Es rumpelt im Gehölz der Leipziger Umweltvereine. Der NuKLA e.V. hat alles durcheinandergebracht. Der NABU hat NUKLA ganz offiziell die Freundschaft gekündigt, obwohl man seit fünf Jahren gemeinsam das Projekt "AULA-Projekt2030-Das Auenband entlang der Weißen Elster" betrieben hat. Nicht vorangetrieben. Dazu ist man zu oft an Ämtern und Behörden abgeprallt. Auch und gerade den Leipzigern.

Am Beispiel des Leipziger Auenwaldes haben wir das Problem ja schon skizziert. Aber wer nur das Leipziger Auensystem betrachtet, sieht das eigentliche Problem nicht. Wer es sehen will, kann sich zum Beispiel ans Palmgartenwehr stellen und zuschauen, was sich da an manchen Tagen auf dem Wasser schäumend zeigt. Die Weiße Elster hat ein Problem. Nicht nur eines. Aber für dieses eine Problem können die Bundesländer Thüringen und Sachsen von der EU abgestraft werden.

Denn die Weiße Elster erfüllt nicht die Bedingungen der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL). Sie ist hochgradig chemisch belastet, der ökologische Zustand ist miserabel. Und das hat nicht mehr – wie in DDR-Zeiten – mit einer dreckigen Industrie zu tun, die ihre Abwässer in die Flüsse leitete. Dazu haben die Unternehmen längst zu gute Kläranlagen. Auch die Kommunen haben richtig Geld in moderne Kläranlagen gesteckt. Trotzdem fließt nach wie vor allerlei von Menschen gemachter Schmutz in die Flüsse – allem voran die Überdüngungen und die Herbizidmengen aus der Landwirtschaft.

Dass Sachsen nicht gewillt ist, wenigstens in der Landwirtschaft wirksame Kontrollen einzuführen, darüber haben wir ja berichtet.

Aber es geht noch um mehr. Denn auch vor der Industrialisierung flossen riesige Mengen anthropogen erzeugter Belastungen in die Flüsse. Und trotzdem war ihr ökologischer Zustand besser.

Was einen Grund hat. Im Biologieunterricht lernen es die meisten nicht. Deswegen können sich die meisten Menschen auch nicht mehr vorstellen, wie ökologische Kreisläufe funktionieren und wie natürliche Systeme sich selbst regulieren und regenerieren. Und sogar reinigen.

Flüsse reinigen sich in der Regel selbst. Aber das können sie nur, wenn sie ihre Schadlast ablagern können. Dazu müssen sie stellenweise langsamer fließen, Mänder schlagen, Sandbänke bilden und breite Schilfgürtel bilden können. Wer sich schon einmal mit biologischer Klärung auf dem eigenen Grundstück beschäftigt hat, weiß, wie Schilf und Binsen als „Klärwerk“ funktionieren.

Die großen Flussauen, in denen die Flüsse mäandern können, bilden also nicht nur ein riesiges Aufnahmegelände im Hochwasserfall. Auch das ein Thema, bei dem die sächsische Regierung abblockt und eine Änderung ihrer Hochwasserstrategie vertagt auf Sankt Nimmerlein. Denn wenn man auf hohe, enge Deichsysteme setzt, sorgt man dafür, dass Flüsse kanalisiert fließen, immer schneller fließen und eben nicht mehr mäandern und ihre Schadlast loswerden können.

Von der Bildung artenreicher Auenbiotope ganz zu schweigen. Denn wenn die Flüsse ihre biologische Last ablagern, entsteht genau das, was erst zur Bildung einer reichen Lehmaue wie in Leipzig führt: fetter, fruchtbarer Boden.

Wenn Vereine wie NuKLA um die Revitalisierung der Elsterauen kämpfen, dann kämpfen sie um genau diese wieder funktionierenden und sich selbst reinigenden Flusssysteme. Deswegen war Wolfgang Stoiber, Vorsitzender des NuKLA, vor fünf Jahren so erschrocken, mit welcher Rigidität gerade die Stadt Leipzig und ihre Ämter jeden Versuch abblockten, das Leipziger Auensystem genau unter diesem Gesichtspunkt zu betrachten und sich gegen die Idee, das Auensystem unter UNESCO-Schutz zu stellen bis 2030, vehement ablehnten.

„Unser Ansatz ist die Idee eines Großen Naturschutzprojektes für die Auengebiete von Zeitz bis Halle/Saale mit dem einzigartigen urbanen Leipziger Auwald und einem renaturierten Leipziger Gewässerknoten als Kern. Wir wollen erreichen, dass unsere Bemühungen zum Schutz dieser wertvollen, von hoher Biodiversität geprägten Lebensräume breiten Rückhalt finden in Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Vereinen und bei den Bürgern“, beschreibt NuKLA den Sinn des Projekts.

Den Rückhalt gibt es bis heute nicht. Leipzigs Ämter mauern. Und es existiert nicht mal ein zaghafter Ansatz, im Fall der Weißen Elster wirklich mit anderen Kommunen zu kooperieren und die Revitalisierung der Weißen Elster von Thüringen bis zur Mündung in die Saale voranzubringen. Was garantiert nicht an Kooperationspartnern scheitern würde. Aber es scheitert an Leipziger Tümpeldenken.

