Man kann ihn an dieser Stelle ruhig wieder erwähnen, den Katholikentag, der 2016 in Leipzig stattfinden soll und den die Leipziger Stadtverwaltung mit 1 Million Euro sponsern will. Er passt hier hin, weil er sehr typisch zeigt, wie die Gewichte verteilt sind im Verständnis der Leipziger Verwaltungsspitze. Und wie bürokratisch und spitzfindig die Bürgermeisterrunde werden kann, wenn es um das Ablehnen deutlich kleinerer Budgets geht. Wie für die Umweltbibliothek Leipzig.

Im September hatten die Grünen schon einmal vorgefühlt und eine Erhöhung der Fördersumme für die Bibliothek im Haus der Demokratie beantragt. In ihren neuen Haushaltsantrag haben sie das Thema wieder eingebracht und die Summe deutlich erhöht. Augenscheinlich bekommt man bei Leipzigs Verwaltung wirklich nur, wenn man mit großen Forderungen anklopft. Kleckerbeträge werden so abgewatscht, wie es jetzt das Umweltdezernat tat (unterstützt vom Kulturdezernat und vom Finanzdezernat).

Der Wortlaut ist – wenn man denn den feinen Sinn für bürokratische Unverschämtheit hat – einfach köstlich. Dass die drei Dezernate über drei Monate gebraucht haben, um diesen feinen, aber zutiefst bösartigen Text zu verfassen, das ist schon erstaunlich.

Am 16. Januar hat das Umweltdezernat diesen “Verwaltungsstandpunkt” zum Antrag der Grünen, den Etat der Umweltbibliothek auf 75.000 Euro zu erhöhen, veröffentlicht:

“Den Fortbestand der Umweltbibliothek durch eine eigene Haushaltsposition im städtischen Haushalt zu sichern, die jährlich mit 75.000 EUR untersetzt wird, würde Sinn und Zweck der Rahmenrichtlinie der Stadt Leipzig über die Vergabe von Zuwendungen an außerhalb der Stadtverwaltung stehende Stellen widersprechen. Eine solche Förderung würde, da die für das kommende Haushaltsjahr zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel bereits feststehen, zulasten anderer Vereine und Verbände gehen, die auf dem Gebiet des Umwelt- und Naturschutzes tätig sind. Sie würde den haushaltsrechtlichen Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zuwiderlaufen.

Zuwendungen der Stadt Leipzig an Stellen außerhalb der Stadtverwaltung werden auf Grundlage der Rahmenrichtlinie zur Vergabe von Zuwendungen auf Antrag gewährt. Die Richtlinie legt verbindlich fest, wie bei der Vergabe von Zuwendungen zu verfahren ist und soll die einheitliche Ausübung des Ermessens und eine gleichmäßige Behandlung aller Antragsteller sicherstellen. Nach Art. 3 Abs. 1 GG haben mögliche Zuwendungsempfänger einen Anspruch auf Gleichbehandlung bei der Ausübung des Ermessens (Selbstbindung der Verwaltung). Ein Ratsbeschluss mit dem Inhalt, die Umweltbibliothek voll zu finanzieren würde unter anderem andere Zuwendungsempfänger benachteiligen.”

Zwischenbemerkung der Redaktion: Hier wird über einen Förderetat für alle Leipziger Umweltverbände gesprochen, der seit Jahren nicht gewachsen ist. Im Gegenteil: Er wurde mit jedem Sparhaushalt gekürzt. Was die Frage aufwirft: Warum wird dieser Etat nicht erhöht, obwohl die Umweltverbände dieselben Probleme haben wie die Vereine der Freien Szene und der Soziokultur? Müssen auch sie erst eine Kampagne starten, dass sie 5 Prozent vom Umweltetat bekommen?

Weiter im höchst problematischen Verwaltungs-Text:

“In den Jahren 1997 – 2014 hat der Ökolöwe Umweltbund für die Umweltbibliothek von der Stadt Leipzig jeweils Fördermittel von durchschnittlich 35.000 EUR erhalten. Die Förderhöhe ist also über die Jahre in etwa konstant geblieben. Die Zuwendung ab dem Jahr 2015 um mehr als das Doppelte auf 75.000 EUR zu erhöhen, erscheint, zumal sich die Höhe der für die Bibliothek beantragten finanziellen Mittel bislang nicht verändert hat, nicht plausibel.”

Nächste Zwischenbemerkung: Dieser Passus ist geradezu perfide. Von 1997 bis 2014 ist der Etat für die Umweltbibliothek permanent abgeschmolzen. Aus diesem Abschmelzen eine Durchschnittssumme von 35.000 Euro zu errechnen, grenzt schon an Verschleierung. Aktuell steht der Etat für die Umweltbibliothek bei 20.000 Euro.

Weiter im Verwaltungstext:

“Im Ergebnis hieße eine Förderung i.H.v. 75.000 EUR, dass der Ökolöwe – Umweltbund Leipzig e.V., der neben der Förderung der Umweltbibliothek regelmäßig die Förderung weiterer Projekte beantragt, insgesamt mehr als die Hälfte der für alle Umweltvereine und -verbände jährlich zur Verfügung stehenden Fördermittel für sich beansprucht. Andere, insbesondere kleinere Vereine, die auf dem Gebiet des Umwelt- und Naturschutzes tätig sind, gingen leer aus.

