Mach's Licht aus, wenn du das Zimmer verlässt. Dreh die Heizung runter. Lass das Wasser nicht laufen. Einmal richtig lüften ist besser als Durchzug. - Jeder kennt die Sprüche, hat sie (vielleicht) zu Hause schon tausendmal gehört. Vielleicht auch verinnerlicht. Aber wie ist es tagsüber? Zum Beispiel in der Schule? Wer kümmert sich da? - Eine Frage, die Leipzigs Grüne jetzt aufs Tapet bringen.
Und zwar mit einem Antrag, den sie schon im Mai geschrieben haben: “Der Stadtrat beschließt die Durchführung des Energie- und Wassersparprojektes ‘Halbe-Halbe’ an Schulen in Leipzig. Projektstart zum Schuljahr 2016/2017.”
Das Halbe-Halbe hat eher nichts mit dem ewigen Wasserglas zu tun, das Hobbypsychologen seit 1990 ständig beschwören. Sondern es geht ums Teilen des Gewinns. Wenn was rauskommt dabei, und das sollte es, findet Kornelius Unckell, Vorstand im Kreisverband Bündnis 90/Die Grünen Leipzig, der das Projekt initiiert hat. Die Leipziger kennen ihn auch als Organisator des Veggie-Days. Auch da geht es ums Lernen – lernen, wie lecker vegetarisch Essen sein kann.
Und bei Halbe-Halbe geht es ums Lernen, wie man Strom, Heizenergie und Wasser einsparen kann. Nicht nur zu Hause, da tun es ja die meisten Leipziger und da bekommen es auch die Kinder in der Regel zu hören. Und zwar regelmäßig, weil sich die Kosten für Heizen, Duschen, Licht und elektronische Spielzeuge alle auf der monatlichen oder jährlichen Abrechnung wiederfinden. Auf Euro und Cent. Wer alles laufen und leuchten lässt, der zahlt drauf. Das tut den meisten Leipzigern weh.
Aber wie ist das in öffentlichen Gebäuden? Wer kümmert sich da? Der Hausmeister? Oder das Gebäudemanagement der Stadt? Irgendwelche kleinen Regler im Keller?
Ja, sagt Kornelius Unckell. Und: Ja, aber.
Denn so toll die Regeltechnik in einigen der neu gebauten Schulen in Leipzig ist, sie verhindert trotzdem nicht, dass Fenster stundenlang offen stehen, die Heizventile zu weit aufgedreht sind, in Räumen Licht brennt, in denen sich niemand aufhält, Kopierer Strom fressen, Klassenräume überheizt sind, Wasserhähne tropfen.
Der Sinn von Halbe-Halbe ist, dass sich nicht nur das Gebäudemanagement der Stadt verantwortlich fühlt, sondern die Nutzer selbst. In diesem Fall: Schüler, Lehrer, Hausmeister. Sechs Schulen haben die Grünen angefragt, ob sie mitmachen würden, bevor sie den Antrag schrieben. “Alle haben gesagt: Wir würden mitmachen”, sagt Unckel.
Also eigentlich kein Problem. Die Verwaltung könnte einfach zustimmen. “Mit der Verwaltung haben wir natürlich auch gesprochen”, sagt Grünen-Stadtrat Tim Elschner. Denn die muss ja trotzdem abschätzen, ob so ein Projekt Arbeit macht oder gar Geld kostet. Und vor allem: Wer macht mit?
“Wir haben ganz bewusst das Amt für Gebäudemanagement angesprochen”, sagt Unckell. Denn von dort müssen die Zahlen kommen. Dort kennt man den Strom- und Energieverbrauch aller städtischen Gebäude. Bislang kannte man ihn nur dort. Das meldeten so auch die Schulleiter der angefragten Schulen zurück: Man sitzt zwar in den schön warmen und gut erleuchteten Schulgebäuden, kennt aber die Verbrauchsdaten nicht.
Einspar-Potenziale finden
Aber die sind Grundlage für das Projekt Halbe-Halbe, bei dem unabhängige, gemeinnützige Projektträger in die Schulen gehen und mit Schülern, Lehrern, Hausmeistern gemeinsam die Schwachstellen suchen, wo Energie und Wasser gespart werden können. Mehrere solcher Projektträger sind deutschlandweit schon unterwegs – so zum Beispiel auch das Unabhängige Institut für Umweltfragen (UFU) aus Berlin, das Leipzig für eine Schule schon mal ein Pilotprojekt angeboten hat. Ausgeguckt hat man sich die August-Bebel-Grundschule im Leipziger Osten. Kosten würde es Leipzig erst einmal nichts, denn das UFU würde mit Projektgeldern von Atmosfair arbeiten, einem Kompensationsprogramm, mit dem man seine Flugreisen durch einen Naturschutzbeitrag kompensieren kann.
