Leipzigs Polizeipräsident Bernd Merbitz telefoniert, dann spricht er mit Frank Kimmerle vom Erich-Zeigner e.V. - Der Verein hatte nach dem Friedensgebet in der Nikolaikirche zur Lichterkette eingeladen, um ein Zeichen gegen Legida und für eine Willkommenskultur in Leipzig zu setzen. Mit im Publikum in der Kirche: der Polizeipräsident Leipzigs. Frank Kimmerle geht nochmals zu ihm, fragt nach und dann dreht er sich gegen 18 Uhr zu den Teilnehmern der Lichterkette und ruft erleichtert: „Ich habe eine Riesenüberraschung für Euch. Legida hat den Freitag dieser Woche abgesagt“. Doch dabei blieb es nicht. In den nächsten 30 Minuten wurde klar: Alle Veranstaltungen von Legida sind vorerst vom Tisch.
Während die L-IZ auf dem Platz vor der Nikolaikirche fotografierte, diskutierte und mit Teilnehmern des Lichterkettenlaufes und des Friedensgebetes sprach, tat sich in der Stadtverwaltung Erstaunliches. So erstaunlich, dass es auch die L-IZ-Kollegen noch nicht glauben wollten, obwohl es aus dem Mund des Polizeipräsidenten zu hören war.
Die Kollegen von Mephisto lasen es kurz vor 18 Uhr in einem Tweet der Stadt und fragten umgehend nach. Sie bekamen Stadtsprecher Matthias Hasberg noch zu greifen und der fasste den Ablauf der heutigen Besprechungen mit den Legida-Organisatoren zusammen. (Link zum Interview unten anbei).
Auch für ihn überraschend seien die Legida-Organisatoren heute von ihren Anmeldungen zurückgetreten und hätten verkündet, nunmehr ihre Anhänger darüber abstimmen zu lassen, wie es weitergehen solle. Die geringen Beteiligungszahlen vom Freitag dürften eine Rolle bei dieser neuen Entwicklung spielen, doch Legida wollte sich gegenüber der Stadt und bislang auch auf ihrer Facebookseite nicht zu den genaueren Gründen äußern. Dennoch kündigte Hasberg an, es sei nun wichtig zu schauen, wo der Frust denn eigentlich herkäme. Denn verschwunden sei dieser trotz des derzeitigen Rückzugs von Legida ja nicht.
Die “Bewegung” selbst zeigte sich in den vergangenen Tagen zunehmend geschwächt und weist ähnliche Erscheinungen wie Pegida in Dresden auf. Frank Hoyer, Mitorganisator der ersten beiden Legida-Veranstaltungen, war bei der dritten Kundgebung auf dem Augustusplatz nicht mehr mit von der Partie. Aus gesundheitlichen Gründen heißt es seitens Legida, doch nach der zweiten Veranstaltung war es wohl auch einigen weniger radikalen Mitdemonstranten etwas mulmig bei den stramm vorgetragenen Reden des Dresdners Frank Hoyer geworden. Die anschließende Gewalt gegenüber Journalisten, welche trotz vorheriger Ermahnungen seitens Silvio Rösler stattfanden, hatte zudem den Nimbus der Gewaltlosigkeit von Legida infrage gestellt.
Unter diesen Eindrücken und der heutigen Verkündungen von ehemaligen Pegida-Organisatoren um Kathrin Oertel in Dresden, nunmehr ein neues Bündnis namens “Direkte Demokratie in Europa” auf den Weg zu schicken, dürfte die Verunsicherung auch bei den Leipziger Organisatoren nicht kleiner geworden sein.
Denn die “Bewegung” spaltet sich einerseits immer weiter auf, die verschiedenen Richtungen innerhalb zerren am Zusammenhalt. Legida steht längst im Ruf, noch radikaler zu sein, als es Pegida je war und bei der Dresdner “Mutter” kämpfen nun die verbliebenen unbekannteren Organisatoren um Lutz Bachmann mit dem Ruf des Frontmanns der ersten Stunde. Mit der Einheitlichkeit jedenfalls ist es längst vorbei, eine Neuorientierung scheint geboten. Ob die angekündigte Abstimmung unter den Legida-Anhängern über das weitere Vorgehen noch einen Erfolg haben wird, ist fraglich.
