Was die Verwaltung Anfang März als „Bilanzierung der informellen Beteiligungsverfahren der Stadtverwaltung“ vorlegte, war durchaus durchwachsen. Denn dass die Beteiligung von Bürgern Früchte trägt und die Akzeptanz für Projekte deutlich erhöht, das freute zwar – aber in der Umsetzung hapert es sichtlich. Deswegen gibt es jetzt auch einen Änderungsantrag von Grünen, Linken und SPD.
In der nächsten Ratsversammlung am Mittwoch, 12. April, soll die Verwaltungsvorlage „Bilanzierung der informellen Beteiligungsverfahren der Stadtverwaltung“ beraten und vom Stadtrat beschlossen werden. Der Stadtrat hatte zuvor auf Grundlage verschiedener Anträge der Stadtratsfraktionen Bündnis 90/Die Grünen und SPD im Juli 2015 beschlossen, den Oberbürgermeister zu beauftragen, eine Bestandsaufnahme und eine Stärken-/Schwächen-Analyse der Bürgerbeteiligung in Leipzig in den Jahren 2012 bis 2015 durchzuführen.
Denn etliche Beteiligungsverfahren zu großen politischen Themen fanden zwar statt – man denke an die Bürgerbeteiligung zum Haushalt, zur „Charta Leipziger Neuseenland“ oder zu „Leipzig weiter denken“.
Aber was am Ende dabei herausgekommen ist und welche Teile der Bürgerbeteiligung von der Verwaltung dann tatsächlich umgesetzt wurden und aus welchen Gründen, das erfuhr kein Mensch. Nicht mal der Stadtrat. Man war irgendwie gefragt worden – aber dann ging irgendwie die Luft raus.
Die Verwaltung selbst merkte in ihrer Vorlage vom März kritisch an, wo man die Akzeptanz der Beteiligung aus eigener Behäbigkeit einfach konterkariert hatte. Das stand dann unter der Überschrift „Für diese Schwächen müssen wir Lösungen finden“.
Das hier sind die wichtigsten Kritikpunkte:
„Aufgefallen ist die Kritik der Befragten an der bisherigen Kommunikation bei Beteiligungsverfahren durch die Verwaltung, insbesondere auch nach durchgeführten Beteiligungsverfahren.
Als grundsätzliche Schwäche wird darüber hinaus die häufig fehlende Transparenz und mangelnde Information der Öffentlichkeit zum Umgang mit den Ergebnissen sowie den weiteren Fortgang nach Beendigung des Beteiligungsverfahrens benannt. Dies steht in engem Zusammenhang mit einem fehlenden Monitoring über die Wirkung von Beteiligungsprozessen.
In Zusammenhang mit der Kritik an der Kommunikation wurde auch ein fehlender Gesamtüberblick über aktuelle und geplante Beteiligungsmöglichkeiten bemängelt. Dieser sollte zentral und leicht zugänglich alle Informationen bündeln und Klarheit schaffen, zu welchen Themen und Projekten beteiligt wird und zu welchen nicht.
Für die Übertragbarkeit und Berücksichtigung der Ergebnisse im politischen Entscheidungsprozess bedarf es einer Repräsentativität. Diese kann mittels innovativer Methoden in Veranstaltungen aber auch durch aufsuchende Beteiligung (d. h. Beteiligung direkt vor Ort oder auch bei bestimmten Zielgruppen, die voraussichtlich nicht zu einer Veranstaltung kommen würden) erreicht werden. Dazu braucht es die nötigen Personal- und Zeitressourcen in den Fachämtern, Ressourcen zur Durchführung der Prozesse selbst sowie das nötige Know-how.“
Die Information durch die Verwaltung sollte jetzt nicht nur ein Bild geben, was die Bürgerbeteiligungen schon gebracht haben, sondern auch Vorschläge zur Verbesserung der Beteiligungskultur aufzeigen sowie zu erwartende Kosten darstellen.
Unabhängig davon hatte der Stadtrat beschlossen, dass zur Verbesserung der Transparenz, zu welchen Vorhaben welche Beteiligungsmöglichkeiten bestehen, ab 2015 die Internetseiten unter „Leipzig weiter denken” mit Informationen und Verknüpfungen zu laufenden Beteiligungsverfahren in der gesamten Stadtverwaltung ausgebaut werden sollen.
Aber irgendwie kann man das nicht ganz der Verwaltung überlassen, stellen nun gleich drei Fraktionen fest. Sie wünschen sich einen Trialog. Oder sollte man sagen: eine eigene Kontrollinstanz?
Und so haben zur Beschlussvorlage der Verwaltung die Stadtratsfraktionen Bündnis 90/Die Grünen, SPD und Die Linke einen Ergänzungsantrag eingebracht, mit dem Ziel, ein Gremium neu einzurichten, das in Beteiligungsfragen die Stadtverwaltung berät und Handlungsempfehlungen aussprechen kann. Heißen könnte es „Forum Bürgerbeteiligung Leipzig“.
