Regelrecht ratlos sah OBM Burkhard Jung (SPD) am 25. April aus. Da tagte das Präsidium des Deutschen Städtetages in Leipzig und fand am Ende keine echte Lösung für das Problem der Schadstoffbelastung in den deutschen Städten. Am Ende fiel den Oberbürgermeistern nur die Blaue Plakette als Lösung ein. Die es wohl nicht geben wird. Was tun? Am Montag, 15. Mai, gibt’s auf dem Lindenauer Markt eine Demo gegen dicke Luft in Leipzig.

Beginn der Kundgebung, die auf die schlechte Luftqualität in Leipzig hinweist, ist 16:30 Uhr. Unterstützt wird die Veranstaltung der Deutschen Umwelthilfe (DUH) unter anderem von der Rückmarsdorfer Bürgerinitiative gegen den Kiesabbau, dem BUND Leipzig und dem ADFC Leipzig. Reden wird unter anderem der grüne Bundestagsabgeordnete Dieter Janecek, der 2007 die Stadt München auf ein Tätigwerden in Sachen Feinstaub erfolgreich verklagt hatte.

Denn die deutschen Großstädte haben das Thema immer versucht auszusitzen, möglichst keine Konsequenzen draus zu ziehen oder gar den städtischen Verkehr so umzubauen, dass man die Belastung durch Feinstaub und Stickoxide auch dann senkt, wenn deutsche Autobauer es nicht hinbekommen, die Motoren schadstoffarm zu machen. Wie es ja dann auch gekommen ist. Gerade die diversen Bundesverkehrsminister haben ihr Amt dazu benutzt, eine Verkehrswende in Deutschland mit aller Macht zu verhindern.

Da spielte einer dem anderen den Ball zu – aber keiner hatte den Mut, mal aufs Tor zu spielen.

Wäre die deutsche Verkehrspolitik ein Fußballspiel, die Spieler wären vom Volk längst gefeuert worden wegen kompletter Arbeitsverweigerung.

Aber was sich die Deutschen beim Fußball nicht gefallen lassen würden, haben sie in der Verkehrsentwicklung einfach hingenommen.

Das Ergebnis: Städte, die ihre Hausaufgaben bei der Schaffung nachhaltiger Verkehrsstrukturen nicht gemacht haben, Bremsklötzer für Radverkehr und ÖPNV, dafür zugeparkte Straßen und eine Überlastung mit schadstoffreichem Individualverkehr.

2007?

Das ist lange her. Man ahnt, wie viel Arbeitsverweigerung auf allen Ebenen in diesen zehn Jahren stecken. Es gibt tatsächlich jede Menge Gründe, richtig sauer zu sein.

„Seit Jahren besteht die Verpflichtung, die Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide einzuhalten, Luftreinhaltepläne aufzustellen und umzusetzen. Die meisten Kommunen haben das einfach verschlafen und damit die Gesundheit ihrer Einwohner aufs Spiel gesetzt, das rächt sich jetzt. Klagen wie von der Deutschen Umwelthilfe sind die Folge“, erklärt dazu Jürgen Kasek, Landesvorsitzender der Grünen in Sachsen.

Wobei das Wort „verschlafen“ auch schon wieder Schönmalerei ist. Das Thema war die ganze Zeit präsent.

Doch in Sachsen ist längst eine Art politische Lethargie eingezogen, die der Lösung der akuten Probleme regelrecht ausweicht, selbst dann, wenn sie der regierenden Politik wie eine Torte direkt ins Gesicht fliegen. Und die Schaffung umweltfreundlicher Verkehrsarten ist eben auch ein Landesproblem.

Aber die jüngsten Anfragen der Grünen zur Förderung des Radwegebaus machten das Dilemma wieder offenkundig: Die eh schon lächerlichen Fördergelder wurden zu 80 Prozent überhaupt nicht ausgereicht. Und es ist völlig unklar, wer da der Bremser ist. Ist es eine völlig unterbesetzte Abteilung im Verkehrsministerium? Es sieht ganz so aus.

