In Sachsen wird viel geredet. Auch viel Schönes. Wenn alles auch umgesetzt würde, wäre Sachsen ein Land, in dem es vor Initiative und Unternehmergeist nur so knistern würde. Seit einem Jahr hat es Wolfgang Stoiber eigentlich schwarz auf weiß, dass der Leipziger Auwald eigentlich ein echtes Vorzeige-Projekt in Sachen Naturschutz sein könnte.

Mit Betonung auf “könnte”, denn fachlich zugestanden hat das bislang erst die Referatsleiterebene des Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG). Da war der NuKla e. V. im August 2014 zu Gast und hat über seine Visionen und Ansichten zur Entwicklung im Leipziger Auwald berichtet. Und die Mitarbeiter des Landesamtes bestätigten den aus Leipzig angereisten NuKla-Vertretern, dass man Vieles im Leipziger Auwald fachlich ganz ähnlich sieht.

Im Protokoll des Treffens heißt es ganz zum Schluss: “Aus Sicht des LfULG kann der Erhalt des Leipziger Auwaldes zu einem sächsischen Vorzeigeprojekt für die gemeinsame Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat-, Wasserrahmen- und Hochwasserrisikomanagementrichtlinie unter Nutzung der Synergien entwickelt werden. Die erforderliche Sensibilisierung der jeweiligen lokalen und regionalen Aufgabenträger sollte durch das SMUL initiiert werden.”

Damals hieß der zuständige Umweltminister noch Frank Kupfer. Dann waren Wahlen und Thomas Schmidt wurde der neue Chef im Umweltministerium. Und die Sache ruhte weiter. Es wurde auch weiter gebaut. Die Landestalsperrenverwaltung stellte das neue Auslassbauwerk an der Nahle fertig – heiß umstritten in Leipzig und auch vom Leipziger Amt für Stadtgrün und Gewässer eher kritisch gesehen, denn tatsächlich verhindern die starren Hochwasserschutzbauwerke in der Leipziger Elsteraue die Revitalisierung des Auenwaldes. Und sie engen auch das Projekt “Lebendige Luppe” ein, denn das muss sich auf eine Bewässerungsfläche jenseits der Deiche beschränken, kann damit aber nur teilweise den abgesunkenen Grundwasserstand kompensieren und auch nicht die Tatsache aufheben, dass die Neue Luppe sich über Jahrzehnte immer tiefer in ihr Bett gefräst hat und heute wie ein Trichter wirkt, in den das Wasser aus dem höher gelegenen Auwald abfließt.

Aber Wolfgang Stoiber ist einer, der einfach weitermacht, weil er weiß, dass man nur mit einer geänderten Herangehensweise den eigentlich streng geschützten Auwald retten kann. Deswegen soll ja dieses einzigartige Biotop bis 2030 zu einem UNESCO-Projekt werden, damit es endlich auch die Aufmerksamkeit bekommt, die es verdient. Noch ist der Auwald in Mitteldeutschland das größte zusammenhängende Gebiet dieser Art. Doch seit über 80 Jahren liegen weite Bereiche des Auwaldes trocken, die einstmals typischen Auwaldbewohner verschwinden, der Bewuchs ändert sich.

So ein bisschen hatte Stoiber wohl darauf gehofft, dass das Sächsische Umweltministerium nach der Wahl gleich loslegt und die Umsteuerung beginnt. Aber das ist nicht passiert.

Also hat die NuKla-Mannschaft im Herbst 2015 begonnen, ihrerseits in Leipzigs Verwaltung, beim SMUL sowie der Landestalsperrenverwaltung (LTV) für die Umsetzung der doch eigentlich bahnbrechenden Empfehlung zu werben.

“Alle Beteiligten könnten stolz sein, würde der Leipziger Auwald europaweit als Sächsisches Vorzeigeprojekt punkten. Nach unzähligen Gesprächen auf Stadt- und Landesebene ist NuKLA der Meinung, dass die Leipziger Bürgerinnen und Bürger in diesen Prozess eingebunden werden sollten”, sagt Stoiber. “Auf der fachlichen Grundlage des vorliegenden ‘Managementplanes Leipziger Auwald’ sollten sie über die Art des Umganges mit dem Auwald aktiv mit entscheiden.”

Dazu finden seit dem 7. Dezember „Leipziger Auengespräche“ unter anderem in der Volkshochschule Leipzig statt. Aber das erste stattgefundene Gespräch fand bei den anwesenden Naturschützern wenig Beifall.

