Den Termin hatte man im Vorfeld eher diskret gehandhabt. Trotzdem fanden sich am Freitagabend schätzungsweise 50 Gegendemonstranten zu einem AfD-Treffen in Grünau ein. Von einer kurzen Konfrontation mit einem Pöbler abgesehen, verlief der angemeldete Protest friedlich.
Es ist ein lauer Frühlingsabend in Grünau. Menschen aller Couleur wandern durch die Stuttgarter Allee. Die bunte Truppe auf halbem Wege zwischen Straßenbahn und Einkaufszentrum fällt dennoch ins Auge. Sie rufen laut, trommeln und bekunden so ihren Unmut über die AfD-Veranstaltung, die nur wenige Meter entfernt im offenen Freizeittreff „Völkerfreundschaft“ stattfindet. Manch einer mag schon das als bitteren Sarkasmus empfinden. Das Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus Mitteldeutschland“ hat zum Protest aufgerufen.
Gastgeber des Abends ist die AfD. Ihr sächsischer Landtagsabgeordneter Uwe Wurlitzer und sein Parteifreund Siegbert Droese, Direktkandidat aus Leipzig für die Bundestagswahl, haben geladen. Man will laut Homepage über das Thema Justizvollzug diskutieren, außerdem möchte sich Droese den Fragen der Bürger stellen. Nach L-IZ-Informationen haben sich etwa 20 von ihnen letztlich im Raum zusammengefunden.
Ein Polizeiaufgebot sichert das Geschehen ab. Für die Ordnungshüter wird es ein Einsatz der eher entspannten Art. Einschreiten müssen sie erst, als ein älterer Herr mit wiederholten Ausfälligkeiten stört, schließlich sogar eine Handgreiflichkeit mit AfD-Gegnern droht. Ein alkoholisierter Provokateur auf Streitsuche? Ein Mensch, der einen Haufen bunter Demonstranten als Bedrohung seiner geordneten Lebenswelt auffasst? Wir wissen es nicht. Die Staatsmacht führt den Mann ab, als er kurz darauf zurückkehrt und erneut pöbelt, wird er wiederum des Ortes verwiesen.
Viele Menschen bleiben stehen, beäugen das Geschehen neugierig. Auch zwei etwa zehnjährige Jungs, nach eigenen Angaben aus Syrien, schauen aus der Distanz zu, bekunden ihr Missfallen über die AfD-Veranstaltung. Selbst in ihrem Haus würden sie teilweise abfällig behandelt. Es sei schon vorgekommen, dass er seinen Haustürschlüssel vergessen und darum bei Nachbarn geklingelt habe, um dort mit den Worten „Hast du halt Pech“ abgekanzelt zu werden, erzählt eines der Kinder. Ob es stimmt? Schwer nachzuprüfen.
Am Eingang zum Freizeittreff kommt es dann zu hitzigen Diskussionen zwischen Demonstranten und ihren Gegnern. Es bleibt beim Verbalen, die Polizei lässt gewähren. Sie habe nichts gegen Ausländer, sondern gegen die Politik, und im Übrigen habe sie Roma-Straßenmusikanten in der City auch schon oft Geld gegeben, macht eine ältere Dame geltend.
Und ein Mann beteuert, er würde deutsche Kriminelle auch gern abschieben. „Aber die nimmt uns ja keiner ab.” Deutschland sei für einheimische Rechtsbrecher zuständig, andere gehörten dagegen abgeschoben. „Dann schickt man sie etwa nach Afghanistan zurück, in den sicheren Tod?“, kontert seine Opponentin entsetzt. „Es gibt Abschiebebehörden“, sagt der Mann. „Sie können gern Ihre Meinung haben, ich habe meine.“
Die Standpunkte bleiben erwartungsgemäß verhärtet. Emotionen wallen auf. Unverständnis und Kopfschütteln bei den Gegnern der Rechtspopulisten. Es kämen immer wieder die gleichen Phrasen, beklagen sie.
Es ist eine eigenartige Melange, die am Ende auf engem Raum beisammensteht. Links -und rechtsdenkende Menschen (darunter auch die bekannte „OfD-Heidi“) verschiedener Altersgruppen, Neugierige, Anwohner, kleine Kinder und dazwischen auch die Polizei. Ein ebenso seltsames wie äußerst ungewohntes Gefühl ergreift Besitz vom Beobachter. Die Trennung der sonst so strikt voneinander abgeschirmten Lager scheint für den Moment ausgehebelt – auch wenn man letztlich wohl mit denselben konträren Meinungen auseinander geht. Immerhin blieb es bei aller Spannung aber friedlich. Keine Selbstverständlichkeit.
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