Wäre es das einzige Problem, man dürfte einfach erwarten, der zuständige Minister könnte es mit einer Stellenausschreibung lösen. Aber mittlerweile stockt es in vielen Bereichen – vom Schulbau bis zum Ausbau des Nahverkehrs. Überall sind Manager eingesetzt, die sogar ganz offiziell die Verwaltung des Mangels auf ihre Fahnen geschrieben haben. Nicht ein einziger hat die Größe, auch nur ein greifbares echtes Zukunftsprojekt für den Verkehr auf die Tagesordnung zu setzen.

Selbst für den Leipziger Nahverkehrsplan schwant nichts Gutes. Es riecht regelrecht danach, dass auch das wieder nur eine Sammlung der Mangelverwaltungen werden wird. Aber ohne ein wirklich zukunftsfähiges Nahverkehrssystem wird die Luft in Leipzig nicht sauberer.

„Die Belastung der Luft ist insbesondere für Kinder und ältere Menschen ein ernstes gesundheitliches Problem“, ergänzt Volker Holzendorf, Bundestagsdirektkandidat der Grünen in Leipzig Nord, und weist auf die Messstation Lützener Straße hin, die seit Jahren hochbelastete Luft in unmittelbarer Nähe von beliebten Wohngebieten in Leipzig misst. „Hier sind schnell Maßnahmen nötig, wie die bereits beschlossene Umgestaltung des Lindenauer Marktes zu einer Fußgängerzone.“

Zumindest ein Teil des Lindenauer Marktes wird verkehrsberuhigt. Und das auch nur, weil die Bürger aufgrund der vorhandenen Konfliktstellen am Theater der Jungen Welt auf die Barrikaden gegangen sind und die Verwaltung gezwungen haben, ein Konzept für die Verkehrsberuhigung zu entwickeln. Die meisten Konflikte dieser Art gibt es in Leipzig, weil nach wie vor die motorisierte Mobilität an jedem Ort politisch Vorrang hat. In Gohlis gären diese Konflikte genauso wie mittlerweile in Plagwitz rund um die Erich-Zeigner-Allee oder in der inneren Jahnallee.

„Dies ist aber deutlich zu wenig, sollen die drohenden Fahrverbote für Dieselfahrzeuge wirklich abgewendet werden: Wir benötigen hierfür auch breitere Fußwege, Fahrradwege, die sicher sind und gerne von Kindern wie Fahrradkurieren benutzt werden und eine Straßenbahn, die nicht überfüllt ist, also deutlich öfter kommt und deren Tickets bezahlbar bleiben“, benennt Volker Holzendorf die Palette von Problemen, die sich mittlerweile aufstauen, weil es in Leipzig keine konsequent umweltfreundliche Verkehrspolitik gibt.

Und dann ist da der mehr oder weniger zahnlose Luftreinhalteplan, dessen Maßnahmen seit 2009 immer nur halbherzig umgesetzt oder finanziert wurden. Und auch die noch nachträglich hineingeschriebene Umweltzone hat ja bekanntlich nicht geholfen, die hohe Stickoxidbelastung deutlich genug zu senken.

Die Grünen verbinden den Aufruf, sich an der Demo zu beteiligen, mit der Forderung, dass Luftreinhaltepläne nicht nur aufgestellt, sondern auch umgesetzt werden, mit dem vordringlichen Ziel, den motorisierten Individualverkehr deutlich zu reduzieren. Was eben nur mit einem wirklich klugen Ausbau des Nahverkehrssystems und des Radwegenetzes gelingen kann.

Die Demo „Für ein Recht auf saubere Luft“ findet am Montag, 15. Mai, von 16:30 bis 18 Uhr auf dem Lindenauer Markt statt.

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