Der Vorstoß passte schon wie die Faust aufs Auge, passend in eine Zeit, in der die Klimapolitik der Bundesregierung in die Kritik gerät und sich immer mehr Menschen eine Energieversorgung ohne Kohleruß und Millionen-Tonnen CO2 wünschen. 2.200 Menschen unterzeichneten deshalb eine Petition „Leipzig kohlefrei“, schickten sie an den Stadtrat. Und der Oberbürgermeister reagierte jetzt. Motto: So schnell schafft das Leipzig nicht.
Das Problem: Selbst wenn sie wollten, könnten die Stadtwerke Leipzig 2018 den Bezug von Kohlestrom nicht beenden.
„Eine grundsätzliche Umstellung der durch die Stadtwerke Leipzig abgegebenen Strommengen im Sinne eines vollständigen Ausschlusses von Kohlestrom gemäß Beschlussvorschlag 2 ab 2018 ist im Hinblick auf die damit verbundenen Kosten nicht vertretbar, da diese im Ergebnis über 200.000 Stromkunden (Privatkunden, Industrie und Gewerbetreibende) in einem sehr wettbewerbsintensiven Markt zusätzlich belasten würden und infolgedessen mit negativen Effekten auf das Geschäftsfeld der Stadtwerke verbunden wären“, schreibt der OBM in seiner Ablehnung.
„In der energiepolitischen Debatte zur Dekarbonisierung der Stromerzeugung stellt sich immer wieder die Frage nach dem heutigen und zukünftigen Strommix der Stadtwerke: im Mittel der Jahre 2015 und 2016 beträgt der Anteil der in der Stadtwerke-Gruppe auf Basis Erneuerbarer Energien erzeugten Strommenge etwa 75 % der an Privat- und Gewerbekunden verkauften Strommenge im heutigen Konzessionsgebiet. Berücksichtigt man zudem die besonders energieeffiziente Stromerzeugung durch die Gas- und Dampfturbinenanlage, wird rechnerisch eine vollständige Abdeckung des gesamten Stromabsatzes im Konzessionsgebiet der Leipziger Stadtwerke durch umweltfreundlich erzeugten Strom erreicht. Der weitere Ausbau der Stromerzeugung auf Basis Erneuerbarer Energien ist Teil der Stadtwerke-Unternehmensstrategie. Untermauert wird dies auch durch Investitionen in Windkraftwerke in 2016.“
Und dann wird es ökonomisch. Denn ihren Ökostrom verkaufen die Stadtwerke erst einmal.
„Tatsächlich verkaufen die Stadtwerke den Strom, den sie selbst oder ihre Windpark-Beteiligungen erzeugen, in der Regel am Großhandelsmarkt. Im Gegenzug wird der an Kunden gelieferte Strom an Großhandelsmärkten, u. a. an der Leipziger Energiebörse, eingekauft“, teilt der OBM den Petenten mit. „Daher müssen die Stadtwerke gemäß der gesetzlichen Kennzeichnungspflicht den Anteil des aus Kohle erzeugten Stroms an der Gesamtstromlieferung im Jahr 2015 mit 28 % ausweisen (siehe Anlage). Dieser Wert liegt deutlich unter dem bundesdeutschen Durchschnitt von 44 % und berücksichtigt nicht die durch die Stadtwerke physisch erzeugte Strommenge.
Natürlich ist energiewirtschaftlich der Einkauf zusätzlicher Mengen zertifizierten Ökostroms möglich. Beispielsweise wird der Strombedarf für den Betrieb der Leipziger Straßenbahn seit dem 01.01.2018 zu 100 % aus CO2-freien Erneuerbaren Energien gedeckt. Grundsätzlich reagieren die Stadtwerke hier bedarfsorientiert, d. h. auf eine entsprechende Nachfrage von Kunden. Das bedeutet, das Ökostrom-Angebot der Stadtwerke kann kurzfristig auf Kundenwunsch deutlich ausgeweitet werden.
Grundsätzlich ist es laufendes Geschäft der Stadtwerke, in Abhängigkeit von technischen und marktseitigen Entwicklungen, das Produktportfolio unter Berücksichtigung des energiepolitischen Zieldreiecks aus Klimaschutz, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit einer kontinuierlichen Überprüfung zu unterziehen.“
Was ja auch schon eine Nachricht ist: Wer in Leipzig mit der Straßenbahn fährt, fährt mit Öko-Strom. Warum klebt das nicht als Hinweis an den Straßenbahnen? Warum wirbt das städtische Unternehmen nicht damit?
Aber die Petition beschäftigte sich nicht nur mit dem Strombezug der Leipziger Stadtwerke, sondern auch mit den Wärmelieferungen aus dem Kohlekraftwerk Lippendorf.
Punkt 3 der Petition lautete: „Beschließen Sie ein zukunftsfähiges Wärmekonzept! 2030 enden die Lieferverträge mit dem Braunkohlekraftwerk Lippendorf. Das ist der richtige Zeitpunkt, um in Leipzig auf 100 % Wärme ohne Kohle umzusteigen.“
Worauf der OBM lakonisch antwortet: „Beschlussvorschlag 3 ist unter ausdrücklichem Bezug auf den Beschluss der Ratsversammlung vom 18.10.2017 ‚Konsequentes Eintreten für den Klimaschutz – Auch bei der Fernwärme!‘ zum Antrag VI-A-04105-NF-02 sowie auf den dazu ergangenen Verwaltungsstandpunkt, in der vorliegenden Fassung der Petition ebenfalls abzulehnen. Beide Dokumente sich öffentlich über ‚leipzig.de‘ einsehbar. Der Ratsbeschluss könnte dagegen durchaus als Alternativvorschlag zu BPkt. 3 der Petition seitens des Petitionsausschusses aufgegriffen werden.“
Dahinter steht nämlich der Grünen-Antrag, die Fernwärmelieferungen aus Lippendorf zu beenden. Was frühestens 2023 beim Auslaufen des jetzigen Liefervertrages möglich ist, danach erst wieder 2030 – falls Leipzig eine Verlängerung des Liefervertrages eingeht. Beide Varianten will OBM Burkhard Jung prüfen lassen und dem Stadtrat im Sommer das Ergebnis vorstellen. Aber eigentlich wurde mit der Annahme des Stadtratsbeschlusses tatsächlich schon ein Endtermin festgelegt: 2030. Länger wird Leipzig sich nicht mit Fernwärme aus Lippendorf beliefern lassen.
Die Frage ist nur: Haben die Leipziger Stadtwerke schon 2023 die nötigen eigenen Strukturen mit kleinen Stadtteil-Blockheizkraftwerken oder ist der Termin zu früh gesetzt?
Das werden wir im Sommer erfahren.
Man sieht: Einiges, was die Petition fordert, ist schon im Fluss. Die Energiewende in Leipzig kommt. Die Ablehnung ist also nur bedingt eine Ablehnung.
Der Strommix der Stadtwerke Leipzig.
Warum so eilig oder Wie wird man wieder Herr seiner Zeit? – Die neue LZ Nr. 52 ist da
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