Das Schräge an der Bundestagswahl war ja, dass sie sich thematisch vor allem mit Vergangenheit und Verweigerung beschäftigt hat. Der ganze fette Protest in Blau war ein Protest gegen Veränderungen. Der natürlich deshalb so blubbern konnte, weil es in Regierungsverantwortung niemanden gab, der die notwendigen Veränderungen kommuniziert hat. Das müssen nun wieder all jene machen, die sich ehrenamtlich für Zukunftskonzepte engagieren. So wie bei einer Konferenz, die am Freitag in Leipzig beginnt.
Die Konferenz findet unter dem Titel „Selbstbestimmt & Solidarisch! Konferenz zu Migration, Entwicklung und ökologischer Krise“ vom 6. bis 8. Oktober in Leipzig statt. Sie vereint nicht nur einige der emsigsten Initiativen, die sich mit den Zukunftsthemen unseres Landes und des ganzen Kontinents beschäftigen. Sie verknüpft auch die Diskussionen um Migration, Entwicklung und ökologische Krise.
Denn Sowas kommt immer von Sowas. Alles, was den braven Bürger beunruhigt, hat Ursachen. Nicht nur Auslöser, sondern tiefliegende Ursachen, die allesamt mit unserer Art zu Leben, zu Konsumieren und zu Wirtschaften zu tun haben.
Das ist das Thema, das man daheim auf den Sofas nicht so gern wahrnehmen möchte: Dass es unser Lebensstil ist, der die Welt in viele Krisen auf einmal gestürzt hat. Es ist unsere Gier, unser unhinterfragtes Wachstumsdenken, das die Ressourcen unseres Planeten zerstört und den Menschen in den Staaten der abgehängten Welt (aber auch in den Banlieues europäischer Städte) die Zukunftschancen raubt und über kurz oder lang dafür sorgen wird, dass noch viel mehr Menschen aus blanker Not ihre Heimat verlassen müssen.
Deswegen wird die Leipziger Konferenz auch gemeinsam mit Geflüchteten organisiert. Sie bringt AktivistInnen aus unterschiedlichen Bewegungen zusammen. Deren Arbeitsspektrum reicht von Bewegungsfreiheit, Antirassismus, Landwirtschaft, Degrowth bis hin zur Klimagerechtigkeit. Sie bietet Raum für Diskussionen, Workshops und Austausch für 350 Teilnehmende. Wenn das reicht. Denn das Interesse für diese Konferenz war so groß, dass die Anmeldungen diese Teilnehmerzahl schon weit überstiegen.
Und sie soll vor allem eines zeigen:
Die Themen Migration, Entwicklung und ökologische Krisen sind eng miteinander verwoben.
Die politischen Diskussionen hierzu sind es aber bislang nicht. Das soll diese Konferenz ändern. Sie hinterfragt die gängige Argumentation, wonach die richtige Strategie darin besteht, mit Hilfe von Privatinvestitionen Wachstumsimpulse zu setzen und so Arbeitsplätze zu schaffen – um auf diese Weise langfristig die Zahl neu ankommender Geflüchteter zu reduzieren. Thematisiert wird, inwiefern das Wachstums- und Wohlstandsmodell der früh industrialisierten Länder des globalen Nordens globaler Gerechtigkeit und selbstbestimmter Entwicklung im globalen Süden entgegensteht – nicht zuletzt angesichts von extremer Ungleichheit und ökologischer Zerstörung.
Es geht um echte, solidarische Strategien und Fragen wie: Wie kann dagegen eine tatsächliche selbstbestimmte Entwicklung in den Ländern des globalen Südens aussehen? Welche Rolle spielt Bewegungsfreiheit hierfür? Wo liegen die Ursachen ökologischer und sozialer Krisen – und wie sehen Alternativen aus?
Die Konferenz steht unter dem Titel „Selbstbestimmt und solidarisch“.
„Einerseits, um der Haltung zu widersprechen, die Entwicklung nur als Kopie des westlichen Modernisierungspfads begreift“, betonen die Organisatoren der Konferenz, deren Schwerpunkt im Westbad in Lindenau sein wird. „Andererseits, um deutlich zu machen, dass globale Solidarität Voraussetzung für in der Gemeinschaft verankerte und an den wirklichen Interessen der Menschen orientierte Entwicklungsprozesse ist.“
Es überrascht nicht, dass auch Claus Leggewie in seiner Analyse zum aktuellen Zustand Europas zu der Erkenntnis kam, dass ein Europa der Zukunft solidarische Modelle des Miteinander finden muss, sonst wird es das Vertrauen der Europäer verlieren. Denn dass die Autoritären derzeit überall triumphieren, hat genau hier seine Ursachen, in einer aktuellen Politik, in der nationale Egoismen und Marktegoismen dominieren und der solidarische Kerngedanke der europäischen Gemeinschaft völlig auf der Strecke bleibt.
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