Mehrfach hat es 2013 und 2014 gerumpelt in der Leipziger Vereinslandschaft. Etliche Vereine kamen an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit, nachdem das Jobcenter seine Förderung für den zweiten Arbeitsmarkt praktisch eingedampft hat. Damit kegelte es die wichtigen Betreuerstellen in den Vereinen weg. Die Linksfraktion brachte das Problem immer wieder auf den Tisch. Im September hatte man dort keine Geduld mehr mit der Schwerfälligkeit der Verwaltung und beantragte einen Schutzschirm für die Leipziger Vereine.
Der steht am Mittwoch, 25. Februar, zur Entscheidung im Stadtrat, nachdem auch dieser Antrag mehrere Schleifen durch Verwaltung und Fraktionen drehte. Die Verwaltung lehnte das Ansinnen des Antrags, überhaupt erst einmal eine Übersicht über die Vereinslandschaft und den nötigen Förderbedarf zu schaffen, rundweg ab. Bot aber zumindest an, sich mit den Strukturen der Vereinsförderung ein bisschen beschäftigen zu wollen.
Nichts Halbes und nichts Ganzes also. Was Linksfraktion und Grünen-Fraktion dazu animierte, gemeinsam einen Änderungsantrag zu formulieren.
Damit soll der OBM nicht nur verpflichtet werden, ein Konzept zur Weiterentwicklung des bürgerschaftlichen Engagements in Leipzig vorzulegen. Das wäre sogar eher der mittelfristige Teil. Kurzfristig aber soll noch 2015 innerhalb der Stadtverwaltung eine Leitstelle “Bürgerschaftliches Engagement” geschaffen werden.
Denn wenn der Verwaltungsstandpunkt etwas klar gemacht hat, dann die Tatsache, die die Vereine schon seit Jahren beklagen: den Kompetenzwirrwarr innerhalb der Verwaltung. Dutzende Ämter sind mit verschiedensten Teilen der Vereinsförderung beschäftigt. Manche haben ihre Vereine, die sie seit Jahren schon betreuen, bei anderen wissen die Vereine nie, ob die gewährte Förderung auch noch im nächsten Jahr fortgeführt wird. Oft fallen Vereine durchs Raster, weil sich gar keiner zuständig fühlt. All das die eigentliche Ursache für das manifeste Unwissen der Stadtverwaltung über die Vereinslandschaft und die Vereine, die tatsächlich auf eine dauerhafte Unterstützung der Stadt angewiesen sind.
Strukturen fehlen
Und nicht nur eine Koordinierungsstelle innerhalb der Verwaltung wird beantragt, auch die Sicherung einer Servicestelle bei einem freien Träger außerhalb der Verwaltung, die die Vereine und Initiativen berät. Auch das fehlt. Immer wieder laufen ehrenamtliche Bürger in endlosen Schleifen durch die bürokratische Inkompetenz, weil sich Fördermodalitäten ändern, Ansprechpartner, Gesetze, Steuermodalitäten. Woher soll das Wissen kommen? Das braucht eine kompetente Schaltstelle.
Und wenn die Stadt ihre Vereinsförderung endlich ein bisschen strukturieren will, dann muss es auch für den Stadtrat endlich ein Instrument geben, mit dem jedes Jahr nachlesbar ist, welcher Verein für welche Aufgabe welches Geld bekommen hat. Das – so beantragen Grüne und Linke – muss dann im Zuwendungsbericht der Stadt auftauchen. Und ein Beirat “Bürgerschaftliches Engagement” soll entstehen, der den ganzen Prozess begleitet und mit möglichst demokratischen Vertretern der Vereinslandschaft besetzt ist.
Übrigens ein Vorschlag, bei dem sich nicht nur Linke und Grüne einen Kopf gemacht haben, sondern der auch von einer Initiativgruppe unterstützt wird, die sich Initiativgruppe Engagementkonzept nennt. Dazu gleich mehr.
Auch die CDU-Fraktion hat sich mit dem Antrag beschäftigt und dabei ein Loch entdeckt, das zeigt, dass die Stadt bei der Vereinslandschaft viel schneller spart, als mancher gucken kann. Im Budget der Freiwilligenagentur Leipzig fehlen für den Doppelhaushalt 2015/2016 etwa 20.000 Euro. Immerhin ist die Freiwilligenagentur der bisher einzige Träger eines Unterstützungsprogramms für die händeringend nach Helfern suchende Vereinslandschaft. Bislang hat das Sozialdezernat die Struktur allein unterstützt – musste hier aber um 20.000 Euro kürzen. Die CDU-Fraktion beantragt nun, dass sich jetzt alle Dezernate und Ämter, die mit Vereinen arbeiten, am Ausgleich dieser Finanzierungslücke beteiligen.
Die Initiativgruppe Engagementkonzept hat sich am Freitag, 20. Februar, mit einem Aufruf an die Öffentlichkeit und an die Stadträte gewandt. In diesem Initiativkreis haben sich Personen versammelt, die schon seit Jahren für eine wirkliche Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements in Leipzig kämpfen: Ralf Elsässer von der Leipziger AGENDA 21, Petra Knötzsch und Birgit Höppner-Böhme von der Freiwilligen-Agentur Leipzig und Manfred Laske von der Denkwerkstatt Gemeinwohlarbeit Leipzig.
