LEIPZIGER ZEITUNG/Auszug aus Ausgabe 33Mittlerweile reicht die Geschichte der grรถรten Demonstration von Clubs und Kulturmachern, der Global Space Odysยญsey (GSO) Leipzig, weit zurรผck. Das Jahr 2008 steht in der Zeitlinie als erster Einยญtrag. Damals noch stark vom Thema Hanf beeinflusst, von der Forderung nach Legaยญlisierung des Stoffes und v. a. nach mehr Freirรคumen in der Jugend- und Clubkultur auch bei Open-Air-Feiern angetrieben, hat sich der jรคhrliche Demonstrationszug stark gewandelt. Doch bevor am 23. Juli die hรคmmernยญden Beats wieder Neugierige hinter den Gardinen hervorlocken, stellte sich Frank Trepte vom Organisationsteam erst einmal den Fragen der LZ.
Zwar sind die Themen Party unter freiem Himmel und alternatives Wohnen geblieben, doch zunehmend kamen weitere auf. Wie schon im vergangenen Jahr mรถchte man auch am 23. Juli farbenfroh ab 12 Uhr am Connewitzer Kreuz starten, unter lauter Musik tanzend durch die Stadt ziehen und anschlieรend am Richard-Wagner-Hain verweilen, bis die Muntersten im WERK 2 den Abend ausklingen lassen.
Wenn ich an GSO denke, denke ich an Party, Spaร und Tanzen, nachdem man einmal durch die Stadt gelaufen ist. Denke ich richtig?
Ja und nein. In erster Linie ist die GSO eine kulturpolitische Demonstraยญtion. รber das Jahr hinweg erarbeitet eine eigene Inhalte AG die Texte und Themen, die letztlich bei der GSO prรคsentiert werยญden. Mit โRefugees Welcomeโ (2014) und โBleiberecht auf Stadtโ (2015) hatten wir in den letzten Jahren auch sehr politische Mottos gewรคhlt. Hinzu kommen die vom GSO-Team organisierten Demos (โยกNo Basยญsaran!โ) zur Mobilisierung fรผr NoLegida.
Aber auch wenn die gewรคhlten Themen schwer im Magen liegen, mรถchten wir mit der GSO bewusst eine von Frรถhlichkeiten und friedlichem Miteinander geprรคgte Veranstaltung organisieren โ und Protest ist schlieรlich auch tanzbar!
Hast du den Eindruck, dass sich โdie jungen Menschenโ wirklich fรผr Integraยญtion, soziales Miteinander, Politik und das Weltgeschehen interessieren und deshalb zur GSO kommen?
Ich kann nicht in alle Kรถpfe hereinschauen. Aber ich kann sagen, dass wir in unserer Kommunikation ganz klar herausheben, dass alle, die an der GSO teilยญnehmen, dadurch auch ihre Unterstรผtzung fรผr die formulierten Ziele zum Ausdruck bringen. In dieser Konsequenz machen wir das seit 2014, was auch zu einer leichten Schrumpfung der GSO gefรผhrt hat. Daher mรถchte ich die Frage bezogen auf die letzยญten Jahre und auch 2016 mit einem klaren โJa!โ beantworten.
Wie lรคuft Integration aus deiner Sicht in Leipzig ab, wie kann sie gelingen?
Wir mรผssen davon wegkommen, Menschen anhand von Geburtsort, Hautfarbe oder Religion in irgendeine Schublade zu stecken โ oder, noch schlimmer, Geflรผchtete als eine Art โObjekteโ zu betrachten.
Wer selbst einmal lรคngere Zeit in einem zunรคchst fremden Land gelebt hat, weiร aber auch, wie schรถn es ist, wenn die Alteingesessenen die Hand ausstrecken und einfach mal zum Mitkommen oder Mitmachen einladen. Und manchmal passt es dann ganz einfach. Freundschaften und โ auf die Kulturszene gemรผnzt โ gemeinยญsame Projekte sind dann die automatische Konsequenz. Glรผcklicherweise gibt es in Leipzig viele Beispiele, wo Integration kein zwanghafter Versuch, sondern einfach gelebte Realitรคt ist.
Wenn das so gut funktioniert โ sollte es dann nicht eine breite Unterยญstรผtzung aus der Kommunalpolitik fรผr eure Anliegen geben? Apropos, welche sind das eigentlich konkret 2016?
Ich sage es mal so: Steter Tropfen hรถhlt den Stein! Vor ein paar Monaten gab es ja bspw. die Entschlieรung des Stadtrates, spontane Freiluftpartys auf dafรผr ausgewiesenen โGrillplรคtzenโ mit einem einigermaรen formlosen Verfahren zu gestatten. Ein solches Konzept hat die GSO bereits 2009 vorgelegt und immer wieder nachgehakt, was damit wird. Auch jetzt ist der Beschluss noch nicht von der Verwaltung umgesetzt, sodass spontane Partys nach wie vor nur ohne Genehmigung mรถglich sind. Aber immerhin hat sich jetzt ein klein wenig was bewegt, sodass auch fรผr andere Anliegen Hoffnung besteht.
Die GSO 2016 steht fรผr eine freie, von kommerziellen Zwรคngen befreite und soliยญdarische Musikkultur โ getreu dem Motto โbunt, vielfรคltig, lautโ. Dazu haben wir mehrere Initiativen aufgerufen, uns kurze Beitrรคge zum Kulturbegriff einzureichen, die wir bereits seit Ende Juni auf unserer Website verรถffentlichen. Die Demo-Waยญgen werden darรผber hinaus aufgrund der aktuellen Entwicklungen mit dem Hashtag #OpenBorders fรผr ein Europa ohne Grenzen werben โ seien es mentale oder physische Grenzen. Ausgrenzung tut niemals gut.