Dass man an der Bebel-Schule echte Einspar-Potenziale finden würde, dessen ist sich Georg von Nessler, Geschäftsführer von IP-Building, sicher. IP-Buildiung hat das Halbe-Halbe-Projekt in Frankfurt am Main untersucht, wo man schon seit 1998 nach Einsparpotenzialen in öffentlichen Gebäuden sucht. Und sie auch findet. Dort sind mittlerweile 96 städtische Objekte eingebunden. Und rein rechnerisch werden mittlerweile jedes Jahr Einsparpotenziale im Wert von 1 Million Euro gefunden. Das ist eine Dimension, die von Nessler auch für Leipzig für möglich hält. Gerade die noch unsanierten Schulgebäude bieten Potenziale.
Und attraktiv ist das Programm gerade dadurch, dass Stadt und Schule sich die Einsparungen teilen. Deswegen zu neudeutsch fifty-fifty oder – wie Cornelius Unckel konsequent sagt: Halbe-Halbe. “Das ist griffig.”
Die Schule kann das eingesparte Geld für eigene Projekte nutzen. Was es natürlich auch für Schüler attraktiv macht, sich richtig reinzuhängen. Und die Stadt ist gut beraten, wenn sie ihren Anteil selbst wieder in Effizienzprojekte steckt. “Nicht nur in neue Technik”, betont von Nessler, “sondern auch in Weiterbildung.”
Frankfurt finanziert aus der eingesparten Summe mittlerweile ein sechsköpfiges Team von Energieberatern, die praktisch jeden Tag in den Schulen unterwegs sind, beraten, Schwachstellen finden, aber auch entsprechende Bildungsangebote unterbreiten. Was dann einen weiteren wichtigen Aspekt des Projekts beschreibt, der Unckell wichtig ist: “Die Schüler lernen dabei selbst, verantwortungsvoll mit Energie umzugehen.”
Vorbilder gibt es genug
Das Projekt könnte in den Unterricht eingebunden werden – in Gesellschaftskunde oder gleich richtig im Physikunterricht – es kann aber auch im außerschulischen Angebot auftauchen. Wichtig ist, dass alle mitmachen können und Schulklassen und Schulen gemeinsam nach Einsparpotenzialen suchen.
Die notwendigen Verbrauchszahlen bekomme man vom städtischen Gebäudemanagement, ist sich Unckell sicher. Und auch der Verwaltungsstandpunkt werde wohl positiv auffallen, so dass die Verwaltung sich durchaus als Partner begreift. Vorbilder gibt es ja genug – neben Frankfurt auch ebenso emsige Energiedetektive in Hamburg und Berlin. Und überall erweist sich in der Regel, dass sich die Mühe lohnt, selbst wenn im Keller der Häuser teure Regelapparate stehen. Mal sind es vierstellige, mal fünfstellige Summen, die pro Gebäude eingespart werden. Das summiert sich schon. “Da steckt Musik drin”, sagt Unckell. Und auch wenn die Folgeprojekte dann nicht mehr – wie das mögliche Pilotprojekt in der August-Bebel-Schule – durch Projektgelder von Dritten finanziert werden. “Denn eigentlich trägt sich das Projekt von selbst”, sagt Unckell.
Und damit könnten die Schulen sogar zum Vorbild für den gesamten Gebäudebestand der Stadt werden. Das Zauberwort heißt Contracting. Denn wenn man die Nutzer der Gebäude befähigt, Energieverschwendung zu identifizieren und die Einsparungen selbst zu initiieren, werden auch in anderen städtischen Gebäuden finanzielle Ressourcen frei, die man dann auch wieder in die Verbesserung der Energieeffizienz stecken kann.
Jetzt muss die Verwaltung noch zustimmen, dann könnte es eigentlich losgehen. Nicht nur mit einer Schule, auch nicht nur mit sechs. “Dann könnten eigentlich sofort alle mitmachen, die das wollen”, sagt Unckell. “Und ich kann mir vorstellen, dass das eine ganze Menge sein werden.”
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