke. Damals gab es ein sehr formales Verfahren, in dem eine Bรผrgerbeteiligung รผberhaupt nicht zugelassen war. Unverbindliche Beteiligungsformen gab es ein paar: eine unverbindliche Befragung zum Standort, kleine Workshops, bei denen ausgewรคhlte Teilnehmer irgendwelche Ideen einbringen konnten. Aber die Weichen wurden abseits der ร–ffentlichkeit gestellt.

Die wichtigste wurde im Sachverstรคndigenforum โ€žKunst am Bau und im รถffentlichen Raumโ€œ gestellt, das aus seiner Machtvollkommenheit (sind ja alles Kunstexperten) definierte: โ€žDa auch die kรผnstlerische Umsetzung in die Gegenwart und Zukunft weisen soll, ist der Entwurf im Sinne eines zeitgenรถssischen Formenvokabulars umzusetzen. Historisierende Mittel sind nur zulรคssig, wenn konzeptuell รผberzeugende Grรผnde dies nahelegen und der Gegenwartsbezug der Konzeption klar erkennbar ist. Rein illustrative oder dokumentarische Formensprachen sind nicht gewรผnscht, es gilt das ganze Repertoire zeitgenรถssischer Ausdrucksmรถglichkeiten einschlieรŸlich aller Medien, materiell wie immateriell. Das Denkmal kann sowohl permanente wie auch temporรคre Prรคsenz und Aufmerksamkeit erzielen.โ€œ

Und dieser Unfug von den unerwรผnschten โ€žrein illustrativen oder dokumentarischen Formensprachenโ€œ fand dann auch in die Ausschreibung Eingang. Das Ergebnis war ein Wettbewerb, in dem die Kรผnstler sich regelrecht verrenken mussten, um รผberhaupt noch irgendwie eine kรผnstlerische Idee umzusetzen, die nichts illustrierte, aber gleich noch einen ganzen vรถllig ungeeigneten Platz neu definieren sollte.

Die Liste der Fehler ist lang.

Und zu viele Kรถche in Positionen, wo sie einfach ihre Genialitรคt glaubten ausleben zu mรผssen, pfuschten dann krรคftig mit und sorgten in der zweiten Wettbewerbsrunde fรผr ein Debakel, das den Fall auch zum Gerichtsfall machte. Die Wettbewerbssieger fรผhlten sich zu Recht ausgebootet.

Die Linksfraktion hatte zwar immer wieder eine Bรผrgerbefragung beantragt und war damit im Stadtrat mehrmals gescheitert. Aber das war nicht der Hautgrund fรผr das Scheitern. Der Hauptgrund war das selbstherrliche Expertentum, das bis zuletzt glaubte, den Leipzigern ein Denkmal machen zu mรผssen. Und als das zu scheitern drohte, pfuschte man einfach mal in der Bewertung herum, um dann den drittplatzierten Entwurf noch zum Sieger zu erklรคren, weil die eine groรŸe Tageszeitung dafรผr schon seit Monaten getrommelt hatte.

Deutschland, einig Mรคrchenland.

Ein Vorgang, den Skadi Jennicke als Kulturbรผrgermeisterin so nicht selbst erleben will. 2017 stimmte der Stadtrat der Vorlage zu, einen unabhรคngigen Partner damit zu beauftragen, einen Verfahrensvorschlag zu machen, wie Leipzig wirklich noch zu einem guten Denkmal kommen kรถnnte. Oberbรผrgermeister Burkhard Jung hatte die 2009 gegrรผndete Stiftung Friedliche Revolution ins Spiel gebracht. Die bekam dann auch den Zuschlag und hatte, wie Stiftungsvorstand Michael Kรถlsch am Dienstag berichtete, den Verfahrensvorschlag am Montag sogar schon fertig.

Aber dann trat das berรผhmte Begleitgremium aus dem ersten Wettbewerb nach vier Jahren erstmals wieder zusammen, diskutierte den Vorschlag und hatte wohl einige gewichtige ร„nderungswรผnsche.