Musikalisch bunt wird auch die GSO sein: Das Spektrum reicht von Hip-Hop (Spitainยญment) รผber House (Keine Halben Sachen) und DrumโnโBass (Boundless Beatz) bis hin zu New Wave (Roter Stern) und Gothic Pogo.
Ausklang im Richard-Wagner-Hain, Aftershowparty im WERK 2. Langsam wirdโs ein kleines Festival. Wie lรคuft es โkommerziellโ mit der GSO?
Das mit dem Demo-Ausklang im Park und der Aftershowparty am Abend ist nichts Neues โ beides gehรถrt fast seit der ersten GSO mit dazu. Verdienen tut bei der GSO aber niemand was โ weder die DJs noch die Leute an der Kasse. Alle Einnahmen dienen einzig und allein der Refinanzierung der Demo-Wagen bzw. der Druckerzeugnisse, die wir jedes Jahr fรผr die GSO produzieren.
Glรผcklicherweise geht es immer ganz gut auf, dass abends die Clubs voll sind und so die Wagencrews ihre Auslagen fรผr die Autoยญmiete, den Generator und die Dekoration zurรผckerhalten kรถnnen. Kommerziell ist die GSO ganz sicher nicht โ und wir streben es auch nicht an.
Noch mal zurรผck zur Art der Demonstration. Bei einigen Kritikern der GSO hatte man in den letzten Jahren manchmal den Eindruck, Politik dรผrfe keinen Spaร machen. Ihr habt dem ein โniederschwelliges Angebotโ entgegengeยญstellt. Sollte das nicht Schule machen?
Wenn es Schule machen wรผrde, wรคre die GSO ihre Einzigartigkeit los, also lieber nicht. Aber klar gibt es โ in meinen Augen auch in Teilen berechtigte โ Kritik daran, die Solidaritรคt mit Geflรผchteten in Form einer basslastigen und tanzbaren Demonstration zur Schau zu tragen. Aber es tut auch niemandem weh. Im Gegenteil: Wenn junge Menschen und Junggebliebene mit Frรถhlichkeit zeigen, dass sie keine รngste haben und sie fรผr eine Kultur des Willkommenseins eintreten, ist dies doch ein schรถnes Zeichen.
รbers Jahr gesehen habt ihr euer Engagement ziemlich hochgefahren. Was waren euch die wichtigsten Themen dabei, und wie wรผrdet ihr die Lรถsungen in der Focke 80, beim Thema Flรผchtlinge oder fรผr Freirรคume fรผr die Soziokultur angehen?
Rรผckblickend markiert das Jahr 2014 fรผr die GSO schon eine gewisse Zรคsur. Als wir mit dem Motto โRefugees Welยญcomeโ demonstrieren gingen, ahnte ja noch niemand, was uns bald darauf immer wieder montags auf den Straรen begegnen wรผrde. Unsere Orga-Strukturen dann zu nutzen, um fรผr die Gegenproteste zu mobilisieren, war dann nur folgerichtig.
Aber die GSO wird trotzdem nie die Organisation sein, die Problemlรถsungen verantworten wird. Vielmehr sehen wir die GSO als Plattform, um fรผr die Szene wichtige Themen herauszustellen oder fรผr aus unserer Sicht wichtige Initiativen zu werben โ dieses Jahr bspw. fรผr das Social Center 4 All, die auch mit einem Wagen bei der Demo dabei sein werden.
Ihr habt im Namen der GSO einen Wunsch frei, der sofort in Erfรผllung geht, weil wir in Leipzig eine neue Kulturยญbรผrgermeisterin mit einem unendlichen Sondertopf dafรผr haben. Dann mal los! Was wรคre das?
Witzigerweise haben wir Skadi Jennicke just dieser Tage eingeladen, bei der Zwischenkundgebung zu sprechen. Wenn sie der Einladung nachkรคme und der Clubkultur allein schon durch die Anwesenheit der Kulturbรผrgermeisterin ihre Anerkennung ausdrรผcken wรผrde, wรคre das schon ein groรer Erfolg. Den Geldkoffer kann sie gern zu Hause lassen bzw. zu den Einrichtungen der Freien Szene tragen โ wenn diese gefรถrdert werden, profitieren viele weitere Szeneakteure indirekt.
Eine Alternativantwort hast du also noch frei.
Den Weltfrieden natรผrlich! Und wenn das nicht geht, dann wรผnschen wir uns v. a. Toleranz und Offenheit insbesonยญdere gegenรผber Geflรผchteten, aber auch allen anderen Menschen. Wir wรผnschen uns aber auch Transparenz und Klarheit, denn Unwissenheit ist es, was รngste schรผrt.
Ich habe fast vergessen zu fragen, was euch wichtig genug ist, um weiteren Platz damit zu fรผllen.
Der Wunsch mag jetzt merkยญwรผrdig klingen, wรผrde uns aber den Tag ungemein erleichtern: Wie bei allen Demonstrationen sind Glasflaschen auch bei der GSO verboten. Daher unsere groรe Bitte an alle, die an der Demonstration teilnehmen, doch bitte die Glasflaschen wegen der Verletzungsgefahr zu Hause zu lassen.
Und kommt am Samstag, dem 23. Juli, ab 22 Uhr zahlreich zur Aftershowparty ins WERK 2, um uns eine weitere GSO zu ermรถglichen!
Mehr Informationen zur GSO, das Anliegen und die Strecke 2016 gibt es in den sozialen Netzwerken unter #openborยญders und unter www.gso-le.de.
Das Interview erschien erstmalig am 8. Juli 2016 in der aktuellen Monatsausgabe der LEIPZIGER ZEITUNG. Diese gibt es u.a. hier zu kaufen.
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