Jahrelang hat Leipzig gegen den Abriss von Baudenkmalen gekämpft. Auch in Zeiten, als die Stadt nicht wuchs und nur ein Gebäudesicherungsprogramm half, einen Teil der bedrohten Baudenkmale zu retten. Aber für viele Gebäude kam das Wachstum der Stadt zu spät. Allein in den letzten zwei Jahren wurden in Leipzig 20 Baudenkmale abgerissen.

Das ergab eine Kleine Anfrage zu den Denkmalabrissen im Stadtgebiet von Leipzig durch den Grünen-Landtagsabgeordneten Wolfram Günther, Sprecher für Denkmalschutz der Fraktion und auch langjähriger Sprecher des Stadtforums Leipzig, das sich 2004 gründete, genau zu der Zeit, als der Abriss in Leipzig viele markante und straßenprägende Bauwerke zu verschlingen drohte.

“In der Stadt Leipzig sind seit dem Jahr 2013 20 Kulturdenkmale abgerissen worden. Damit wurden seit dem Jahr 2000 knapp 900 Baudenkmale im Stadtgebiet abgebrochen. Zusätzlich wurden seit 2005 288 Kulturdenkmale aus der Denkmalliste des Landes gestrichen und verloren damit ihren Schutzstatus”, so geht es aus der Antwort auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten an die Staatsregierung hervor.

“Die Größenordnung dieses unwiederbringlichen Verlusts an gebauter Kultur und Heimat ist erschreckend. Die Stadt Leipzig hat bereits ein gewaltiges Entwicklungspotenzial verloren. Leipzig weist einen großen Reichtum an Bauzeugnissen vergangener Epochen auf, deren Bewahrung von hoher gesellschaftlicher Bedeutung ist. Die Stadt verfügt mit 14.114 Denkmalen aktuell über den zweithöchsten Denkmalbestand in Sachsen. Doch der Abrisstrend hält auch in Leipzig an”, resümiert Günther.

Für die ehemalige Gaststätte "Zum Reiter" in Dölitz ist der Abrissantrag gestellt. Foto: Ralf Julke
Für die ehemalige Gaststätte “Zum Reiter” in Dölitz ist der Abrissantrag gestellt. Foto: Ralf Julke

Vollständig verloren gingen nach Angaben der Staatsregierung unter anderem der Gasthof „Goldener Löwe“ in der Georg-Schumann-Straße, das Institutsgebäude in der Liebigstraße, Wohnhäuser in der Stöckartstraße 12, in der Slevogtstraße 23, in der Bornaischen Straße 184, in der Friederikenstraße 22, das größte Stellwerk am Leipziger Hauptbahnhof, ein Bauernhaus im Kleingartenpark 34, die Messehallen 1,2 und 3 auf dem Gelände der Alten Messe. Letztere wurde praktisch bis auf die Fassade zur Prager Straße hin abgebrochen und durch den Neubau des Porta-Möbelhauses ersetzt.

Auch die Eisenbahnbrücken Berliner und Raschwitzer Straße, die im Zusammenhang mit den Umbauarbeiten im Hauptbahnhof-Vorfeld abgerissen wurden, erscheinen in der Liste. Ebenso die alte Brücke über die Papiermühlstraße in Stötteritz – auch sie im Zuge der Arbeiten im neuen S-Bahn-Netz abgerissen. Da ist dann die Frage, ob man der alten Brückenarchitektur aus der alten Eisenbahnzeit nachtrauert. Technisch waren die Brücken längst reif für den Ersatz. Was übrigens auch noch für einige andere alte Eisenbahnbrücken in Leipzig gilt.

Manchmal sind die Geschichten dieser Baudenkmale recht verzwickt, passen neue Nutzungen und alte Bausubstanz nicht zueinander und es ergeben sich nach zähen Verhandlungen zwischen Stadt und Investor Kompromisse, die aus Sicht der Denkmalschützer nicht wirklich Kompromisse sind.

Aktuell liegt in der Stadt Leipzig bereits eine weitere Genehmigung für den Abriss eines weiteren Kulturdenkmales vor. Dies betrifft nach Angaben der Staatsregierung ein Fabrikgebäude in der Nonnenstraße 13. Für Passanten ist es schon seit Jahren nicht mehr sichtbar, denn es steht direkt an der Weißen Elster und wird heute von der davorstehenden Parkpalette verdeckt. Noch vor wenigen Jahren war dort eine Tanzschule untergebracht.

Manchmal verschwinden die Denkmale ganz sang- und klanglos, weil sie niemand sieht.

Für zehn weitere denkmalgeschützte Objekte im Stadtgebiet liegen Anträge auf Abriss vor. So ist nach Angaben der Staatsregierung unter anderem die Zukunft des Gasthofes „Zum Reiter“ in der Bornaischen Straße 170/172, der Wohnhäuser in der Plaußiger Dorfstraße 30, in der Seehausener Allee 68, in der Langen Reihe 17, in der Friederikenstraße 3, in der Russenstraße 46 sowie mehrere Eisenbahnbrücken ungewiss.

Seit dem Jahr 2000 wurden in Leipzig etwa 6 Prozent der Kulturdenkmale abgerissen. Seit 2005 verloren weitere 2 Prozent ihren Denkmalstatus.

“In Sachsen befinden sich heute trotz der Rettung zehntausender Kulturdenkmale ganze Denkmalgruppen in einem dramatischen Zustand. Dies betrifft sowohl städtische Wohnhäuser, ländliche Anwesen als auch zunehmend die technischen Denkmale. Hier fehlt es an ausreichender finanzieller Förderung zum Erhalt”, kritisiert Wolfram Günther. “Mangelnde finanzielle Unterstützung beim Denkmalschutz schadet auch der heimischen Wirtschaft. Es sind Tausende hochqualifizierte regionale klein- und mittelständische Fachhandwerker, Architekten, Beschäftigte in Bauunternehmen, Restauratoren, die einen wichtigen Teil des Bauwirtschaftsgewerbes ausmachen. Jeder Euro an staatlicher Denkmalförderung zieht ein Mehrfaches an privaten Investitionen nach sich.”

Und das alles passiert nicht unbedingt, weil kein Bedarf bestünde. Das Problem ist oft die fehlende Finanzkraft der Eigentümer.

Wolfram Günther: “Vor allem engagierte, private Denkmaleigentümer werden mangels ausreichender Förderung allein gelassen. Schon jetzt reichen die Zuschüsse nicht, um für wichtige Denkmale zumindest ein Minimum an Förderung bereitzustellen. Wenn aber weder saniert noch gesichert werden kann, drohen Verfall und Abriss. Diese Entwicklung muss dringend korrigiert werden. Sonst verschwinden allmählich immer mehr historische Bauten, wie Wohnstallhäuser, Bahnhofsgebäude oder alte Fabriken und Geschäftshäuser aus dem Ortsbild und letztlich auch aus unserem Gedächtnis.”

Abgerissen wurde aber auch die Holzhalle des alten Straßenbahnhofs Dölitz, der von den LVB derzeit komplett zu einem neuen Betriebsbahnhof umgebaut wird. Da wird dann auch nur die Vorderfront erhalten. Da sind dann auch die Planer im Zwiespalt: Nutzen kann man die alten Gebäude oft nicht mehr, weil sie für einen völlig anderen Wagenpark gebaut wurden. Und so werden Denkmalschützer in Leipzig wohl auch immer mit einem weinenden und einem lachenden Auge zuschauen. Wirklich weh tun Abrisse, die am Ende schlicht aus Baufälligkeit notwendig werden, weil der Besitzer einfach nie das Geld hatte, das Gebäude zu sanieren.

Kleine Anfrage Wolfram Günther: “Abriss von unter Denkmalschutz stehenden Gebäuden in der Stadt Leipzig” (Drs. 6/2404).

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