“Ich denke, dass die Stadt Leipzig mit diesem Format ihr Anliegen, einen durch breiten Konsens abgesicherten Umgang mit dem Auwald zu initiieren, nicht erreichen wird”, formulierte es nach der Veranstaltung Nils M. Franke vom Bundesverband-Beruflicher Naturschutz/Regionalgruppe Sachsen in einem sehr deutlichen Brief an Leipzigs Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal. “Die Moderatorinnen dieser Veranstaltung waren zwar sehr bemüht, aber ihrer Aufgabe in keiner Weise gewachsen. Ein Moderator muss nicht unbedingt inhaltlich kompetent sein. Aber wenn dem Publikum, das teilweise aus Fachleuten bestand, nach 10 Minuten klar ist, dass die Moderatorinnen völlige Laien im Bereich Naturschutz sind, wird bereits dann die Veranstaltung fragwürdig. – Meiner Meinung nach benötigen Sie einen Experten oder eine Expertin von außerhalb Leipzigs, der von allen Parteiungen als unabhängig angesehen wird. – Er oder sie muss Wissen über den Verwaltungsnaturschutz, den ehrenamtlichen Naturschutz und den Themenkomplex ‘Citizen-Science’ besitzen.”

Womit er eigentlich ein Problem benannt hat, das Leipziger Naturschützern immer wieder begegnet: Sie werden von der Verwaltung behandelt wie Laien und in den Diskussionen auch oft genug wie ganz normale Bürger angesprochen, die einfach mal nur ihre “Meinung” geäußert haben, in der fachlichen Diskussion der Stadt aber eher stören.

Dabei sind es in der Regel hochinvolvierte Fachleute, die sich in den Naturschutzverbänden engagieren, die oft auch noch direkt in der Forschung und Lehre beschäftigt sind und durchaus zu Recht das Gefühl haben, an einem Alleinvertretungsanspruch der Ämter abzuprallen. Und das sogar dann, wenn man eigentlich dasselbe Ziel hat – in diesem Fall die Rettung des Leipziger Auwalds.

Und die Gespräche auf Referatsleiterebene in Dresden haben ja gezeigt, dass man es dort fachlich ganz ähnlich sieht. Das LfULG hat in seinem Protokoll ausdrücklich festgehalten: “Insgesamt besteht Konsens, dass zur Schaffung der auentypischen Wasserstände ein höherer mittlerer Grundwasserstand und eine höhere als bisher geplante Dynamisierung der Wasserzufuhr zielführend erscheint. Das wäre eine Voraussetzung, um eine langfristige Sicherung des Leipziger Auwaldes und insbesondere der FFH-Lebensraumtypen ‘Hart- und Weichholzholzaue’ zu gewährleisten.”

Und dabei hielt man es durchaus einer Überlegung für wert, die Funktion des Nahleauslasswerkes bei Hochwasserereignissen zu überprüfen. Dazu sollten auch die Daten aus dem Sommer 2013 ausgewertet werden – ob denn das Öffnen der Schleusen und die viel zitierte Scheitelkappung am Höhepunkt des Hochwassers so gewirkt haben, wie man sich das versprach. Ziel könnte (und sollte) es letztlich sein, “einen nachhaltigen Schutz des Auwaldes durch natürliche, bestenfalls ungesteuerte, Überschwemmung der Burgaue zu erreichen”.

Und auch über ein Nachfolgeprojekt für das Projekt “Lebendige Luppe” sei nachzudenken, und zwar überregional, denn das benachbarte Sachsen-Anhalt ist ja auch mit betroffen, wenn sich der Wasserhaushalt in der Elsteraue wieder ändern soll. Aber irgendwie war man sich da in Dresden im August 2014 recht einig darüber, dass es wohl darum gehen muss, im Leipziger Auwald “den nachhaltigen Naturschutz, insbesondere für die FFH-Lebensraumtypen ‘Hart- und Weichholzholzaue’, in Verbindung mit einem modernen, integrativen Hochwasserrisikomanagement und einer natürlichen Gewässerentwicklung der Auengewässer zu befördern.”

Heißt wohl auch: Die Landestalsperrenverwaltung muss mit an den Tisch und kann nicht einfach so tun, als ginge sie der Auwald hinter den Deichen nichts an. Der Hochwasserschutz und die natürliche Gewässerentwicklung gehören zusammengedacht. Die Projekte können nicht einfach stur nebeneinander laufen, sondern gehören verflochten.

Aber weil auch der NuKla e.V. nicht allzu viel von den augenscheinlich sehr dilettantisch aufgesetzten Auwaldgesprächen in der Volkshochschule hält, hat er auf Radio Blau eigene Auwaldgespräche aufgelegt – mit dem Vorteil, dass sie auch nachträglich noch angehört werden können.

Seit Oktober gibt es die „Auwaldgespräche“ mit verschiedenen Themenschwerpunkten auf Radio Blau und jetzt auch nachzuhören im Internet.

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