Anfang November trafen sich Sachsens Umweltschützer zu einem Insekten-Workshop. Da ging es auch um die jüngsten Nachrichten um das Forschungsergebnis der Krefelder Wissenschaftler, die über 27 Jahre an 63 Standorten einen massiven Rückgang der Insektenmasse flugaktiver Insekten nachgewiesen hatten. Natürlich hat das Gründe. Aber in der Arbeit des sächsischen Umweltministers spielt das keine Rolle. Anlass für einen dicken Offenen Brief.

Die Teilnehmer des „Insekten Sachsen“-Workshops Anfang November 2017 in Dresden haben nach intensiver Diskussion über den Rückgang der Insekten in Sachsen beschlossen, sich mit einem Offenen Brief an die sächsische Öffentlichkeit zu wenden. In diesem Offenen Brief wenden sich insgesamt über 100, teilweise sehr renommierte sächsische Forscher, Wissenschaftler und ehrenamtliche Naturschützer gemeinsam mit dem NABU Sachsen an den Umweltminister Thomas Schmidt, das für den Naturschutz zuständige Umweltministerium und die Mitglieder des Sächsischen Landtags. Der NABU Sachsen trägt diese Initiative in allen Punkten mit, teilt dieser nun mit.

„Zugrunde liegende Überzeugung der Unterzeichner und des NABU Sachsen ist, dass unser traditionelles Bemühen um den Erhalt der Biologischen Vielfalt nicht ausreicht, diese nachhaltig zu bewahren. Deshalb wollen wir für einige der bekannten Ursachen Handlungsoptionen aufzeigen, die unterschiedliche Akteure in unserer Gesellschaft umsetzen können.“

Eindringlich appellieren die Autoren und Unterzeichner, darunter der Vorsitzende des NABU-Fachausschusses Entomologie und wissenschaftlicher Leiter der Naturhistorischen Sammlungen im Senckenberg-Museum in Dresden, an die politisch Verantwortlichen im Land, diese Verantwortung wahrzunehmen. Denn, so die Überzeugung der Unterzeichner, „es [ist] möglich, etwas gegen den Rückgang der Insekten zu unternehmen“.

Aber der Brief ist so ausführlich, dass der zuständige Umweltminister gar nicht übersehen kann, dass hier seine eigene Arbeit gemeint ist. Denn dafür, dass Sachsen ein Pestizidproblem hat, dass Lebensräume verschwinden, dass die Gewässer mit Nährstoffen überdüngt sind, dass Raine und Wegränder verschwunden sind, Tothölzer und Blumenwiesen fast verschwunden sind und künstliche und monotone Landschaften für Insekten völlig sinnlos sind, wurde das sächsische Umweltministerium oft genug kritisiert. Doch es ändert sich nichts.

Und nicht nur auf Regierungsebene tut man sich schwer, die alte Landwirtschaftspolitik zu verlassen und tatsächlich eine Politik für lebendige Lebensräume, Artenschutz und Biodiversität aufzulegen. Auch auf kommunaler Ebene geht „Wirtschaft“ praktisch immer vor Umwelt.

Im Brief heißt es dazu: „Behörden – nutzen Sie Ihre vorhandenen Handlungsspielräume, in unserer Umwelt die Vielfalt heimischer Arten zu fördern und ihre Lebensräume zu sichern. Wanderwege, an denen es blüht und die von Hecken gesäumt sind, erhöhen den Erlebniswert der Landschaft und bieten viele ökologische Funktionen.“

Ohne Politik geht es nicht, heißt es im Brief. Und auch nicht ohne Umdenken.

„Milliarden Steuergelder werden allein für die Subventionierung der Landwirtschaft in Deutschland ausgegeben: Trotzdem geht das Höfesterben und der Ausverkauf der landwirtschaftlichen Flächen weiter, gelangen Pestizide, Nitrat und Nitrit in Grund- und Oberflächenwasser und die Agrarlandschaften werden zu einem weißen Fleck auf der Landkarte der Artenvielfalt.“

Der Handlungsdruck ist hoch, denn der Klimawandel bringt die sowieso schon gestressten Ökosysteme zusätzlich unter Druck.

Der Appell an Staatsminister Thomas Schmidt, die Abgeordneten im Ausschuss für Umwelt und Landwirtschaft im Sächsischen Landtag und die Bürgerinnen und Bürger im Freistaat Sachsen: „Das Insektensterben geht uns alle an und kann nur durch das Engagement von vielen Akteuren in unserer Gesellschaft eingedämmt und hoffentlich rückgängig gemacht werden. Packen wir es an!“

Das wäre mal ein Bild: ein sächsischer Umweltminister, der tatsächlich die Ärmel hochkrempelt und die sächsische Umweltpolitik auch einmal grundlegend umwelterhaltend definiert.

Der Offene Brief.

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