Vielmehr könnte dann auch den letzten verbliebenen Frustrierten klar werden, wer da noch so alles von NPD bis freien Rechtsradikalen bei ihrer Protestbewegung mitschwimmen. Denen sei vielleicht nochmals eine Veranstaltung ans Herz gelegt, bei welcher ihre eigenen Probleme und Themen angesprochen und debattiert werden. Morgen, am 3. Februar, findet in der Volkshochschule Leipzig (Löhrstraße 3) die zweite Runde einer offenen Diskussionsveranstaltung statt. Das von ehemaligen “89ern” organisierte Format soll einerseits helfen, Faktenlagen zu klären, aber auch die Sorgen zu hören und gemeinsam zu besprechen. Die erste Veranstaltung am 20. Januar war gut besucht und man war sich durchaus einig – es gibt noch einiges zu klären. Morgen ist es so weit. Neue Teilnehmer sind willkommen.
Die Veranstaltung am Dienstag, 3. Februar 2015, ab 19 Uhr findet unter der Moderation von Stephan Bickhardt, Vorstand Archiv Bürgerbewegung Leipzig e. V. und Rolf Sprink, Leiter Volkshochschule Leipzig, statt. 125 Personen finden in der Aula Platz, bei Überfüllung wird eine Übertragung in die Vorräume / das Treppenhaus organisiert.
Es gibt 2 Kommentare
“Dennoch kündigte Hasberg an, es sei nun wichtig zu schauen, wo der Frust denn eigentlich herkäme. Denn verschwunden sei dieser trotz des derzeitigen Rückzugs von Legida nicht.”
Herr Hasberg, wenn sie als Pressesprecher der Stadt Leipzig diesen Satz ausgesprochen haben, dann ist tatsächlich die “Maske gefallen”. Vorige Woche wurde ich als Bürger der Stadt Leipzig von ihrer Pressestelle abgefertigt wie der letzte Dreck. Meine Absicht war es u.a. darauf aufmerksam zu machen, was in dieser Stadtverwaltung gewaltig schief läuft und zugleich darauf hinzuweisen, weshalb die Unzufriedenheit besonders in Sachsen so explosiv ist. Dies war schon so, als Legida/Pegida noch gar nicht geboren war. Der Beginn war die Landtagswahl, mit der geringen Wahlbeteiligung, was man als Pressesprecher der Stadt Leipzig wahrscheinlich schnell vergessen hat, zu schnell!
Selbst wenn nicht mehr demonstriert werden sollte, wovon ich nicht ausgehe, dann bleiben die Probleme unverändert bestehen. Es ist nichts weiter als ein Skandal, wenn man als Pressesprecher solche mehr als fragwürdigen Bemerkungen macht. Hören auch sie auf, die Bürgerinnen und Bürger von Leipzig für dumm zu verkaufen. Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei.
Mir ist es auch egal. wer vorige Woche den Telefonhörer in der Pressestelle abgenommen hat. Mir kam es so vor wie der Oberbürgermeister persönlich. Dieser wäre jedoch nach meiner festen Überzeugung wesentlich höflicher und sachlicher gewesen. Jeder kann einmal einen schlechten Tag haben, aber das war eine Nummer zu groß. Bei mir braucht sich übrigens keiner entschuldigen, was geschehen ist geschehen. Ich hoffe sehr, dass auch Vertreter des Stadtrates meinen Kommentar lesen.
Ich höre nach wie vor auf meine längst verstorbene Oma Emma. Die hätte zu diesem “Erlebnis” im schönsten Sächsisch gesagt: Wie der Herre, so das Gescherre! Ich kann mich nicht daran erinnern, dass meine Oma Emma jemals Unrecht hatte.
Herr Hasberg, nehmen sie ihren Hut. Möglicht bald. Sehr bald!
Vielleicht kann nun aus No Legida heraus ja auch eine konstruktive Demo-Kultur entstehen. Themen gäbe es sicher von Wohlstandsverteilung, über Bildungschancen und Bürgerbeteiligung bei politischen Entscheidungen.
Auch ich bin gespannt, was die Diskussion am Dienstag Abend unter diesem neuen Gesichtspunkt so bringt.