Die Förderung i.H.v. 75.000 EUR steht auch in keinem wirtschaftlichen Verhältnis.”

Nächste Zwischenbemerkung: Hier wird deutlich, wie das Umweltdezernat einen Jahr um Jahr schrumpfenden Etat versucht, unter den verschiedenen Antragstellern immer wieder neu zu verteilen. Was diese Vereine aus den gewährten Geldern eigentlich finanzieren, wird nicht analysiert. Dass der Ökolöwe aus Sicht des so oft gepiesackten Umweltdezernats augenscheinlich zu viel Geld bekäme, das aber wird aus der Stellungnahme des Dezernats recht deutlich. (Auch im “Umweltbericht” der Stadt kommen die Umweltvereine nicht vor, als gäbe es sie gar nicht.)

Weiter im Text:

“Im Verwendungsnachweis führt der Trägerverein Ökolöwe – Umweltbund Leipzig e.V. aus, dass die Umweltbibliothek im Vergleich zu Allgemeinbibliotheken nur wenig für den allgemeinen Lesebedarf, sondern eher anlassbezogen genutzt wird. Im Jahr 2012 bspw. hatte die Umweltbibliothek 2.000 Nutzungsfälle pro Jahr. Das sind acht Nutzungsfälle täglich. Die Nutzungsfälle verteilten sich auf etwa 300 Nutzer. Den Erhalt der Bibliothek in Anbetracht dieser Nutzungszahlen in der geforderten Höhe zu subventionieren, widerspricht jeglicher Wirtschaftlichkeitsbetrachtung. Um den Fortbestand der Bibliothek zu sichern, sollten auch andere kostentragende Modelle geprüft werden (bspw. Senkung von Personalkosten, Erhöhung der Erträge durch Einführen von Nutzungsgebühren). Denn unbestritten handelt es sich bei der Umweltbibliothek um eine zentrale und renommierte Informationsstelle für alle Umweltfragen und sollte als solche möglichst erhalten bleiben.

Ihr Fortbestehen kann aber nicht einzig von der Erhöhung der Finanzhilfen der Stadt Leipzig abhängig gemacht werden.”

Nächste Zwischenbemerkung: Dieser Passus ist schon verschriftlichte Ignoranz. Denn dass die Umweltbibliothek schon seit Jahren auf Sparflamme läuft, hat auch mit den Kürzungen der Stadt zu tun. Eine fest angestellte Betreuung ist schon seit Jahren nicht mehr zu finanzieren. Und es erging der Umweltbibliothek wie anderen Vereinen der Stadt in den letzten beiden Jahren auch: Die Förderinstrumente des Jobcenters, mit denen Betreuungskräfte bezahlt werden konnten, sind weggebrochen. Das hat reihenweise Vereine an ihre Existenzgrenze gebracht. Aktuell wird die Betreuung der Bibliothek mit Bundesfreiwilligen abgesichert. Von einer hauptamtlich angestellten Fachkraft kann nicht mal geträumt werden bei 20.000 Euro, von denen auch die Miete bezahlt werden muss.

Als Vorbild einer dauerhaften Förderung hatten die Grünen die 2014 gefundene Lösung für die Auwaldstation genannt.

Aber das – so meint das Umweltdezernat – sei etwas völlig anderes: “Dass dem Förderverein Auwaldstation eine regelmäßige Zuwendung zukommt, beruht auf einer vertraglichen Vereinbarung zum Fortbestand der Auwaldstation infolge der Eingemeindung von Lützschena-Stahmeln. Die Situation des Fördervereins ist mit der Situation des Ökolöwe – Umweltbund Leipzig e. V. folglich nicht vergleichbar.”

Was das Dezernat und die ganze Stadtspitze nicht der Aufgabe enthebt, sich über die Finanzierung der Umweltvereine endlich ein paar Gedanken zu machen. Denn unter den jahrelang praktizierten Kürzungen leiden sie alle. Mancher sagt auch: Damit hat sich die Stadt einige dieser Umweltvereine gehorsam gemacht – sie widersprechen nicht mehr und sie strengen auch keine Klagen an gegen die Stadt, das Land oder den Flughafen, wenn diese gegen gesetzliche Umweltauflagen verstoßen.

Auf das Thema der gestrichenen Beschäftigungsförderung sind die drei hier gemeinsam formulierenden Dezernate gar nicht eingegangen. Das verträgt sich nicht mit der breitbrüstigen Ansage: “Denn unbestritten handelt es sich bei der Umweltbibliothek um eine zentrale und renommierte Informationsstelle für alle Umweltfragen und sollte als solche möglichst erhalten bleiben.”

Wenn das Umweltdezernat diese Aussage wirklich ernst meint, dann muss es jetzt eine verlässliche und dauerhafte Förderung der Bibliothek sichern.

Als Denkanstoß hat die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Doppelhaushalt 2015/2016 beantragt, die Förderung von aktuell mehr als bescheidenen 20.000 auf 100.000 Euro zu erhöhen.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar