Von vielen nicht erwünscht, aber dennoch anwesend: Das rechte Magazin „Compact“ präsentiert sich auch in diesem Jahr auf der Leipziger Buchmesse. Bei den Veranstaltungen geht es unter anderem um „Zensur in der BRD“. Die Gegner protestieren mit Worten, Fahnen und Steinen.
Man gibt sich gemäßigt. Als das AfD- und Legida-nahe Magazin „Compact“ am Freitagnachmittag zur Veranstaltung in Halle 5 der Leipziger Buchmesse lud, war von Begriffen wie „Invasoren“, „Rothfront“ und „Politikerpack“ sowie Schlagzeilen wie „Geil auf Gewalt – Terror im Asylheim“ nichts zu hören. Die im Monatsrhythmus erscheinenden Hefte sind voll davon – und nebenbei angereichert mit allerlei Verschwörungstheorien.
Ein Publikum wie das der Leipziger Buchmesse wäre damit jedoch – so vermutlich die Einschätzung der Blattmacher – nicht zu erreichen. Bei der Präsentation zur Spezialausgabe über „Zensur in der BRD“ verzichtete man darauf, die Massenmedien als „Lügenkartell“ zu bezeichnen oder die „schwarze Liste der verbotenen Autoren“ zu erwähnen. Beides findet sich jedoch in der Produktankündigung auf der Homepage von „Compact“.
Es ist der typische Populismus des Magazins: Eine tatsächliche Zensur finde natürlich nicht statt, relativieren die beiden Podiumsteilnehmer: der „marxistische Philosoph“ und Reiseführer-Autor Peter Feist sowie Martin Müller-Mertens, Chef vom Dienst bei „Compact“. Jedoch gebe es bei der „konfirmistischen Presse“ eine „indirekte Zensur“, also eine innere Schere im Kopf, die dazu führe, dass ein Teil der „Wahrheit“ weggelassen werde. Dieser Teil sei dann in „Compact“ zu lesen.
Auch der Bezug auf eine angebliche „schwarze Liste“ entspricht der in rechten Kreisen beliebten Umdrehung politischer Realitäten. Auf einer solchen befanden sich zur Zeit des Nationalsozialismus Autoren wie Bertold Brecht, Erich Kästner und Franz Kafka. Sie bildete die Grundlage für die Bücherverbrennung im Jahr 1933. Die heutigen Nazis sind also die Linken, so das beliebte Narrativ. Sich selbst sehen die Blattmacher hingegen als „linke Patrioten“.
Auf jener „schwarzen Liste“, die „Compact“ auszumachen meint, stehen Autoren wie Matthias Matussek, Ken Jebsen, Eva Herman und Akif Pirinçci. Letzterer habe dadurch, dass er aus dem Sortiment großer Händler verschwunden ist, ein Quasi-Berufsverbot. Anlass hierfür war sein Auftritt bei Pegida, wo er – so die voreilige Unterstellung vieler Journalisten – angeblich bedauerte, dass die Vernichtungslager der Nazis heute nicht mehr existieren. Tatsächlich hatte er jedoch seinen politischen Gegnern unterstellt, so zu denken.
Diese Steilvorlage, um kollektives Versagen in der deutschen Medienlandschaft aufzuzeigen, nutzte „Compact“ auch bei der Buchpräsentation für seine Argumentation. Anstatt die realen Schwachpunkte des Magazins anzugreifen, stützten sich dann auch einige kritische Fragensteller im Publikum auf die falsche Interpretation des Pirinçci-Zitats und spielten den Rechtspopulisten somit in die Karten.
Abgesehen von einigen Zwischenrufen konnte „Compact“ seine halbstündige Veranstaltung störungsfrei über die Bühne bringen. Mehrere Polizisten sowie private und Buchmesse-Securityleute hatten sich im direkten Umfeld positioniert. Im Vorfeld der Buchmesse hatte es einen Offenen Brief an die Buchmesse gegeben mit der Aufforderung, „Compact“ wieder auszuladen. Die Messeleitung kam dieser Forderung jedoch nicht nach und berief sich auf die durch das Grundgesetz gedeckte Meinungsfreiheit. In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag warfen unbekannte „Compact“-Gegner einige Scheiben der Messe ein und bekannten sich anschließend auf Indymedia zu der Tat.
Friedlicher verlief der direkte Protest am „Compact“-Stand in Messehalle 5. Hier versammelten sich sowohl am Freitag- als auch am Samstagnachmittag mehrere Dutzend Menschen, um mit Schildern und Rufen gegen das Magazin zu protestieren. Am Rande der Buchpräsentation kam es später zu einer Rangelei zwischen einem Journalisten und mehreren Zuhörern. Anlass war offenbar ein angefertigtes Foto – dass es sich um ein Missverständnis handelte, war beiden Parteien in dem Moment nicht bewusst. Die Security der Messe entfernte den Journalisten aus der Halle, verfolgt von zahlreichen anderen Journalisten. Gegen diese ging die Security mit Verweis auf das Hausrecht ebenfalls vor.
Mit reichlich Verzögerung begaben sich auch zwei Polizisten zum Geschehen. Der Journalist wollte zunächst Anzeige wegen Körperverletzung erstatten. Sein Bitte, vor Ort die Personalien der Beschuldigten und der als Zeugen infrage kommenden Journalisten aufzunehmen, traf bei den Beamten auf wenig Interesse. Auch für die Visitenkarte eines Pressevertreters, der zu einem anderen Termin gehen musste, sich aber als Zeuge zur Verfügung stellen wollte, interessierten sich die Polizisten nicht. Die Lage beruhigte sich anschließend wieder.
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