Obwohl man auch im zuständigen Amt für Stadtgrün und Gewässer um die miserable Gewässergüte der Leipziger Flüsse weiß. Denn nicht nur die Weiße Elster leidet. Parthe und Pleiße geht es nicht die Spur besser. Die Parthe kommt in Leipzig über die schlechteste Gewässergüte (Note 5) nicht hinaus. Und das, obwohl sie sogar in weiten Teilen recht naturnah mäandern kann. Außer in Leipzig, wo sie sogar in ein Steinkorsett gezwungen wurde. Aber die Stoffeinträge gerade aus der Landwirtschaft sind so hoch, dass das Flüsschen ökologisch praktisch tot ist.

Die Pleiße kommt nicht besser weg. Sie hat noch zusätzlich unter den Ausschwemmungen des Bergbaus zu leiden und wird von den Verwaltern des Flusssystems auch noch wie ein Kanal behandelt und ausgebaggert, was dann „Störstellenbeseitigung“ genannt wird. Störstellen sind aber genau jene Sandbänke und Untiefen, die Flüsse schaffen, wo sie ihre mitgebrachten Schwemmfrachten ablagern. Die aber auch beliebte Brutorte zum Beispiel für diverse Libellenarten sind.

Deswegen ist NuKLA zutiefst der Überzeugung, dass auch die Pleiße wieder einen natürlichen Flussverlauf bekommen muss. Alle drei Leipziger Flüsse gehören zu den 59 Prozent sächsischer Fließgewässer, die ökologisch in einem schlechten Zustand sind.

Aus einer Antwort des sächsischen Landwirtschaftsministers an den Grünen-Abgeordneten Wolfram Günther zitiert: „Von den 481 NWB sind vier Prozent im guten ökologischen Zustand, 37 Prozent im mäßigen ökologischen Zustand, 26 Prozent im unbefriedigenden ökologischen Zustand und 33 Prozent im schlechten ökologischen Zustand.“

NWB sind natürliche Wasserkörper, zu denen dann auch die Fließgewässer gehören.

Mäander der Weißen Elster im Leipziger Nordwesten. Foto: Ralf Julke
Mäander der Weißen Elster im Leipziger Nordwesten. Foto: Ralf Julke

Aber jetzt geht es um die Weiße Elster, deren ökologischer Zustand genauso schlecht ist. Und deren Auen ebenfalls in einem ökologisch miserablen Zustand sind.

Aber genau das spielt in den Planungen der Stadt für Aue und Gewässersystem keine Rolle. Mit einem Klein-Projekt wie dem Projekt „Lebendige Luppe“ versucht man ein Problem zu lösen, das man nur mit der möglichst umfassenden Regenerierung des gesamten Flusssystems in den Griff bekommt. Man ist regelrecht gezwungen, nicht nur flussabwärts über den eigenen Tellerrand zu schauen, sondern auch flussaufwärts.

Und weil Leipzigs Behörden mauern und augenscheinlich mit stillem Druck auch dafür sorgen, dass die ansässigen Umweltvereine zu diesem Störenfried NuKLA auf Distanz gehen, setzt NuKLA jetzt erst recht auf die Karte einer gesamtheitlichen Betrachtung. Denn nur wenn alle Flussanrainer gemeinsam Strategien entwickeln, wie der Fluss wieder weitgehend gesundet werden kann, gewinnen die Flüsse auch ihre Selbstreinigungskraft zurück, ihre biologische Vielfalt und ihre lebendigen Auen sowieso.

Was die Leipziger heute erleben können, ist eine ausgetrocknete und bedrohte Aue.

Man kann es gar nicht oft genug wiederholen.

Aber wer soll das Wissen in die Welt tragen, wenn eine Stadt wie Leipzig derart verbiestert die Mauern hochzieht?

„Vor fünf Jahren wurde durch NuKLA und den NABU RV Leipzig das ‚AULA-Projekt2030 –Das Auenband entlang der Weißen Elster‘ ins Leben gerufen“, meldet nun am Montag, 25. September, der NuKLA e.V. „In Überzeugung der großen Wichtigkeit eines solchen länderübergreifenden Auenrevitalisierungs- und Schutzprojektes in und für Mitteldeutschland setzt NuKLA sein Engagement fort und gründet mit Datum 24.09.2017 das NuKLA – Sächsische Aueninstitut für Mitteldeutschland S.A.M., um seine Arbeit noch intensiver fortführen zu können. Das Institut steht allen Interessierten und Fachleuten offen und heißt alle willkommen, ebenfalls von der für uns Menschen lebenswichtigen Intaktheit lebendiger Auenökosysteme überzeugten Wissenschaftler und BürgerInnen, die sich sachdienlich einbringen und mit uns zusammenarbeiten möchten. Wir freuen uns auf konstruktive Gespräche und jedwede Art Unterstützung, Interesse und Wohlwollen für die grüne Lunge und die Lebensadern in Mitteldeutschland und darüber hinaus!“

Die LEIPZIGER ZEITUNG ist da: Seit 15. September überall zu kaufen, wo es gute Zeitungen gibt

Ein Blitzlicht in einen drögen Wahlkampf, in dem alle ungelösten Probleme unter den Tisch gelächelt werden

 

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar