Manchmal muss man sich einfach kümmern um die Gesellschaft, in der man leben möchte. Und mal ehrlich: Das Gejammer der ganzen Fremdenfeinde auf der Straße und im Fernsehen ist völlig sinnfrei. Unsere Gesellschaft hat ganz andere soziale Probleme, die angepackt werden müssen. Daran erinnern am heutigen 20. Februar, dem Welttag der sozialen Gerechtigkeit, die sächsischen Grünen.
Denn dass sich viele Europäer in ihrem Land nicht mehr geborgen fühlen, hat so gut wie gar nichts mit den Menschen zu tun, die aus den Kriegs- und Bürgerkriegsländern des Nahen und Mittleren Ostens nach Mitteleuropa fliehen. Es hat mit ihrer eigenen sozialen Lage, mit niedrigen Einkommen, wegbrechenden sozialen Sicherungen und kaputten Infrastrukturen zu tun, verbunden mit prekären Beschäftgungsverhältnissen – eine Gemengelage, die bei vielen Menschen das Gefühl erzeugt: Es geht den Bach runter. Die Politik ist überfordert.
Aber gleichzeitig geht die Umverteilung munter weiter, werden Reiche immer reicher und aus dem Bankensektor hört man Signale, dass schon wieder ähnlich riskant gespielt und gezockt wird wie vor Ausbruch der Finanzkrise 2008.
Das alles hat miteinander zu tun. Aber wer ist sich dessen bewusst, wenn der Heimatsender tagein, tagaus nur über die scheinbar drohende Welle von Flüchtlingen berichtet und jeder „besorgte“ Politiker suggeriert, dass wir das nicht schaffen könnten und dass alles zu viel sei?
Und das bei sprudelnden Steuereinnahmen und vielen Menschen, die allein aufgrund von Alter, niedriger Qualifikation oder körperlicher Beeinträchtigung vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind.
Alles Symptome dafür, dass wir keine solidarische Gesellschaft mehr haben und die Reichtümer, die die Gemeinschaft erwirtschaftet, nicht mehr allen Mitgliedern der Gesellschaft zugute kommen.
Da kann man schon fragen: Wem bitte schön nützt eigentlich diese forcierte soziale Ungleichheit?
Jürgen Kasek, Landesvorsitzender von Bündnis 90 / Die Grünen Sachsen, jedenfalls warnt vor den Folgen zunehmender sozialer Ungleichheit im Freistaat: „Weniger als 10 Prozent aller deutschen Haushalte verfügen über weit mehr als die Hälfte des gesamten Nettovermögens im Land. In Sachsen sind 20 Prozent der Menschen von Armut betroffen. Die Kinderarmut ist gravierend.“
Übrigens nicht nur im sozialen Bereich. Denn gerade die Nachrichten aus den französischen Vorstädten zeigen, wie eng das alles zusammenhängt: Armut, niedrige Bildungschancen, hohe Jugendarbeitslosigkeit und zunehmende Gewaltbereitschaft. In diesem Fall auch: erhöhte Anfälligkeit für ideologische und terroristische Beeinflussungen.
Die Terrorgruppen des Nahen Ostens profitieren von den Sprengsätzen, die mitten in den scheinbar so reichen europäischen Gesellschaften ticken.
Und zumindest einige verantwortliche Politiker in Europa haben gar nicht vor, diese Zeitbombe zu entschärfen.
„Das weitere Auseinanderdriften der Gesellschaft birgt ein großes Risiko für den sozialen Frieden. Die zunehmende sozialräumliche Trennung, wie sie in immer mehr sächsischen Städten zu beobachten ist, lässt sogenannte Problemviertel entstehen und bedingt eine weitere Teilung der Gesellschaft mit all ihren Folgen“, betont Kasek. „Vor dem Hintergrund der ankommenden Zufluchtsuchenden treten die politischen Versäumnisse im sozialen Wohnungsbau deutlich zu Tage. Hier besteht dringender Handlungsbedarf, um allen Menschen in unserer Gesellschaft angemessenen Wohnraum zu ermöglichen und die zunehmende sozialräumliche Trennung abzufangen.“
Und Sachsen ist nicht ganz unberührt von der Entwicklung. Auch hier haben sich – abseits der scheinbar so jammerbereiten Mitte – Milieus dauerhafter sozialer Spannungen entwickelt. Gettos entstehen nicht, weil Menschen aus anderen Ländern hier Zuflucht suchen, sondern weil die Barrieren zur Integration von sozial schwächeren Menschen nach wie vor hoch sind und keineswegs sinken.
„Die soziale Ungerechtigkeit in Sachsen nimmt seit Jahren zu – passiert ist dennoch nichts. Die Flexibilisierung der Arbeitswelt hat zur Zunahme von prekären Arbeitsverhältnissen geführt. Der Rückgang der Arbeitslosigkeit auch im Freistaat geht an den Langzeitarbeitslosen nahezu vollkommen vorbei“, sagt Kasek. „Wir sollten über neue Antworten auf die Soziale Frage in Sachsen nachdenken. Dazu gehört, dass Steuerschlupflöcher geschlossen werden müssen, denn Gerechtigkeit ist nur dann zu erreichen, wenn die Reichen eine größere Last schultern als die Armen.“
Seine Vorstellung dessen, was getan werden könnte: „Die Arbeitslosengeld II-Sätze müssen deutlich erhöht und die menschenverachtende Sanktionspraxis ausgesetzt werden. Soziale Gerechtigkeit bedeutet auch soziale Teilhabe – die Voraussetzung für eine lebendige Demokratie! Wer nicht an der Gesellschaft teilhaben kann, weil er zu arm ist, der wird die Gesellschaft und ihre Werte auch nicht tragen und sich in ihr engagieren. – Wir dürfen uns bei der Suche nach Antworten auf die Soziale Frage auch der Debatte hin zu einem Grundeinkommen nicht grundsätzlich verschließen. Das Grundeinkommen ist ein Ausweg aus der menschenunwürdigen Arbeitslosengeld-II-Praxis und führt zu einer stärkeren Anerkennung von ehrenamtlicher Arbeit. Es gehört auf die politische Agenda. – Wer jetzt nicht beginnt die soziale Frage zu lösen, der gefährdet mittel- und langfristig den sozialen Frieden in Sachsen.“
Musste wohl mal gesagt werden. Und es sieht ganz so aus, als müsste es endlich öfter, lauter und deutlicher gesagt werden. Denn es ist eines der Themen, die die Weichenstellung unserer Gesellschaft für die Zukunft bestimmen: Wollen wir eine solidarische oder eine egoistische Gesellschaft? Eine Frage, die sich auch die viel kritisierten Linken viel zu selten stellen.
Eine egoistische Gesellschaft lebt leider davon, dass sie Menschen ausgrenzt, aussortiert und abwertet. Das kann nicht wirklich die Lösung der Sozialen Frage sein.
Es gibt 2 Kommentare
Ich stehe dem Ideal des Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) positiv gegenüber. Aber mir konnte noch keiner erklären, wie ein BGE volkswirtschaftlich gestemmt werden soll. Für Essen und Logis, was ich mir vom BGE kaufen kann, muss ja jemand anderes gegen Bezahlung arbeiten. Zum Einstieg in die Problematik könnte die Suchwortkombination
“Milton Friedman There’s No Such Thing as a Free Lunch.” helfen.
Auch nachzuschauen in der Fernsehdokumentation: “Wie solidarisch ist Deutschland?”
https://www.youtube.com/watch?v=dDnZoQPcts8
Das Problem sind nicht die hilfesuchenden Menschen, die zu uns kommen, sondern, dass die Schere zwischen Armen und Reichen in Deutschland immer mehr aufgeht und die Verteilung von unten nach oben immer größer wird. Das haben wir auch der SPD zu verdanken mit Gerhard Schröder an der Spitze, der die Agenda 2010 und Hartz IV eingeführt hat. Wenn nicht bald etwas geschieht, dann werden die sozialen Spannungen immer größer. Einfach gestrickte Menschen sehen den wahren Schuldigen nicht und das rechte Gedankengut kommt immer stärker zum Vorschein. Nach unten treten ist ja wesentlich einfacher als nach oben.