Aber auch aus der geplagten Vereinsszene haben sich Co-Autoren gefunden: Thomas Schleif vom Fußballverband der Stadt Leipzig, Prof. Dr. Gothild Lieber aus dem Seniorenbeirat der Stadt Leipzig, Gerd Klenk vom Netzwerk Integration-Migrant/-innen in Leipzig e.V., Marion Hoffmann von der Deutsch-Algerischen Gesellschaft, Dr. Jürgen Salomon von der Lernwerkstatt Vereinsarbeit und Hansgeorg Herold vom Bürgerverein Gohlis e. V., der 2014 noch einmal durch das Engagement der Gohliser gerettet werden konnte.
Der Aufruf der Initiativgruppe anlässlich der Abstimmung über den Antrag „Schutzschirm für Leipziger Vereine“ in der Ratsversammlung am 25. Februar:
Engagement in Leipzig anerkennen, stärken und fördern!
Am 25. Februar steht ein für die Leipziger Vereinslandschaft überaus wichtiger Antrag auf der Tagesordnung der Ratsversammlung. Nachdem die Fraktion DIE LINKE im Sommer die Initiative ergriff, haben sich nun LINKE und GRÜNE zusammengetan und einen gemeinsamen Beschlussvorschlag „Schutzschirm für Leipziger Vereine“ zur Abstimmung vorgelegt.
Die strukturellen Rahmenbedingungen für die Vereinsarbeit in Leipzig müssen grundlegend reformiert werden. Sie sind aus unserer Sicht den aktuellen Herausforderungen, vor denen Vereine in Leipzig stehen, nicht mehr angemessen. Wir Vereinsvertreter fordern ein Umdenken in der Verwaltung. Die Strukturen der Vereinsförderung müssen an die Erfordernisse einer prosperierenden Stadtgesellschaft, die zunehmend auf ehrenamtliches und zivilgesellschaftliches Engagement angewiesen ist, angepasst werden.
Wir Vereinsvertreterinnen und Vertreter unterstützen ausdrücklich die Forderungen im aktuellen Antrag. Zentral ist die Erarbeitung einer städtischen Gesamtstrategie für die Arbeit im Ehrenamt. Wobei das ohne Hauptamt nicht möglich ist. Eine solche Gesamtstrategie wurde bereits im Juli 2014 seitens der Verwaltung angekündigt. Ergebnisse gibt es bislang leider nicht, trotz zahlreicher Zuarbeiten durch die Vereinsvertreterinnen und Vertreter selbst.
Die rathausinterne Koordinierungsstelle für Vereinsarbeit würde die Vereine maßgeblich entlasten. Aktuell wird die Vereinsarbeit von mindestens zehn Ämtern betreut und fachlich beaufsichtigt. Eine externe Servicestelle für Vereinsarbeit würde ebenso kurzfristige Entlastung bringen, denn die Vereine benötigen Hilfe zur Selbsthilfe. Viele kleine Vereine, könnten von einer verstärkten Kooperation mit anderen Vereinen profitieren. Denkbar ist hier die gemeinsame Beschäftigung von Steuerberatern, Buchhaltern etc. Noch wichtiger ist aber der erleichterte Zugang zu Qualifizierungsmöglichkeiten für ehrenamtliche Vereinsvorstände in den Bereichen Vorstandsarbeit, Geschäftsführung, finanzielle Angelegenheiten, gezielte Nachwuchsarbeit für die Vorstandsarbeit etc.
Am 25.02.2015 wird der Stadtrat zur Zukunft der rund 600 Vereine mit ihren etwa 200.000 Mitgliedern einen weitreichenden Beschluss fassen. Die Lebensqualität in unserer Stadt wird wesentlich von einer solide strukturierten und engagierten Zivilgesellschaft beeinflusst. Nicht zuletzt sollte den Stadträten klar sein, dass es sich dabei auch um einen nennenswerten Standortfaktor für die Ansiedlung klein- und mittelständischer Unternehmen handelt. „Die Vertreter der Vereine haben ihre Hausaufgaben gemacht und verschiedenste Vorschläge in einem langwierigen Verhandlungsprozess herausgearbeitet“, ist sich der lokale AGENDA 21 Vertreter Ralf Elsässer sicher. Jetzt ist es an den Mitgliedern der Ratsversammlung und an den Verantwortlichen in der Verwaltung, mit einem eindeutigen Beschluss die Überlebensfähigkeit der Vereine im Bereich des Gemeinwohls zu sichern.
Die Vereinsvertreterinnen und Vertreter werden ganz genau hinsehen, wer sich am 25.02.2015 oder gegen die Vereine entscheidet. Das wird spannend!
Der Antrag der Linksfraktion “Schutzschirm für Vereine” als pdf zum Download.
Der Verwaltungsstandpunkt als pdf zum Download.
Der Änderungsantrag von Linksfraktion und Grünen als pdf zum Download.
Der Änderungsantrag der CDU-Fraktion als pdf zum Download.
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