Es dürfte die Menge des Publikums gegen 20:30 Uhr insgesamt etwas ausgedünnt haben. Während des Umbaus für den Auftritt der Band Keimzeit und des lange vorab bekannten Überraschungsgastes Clueso bildete sich ein Wasserschleier über dem Leipziger Marktplatz. Das Publikum war ans Alte Rathaus, in die umliegenden Passagen und unter die Zeltstände auf dem Markt geflüchtet. Beim Auftritt der beiden Hauptgäste des Abends waren dann doch alle wieder da – 7.000 Besucher konnten die Veranstalter anschließend vermelden.

Natürlich waren am 28. April immer wieder auch Legida und Pegida, der neue Hass nicht nur im Netz und die Flüchtlingsfrage Thema. Hier und da wurde geplaudert, aber viele waren auch gekommen, um beim „Kling-Klang“ auf dem Platz zu wippen und mitzusingen. Norbert Leisegang und seine Band Keimzeit machten dass, was sie zu einem gemütlichen Miteinander unter teilweisem Starkregen am Besten beitragen konnten: Mit einer Auswahl der alten Gassenhauer aus den letzten Jahrzehnten Keimzeit die Leute vor die Bühne zu locken und am Gehen zu hindern.

Viel von den Couragierten vor der Bühne wird Leisegang nicht gesehen haben, die Schirmträger hatten flächendeckend gewonnen an diesem Abend in Leipzig. Politische Statements blieben aus – irgendwie war der gesamte Auftritt ein einfaches und klares Zeichen, wofür die in der DDR gegründete Band seit 1989/90 mit den damaligen Textzeilen weit über gefühlvolle Balladen hinaus steht „… Irre ins Irrenhaus, die Schlauen ins Parlament. Selber schuld daran, wer die Zeichen der Zeit nicht erkennt …“.

Fast ein ironisches Statement, heute, 25 Jahre danach im Angesicht des Geschreis um „Volksverräter“, gern gebrüllt von Menschen, die man getrost selbst als Ewiggestrige bezeichnen könnte.

Norbert Leisegang und die Band Keimzeit. Ewig jung und engagiert am 28. April auf der Bühne am Markt in Leipzig. Foto: L-IZ.de
Norbert Leisegang und die Band Keimzeit. Ewig jung und engagiert am 28. April auf der Bühne am Markt in Leipzig. Foto: L-IZ.de

Die Besucher, welche gekommen waren, blieben und so fand auch Clueso einen gut gefüllten Platz unterm Regenschirm vor. Grüße von Udo Lindenberg hatte er ebenso dabei, wie das Lied „Cello“ vom alten Panikrocker. Gut gelaunt und quasi fast auf Heimatboden gabs ein paar politikfreie Statements über seine musikalischen Anfänge im “Conne Island” und Straßenmusikerdasein in den Parks Leipzigs – das musste genügen, die Musik stand im Vordergrund, das Engagement des Erfurters blieb selbsterklärend.

Alles in allem – ein schöner Abend mit freundlichen Gesichtern, statt unendlicher Parolen am Ende noch ein Lied vom Prinzen Sebsatian Krumbiegel zur erwiesenen Internationalität Leipzigs und aus wars, dass Courage zeigen 2015. Auch der Regen beendete pünktlich sein Gastspiel und ließ noch ein paar trockene Minuten zu, in denen es doch noch mal kurz politischer wurde. Den vom Platz schlendernden hallte von einer immer größer werdenden Gruppe hinterher: „Nationalismus raus aus den Köpfen“ und „Wir sind laut, wir sind hier – Refugees are welcome here.“

So wussten alle dann doch, warum sie unterwegs gewesen waren. Und warum die Leipziger Flüchtlingsratsvorsitzende Sonja Brogiato und die Macher von NoLegida in diesem 18. Jahr des Festivals den “Courage zeigen Preis” erhalten haben.

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