Dazu der Stadtrat Tim Elschner (Bündnis 90/Die Grünen) und die Stadträtinnen Katharina Schenk (SPD) und Franziska Riekewald (Die Linke): „Die qualitative und kommunikative Ausgestaltung sowie bessere Einbindung ‚informeller‘ Bürgerbeteiligungsverfahren in die politischen Entscheidungsprozesse bleibt eine Daueraufgabe. Es gilt die Leipziger Bürgerbeteiligung wetterfest zu machen und eine umfassende, verlässliche und langfristige Beteiligungskultur in unserer Stadt weiter aufzubauen! Wir sind deshalb der Auffassung, dass auch nach Bilanzierung und Bestandsaufnahme der Leipziger Bürgerbeteiligung, der Trialog aus Beteiligungsverantwortlichen der Stadtverwaltung, Vertretern der Stadtratsfraktionen und der Zivilgesellschaft fortzuführen ist.“
Im Antrag wird dann ziemlich deutlich formuliert, dass man den Informationsverlust vor allem dort sieht, wo die Verwaltung allein mit den beteiligten Bürgern kommuniziert. Es fehlt eine unabhängige Instanz, die überhaupt vermitteln kann, ob die Beteiligung tatsächlich für beide Seiten funktioniert – oder ob sie nur ein Feigenblättchen ist.
Im Wortlaut des Antrags: „Hinsichtlich der Fortführung des Trialogs wird die Notwendigkeit eines neu zu schaffenden Gremiums als sinnvoll und zielführend erachtet, denn es ermöglicht zum einen die Sicherung von Kontinuität und zum anderen die Nachvollziehbarkeit von Verwaltungshandeln gegenüber Stadtrat und Zivilgesellschaft: Insbesondere Beteiligungskonzepte der Verwaltung und ggf. auftretende Konflikte bei Beteiligungsverfahren sollen von dem Gremium beraten werden. Des Weiteren sollen von dem Gremium auch aktuelle Fragen zur Bürgerbeteiligung auf die Agenda gesetzt und fachlich bearbeitet werden können.“
Es steckt drin, auch wenn es so deutlich nicht gesagt wird: Auch die Ratsfraktionen fühlen sich zu schlecht über Inhalt, Wichtung und Ergebnisse der Bürgerbeteiligung informiert.
Übrigens ein Aspekt, den die Verwaltung genauso sieht, auch wenn sie das unter die nicht ganz so alarmierende Überschrift „Diesen Herausforderungen und Risiken müssen wir uns stellen“ gepackt hat.
Dort steht zu lesen:
„Beteiligung muss einen Mehrwert erzeugen und eine gute Entscheidungsgrundlage für die Politik liefern. Deshalb ist es besonders wichtig, politische Vertreter in die Beteiligungsverfahren der Verwaltung noch verlässlicher als bisher einzubinden. Dies hat eine besondere Bedeutung, da Ergebnisse aus Beteiligungsverfahren im parlamentarischen Verfahren als qualitätvolle Entscheidungsgrundlage mit berücksichtigt werden sollen, der endgültigen Entscheidung des Rates jedoch nicht vorgegriffen werden kann.
Beteiligungsverfahren werden aus Sicht der Befragten teilweise ohne Möglichkeiten zur Umsetzung von Ergebnissen durchgeführt. Dies führt zu Frustration bei allen Beteiligten und birgt das Risiko der Wahrnehmung als ‚Scheinbeteiligung‘.
Die Herausforderung besteht zudem darin, nicht nur dort Bürgerinnen und Bürger einzubinden, wo akute oder besonders öffentlichkeitswirksame Projekte bearbeitet werden, sondern eine umfassende, verlässliche und langfristige Beteiligungskultur aufzubauen.
Dazu braucht es zum einen die weitere Entwicklung von Kompetenzen in den einzelnen Dezernaten, aber auch klare Vereinbarungen darüber, wie mit Ergebnissen von komplexeren Beteiligungsverfahren umgegangen wird, die mehrere Einheiten, Ämter oder Dezernate betreffen.“
Genau da könnte das beantragte Gremium Sinn machen: Die Ratsfraktionen erfahren nicht erst mit der Beschlussvorlage, was denn nun eigentlich bei der Beteiligung herausgekommen ist (oder auch nicht), sondern sind schon vorher beteiligt und können schon einschätzen, ob das für die eigene Arbeit relevant wird. Da auch die Information über die Homepage der Stadt besser werden soll, könnten auch die Leipziger selbst künftig etwas mehr über die diversen Bürgerwerkstätten erfahren, die oft im geschlossenen Raum stattfinden und damit auch nicht die Aufmerksamkeit der Gesamtbevölkerung erreichen.
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