Ergebnis: Am Dienstag wurde bei der Pressekonferenz noch kein Verfahrensvorschlag vorgestellt

Audio-Player

Die Pressekonferenz vom 26. Juni 2018 in voller Lรคnge. Quelle: L-IZ.de

โ€žDas wollen wir jetzt nach der Sommerzeit nachholenโ€œ, sagte Kรถlsch zum Pressetermin am Dienstagmorgen im Ernst-Lewek-Saal der Nikolaikirchgemeinde. โ€žSorry, Sommerferien.โ€œ

Und fรผr ihn bestand der grรถรŸte Fehler des ersten Wettbewerbs in der fehlenden Bรผrgerbeteiligung. Ein Thema, mit dem sich auch die erste reprรคsentative Befragung beschรคftigte, die die Stiftung am Dienstag dann wenigstens vorstellte. Sie bestรคtigt, dass die Leipziger geradezu erwarten, in den Prozess zur Denkmalsfindung wirklich einbezogen zu werden.

Aber anders als beim ersten Wettbewerb, den OBM Burkhard Jung von Anfang an mit Zeitdruck untersetzte (der dritte Fehler), weil er unbedingt zum 25. Jahrestag der Friedlichen Revolution 2014 den Grundstein legen wollte, will sich die Stiftung nicht drรคngen lassen. โ€žWir stehen nicht unter Zeitdruckโ€œ, sagt Kรถlsch. Und in drei zentralen Fragen sieht er die Bรผrger schon jetzt direkt gefragt: beim Standort, bei der inhaltlichen Aussage (Was soll das Denkmal?) und bei der kรผnstlerischen Form.

Auch vom 30-jรคhrigen Jubilรคum 2019 will man sich nicht drรคngen lassen. โ€žIch wรผrde mich schon freuen, wenn wir bis dahin ein gut laufendes Verfahren stehen habenโ€œ, sagt er. Denn das zeigte die Befragung ja noch einmal deutlich: Ein solches Denkmalsprojekt wird erst akzeptiert, wenn es transparent ablรคuft und die Bรผrger auch wirklich gefragt werden und nicht nur so alibimรครŸig wie im ersten Wettbewerb. Dann kann irgendwann nรคmlich wirklich eine Vision entstehen, wie sich Leipzig ein solches Denkmal vorstellen kann.

Es kann auch scheitern. Wichtig sei das Wettbewerbsverfahren, betont Kรถlsch. Denn das sei der Prozess, in dem die Leipziger selbst klรคren kรถnnen, wie sie รผberhaupt zu so einem Denkmal stehen.

Und wenn โ€“ wie am Montagabend โ€“ auch die Bereitschaft zum Korrigieren und Nacharbeiten da ist โ€“ kรถnnte es beim zweiten Anlauf gelingen. Nach den Sommerferien wird der Verfahrensvorschlag nun vorgestellt. Und wenn ihn der Stadtrat abgenickt hat, kann die Sache ins Rollen kommen.

Der Selbstbetrug zum Leipziger Freiheitsdenkmal geht weiter

Der Selbstbetrug zum Leipziger Freiheitsdenkmal geht weiter

Empfohlen auf LZ

So kรถnnen Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstรผtzen:

Ralf Julke รผber einen freien Fรถrderbetrag senden.
oder

Es gibt 2 Kommentare

ZeitgemรครŸer empfรคnde ich die Ehrung des โ€œUnbekannten Bodenspekulantenโ€! Oder des โ€œDemokratisch Nicht Legitimierten Gremiumsโ€!

Es gibt vor diesen โ€œ3 zentralen Fragenโ€ noch eine 0. Frage: Will die Mehrheit der Bevรถlkerung รผberhaupt ein Denkmal, das an die โ€œEinheit und Freiheitโ€ (die wir wohl mal hatten!?) erinnern soll?

Schreiben Sie einen Kommentar