Manche Hausbesitzer in Leipzig wollen es nicht begreifen. Sie gehen mit der lebenden Umwelt rücksichtslos um und zeigen auch keinen Respekt vor der geschützten Tierwelt. Wie der NABU Leipzig jüngst wieder erleben musste. Tatort: ein Haus in der Angerstraße in Lindenau. Tatmittel: Bauschaum.

Natürlich wird in Leipzig gebaut und saniert. Aber manch ein Gebäudeeigentümer zeigt dabei, dass er von den Regeln des Naturschutzes keine Ahnung hat – oder dass er sich mutwillig darüber hinwegsetzt. Zum Teil werden massive Verstöße gegen den gesetzlichen Tier- und Artenschutz toleriert.

Dabei spielen sich teilweise dramatische Szenen ab, meldet der BUND Leipzig. So wurde vor wenigen Tagen die Wildvogelhilfe des NABU Leipzig zu einer Baustelle in der Angerstraße gerufen. Mieter hatten festgestellt, dass Mauersegler und Haussperlinge aufgeregt herumflogen und nicht mehr zu ihren Nestern konnten. Irgendwann hatten die Altvögel ihre Versuche dann aufgegeben. Die Mieter benachrichtigten die Wildvogelhilfe des NABU Leipzig, die feststellen konnte, dass Fugen mit Bauschaum verklebt wurden, hinter denen sich vermutlich die Vogelnester befanden. Nachdem die Hausverwaltung nicht erreichbar war, blieb nur die Möglichkeit, die Polizei und die Feuerwehr zu rufen, um die unterkühlten jungen Mauersegler zu bergen. Sie werden nun in der Wildvogelhilfe Leipzig gepflegt. Ein weiteres Nest wurde entdeckt, in dem ein junger Haussperling bereits verhungert war.

Mit Bauschaum versiegeltes Haussperlingsnest. Foto: NABU Leipzig
Mit Bauschaum versiegeltes Haussperlingsnest. Foto: NABU Leipzig

„Leider ist das nur ein Beispiel für viele ähnliche Rettungsaktionen, bei denen manchmal die Hilfe auch zu spät kommt. Noch mehr Fälle bleiben gänzlich unbemerkt, so dass man davon ausgehen muss, dass bei Bauarbeiten in Leipzig tagtäglich gesetzlich geschützte Tiere getötet werden und diese Gesetzesverstöße in den meisten Fällen folgenlos bleiben“, stellt René Sievert vom NABU Leipzig fest.

Oft werden Fugen verschlossen, obwohl die Nester mit den Jungvögeln sich noch dahinter befinden, so dass die Jungtiere qualvoll verhungern. Auch schlafende Fledermäuse werden oft bei lebendigem Leibe eingemauert.

„Das ist nicht nur unmenschlich, sondern ein klarer Verstoß gegen das Tierschutzgesetz, gegen das Bundesnaturschutzgesetz und gegen Artenschutzvorschriften der Europäischen Union“, sagt René Sievert. „Ritzen und Fugen müssen auf das Vorhandensein von Tieren insbesondere auf Niststätten geschützter Arten kontrolliert werden!“

Leipzig boomt, Leipzig wächst, doch für die Tierwelt spielt sich ein Drama ab, stellt der NABU fest: Durch die Bauarbeiten wird täglich Lebensraum für die städtische Tierwelt vernichtet. Das macht sich mehr und mehr bemerkbar, immer mehr Bürger vermissen das Stadtgrün, summende Insekten und singende Vögel – sie sind einfach nicht mehr da. Darauf hat der NABU Leipzig bereits mehrfach hingewiesen: www.NABU-Leipzig.de/Leipzig-schrumpft. Allein 2016 sind nach NABU-Beobachtungen 60 Hektar Lebensraum verloren gegangen – Wiesen, Büsche, Bäume.

Mit Hilfe der Feuerwehr konnten die Vögel aus der tödlichen Falle befreit werden. Foto: NABU Leipzig
Mit Hilfe der Feuerwehr konnten die Vögel aus der tödlichen Falle befreit werden. Foto: NABU Leipzig

Noch dramatischer ist die Situation für gebäudebewohnende Arten wie Haussperling, Mauersegler oder Fledermäuse. Wenn die Fassade saniert und gedämmt wird, werden Einschlupfmöglichkeiten für die Tiere beseitigt – der Bauboom führt zur Wohnungsnot bei den tierischen Nachbarn.

„Eigentlich ist ein Ausgleich für den Verlust von Mauernischen, Ritzen und Höhlen leicht: In die Fassade können künstliche Nisthilfen problemlos integriert werden“, betont Sievert. „Beim Vorhandensein geschützter Tierarten sind die Bauleute dazu sogar gesetzlich verpflichtet. Doch das wird vielfach ignoriert – oft sicherlich in Unkenntnis der Rechtslage, oft aber wohl auch mit Vorsatz und vor allem: Es wird viel zu wenig von der Naturschutzbehörde kontrolliert!“

Der NABU bemühe sich mit Unterstützung engagierter Bürger und Anwohner, Informationen über Nistplätze zu sammeln und der Behörde zu melden. Dann können Nistplätze gerettet werden. Aber angesichts des Baubooms gehe der weit größere Teil leider verloren – Leipzig schrumpft weiter.

Bei den Dramen, die sich bei den Bauarbeiten abspielen, sind manche besonders grausam, stellt der NABU fest. Die Wildvogelhilfe des NABU Leipzig hat schon Vogelnester mit Jungvögeln aus Bauschuttcontainern gerettet. Oft werden Fugen verschlossen, obwohl die Nester mit den Jungvögeln sich noch dahinter befinden, so dass die Jungtiere qualvoll verhungern.

Und die städtischen Behörden müssen sich Kritik an fehlender Kontrolle gefallen lassen. Sievert: „Es ist durchaus möglich, bei Baumaßnahmen den gesetzlichen Naturschutz zu beachten, ja mehr noch: Arten- und Lebensraumschutz zu verbessern. Leider werden Naturschutz und eine gesunde Umwelt bei der Stadtplanung nicht ausreichend berücksichtigt, und klare Gesetzesverstöße werden toleriert.“

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