In den vergangenen 25 Jahren haben sie das Leben in Leipzig geprägt, haben Stadtteilfeste organisiert, Stadtteilforschung betrieben, Beratung angeboten, dem bürgerschaftlichen Engagement einen Ort geboten: Leipzigs Bürgervereine. Doch jetzt knipsen sie einer nach dem anderen die Lichter aus. Oder der Insolvenzverwalter tut es. Im Mai fragte Linke-Stadträtin Dr. Skadi Jennicke besorgt, welches Ausmaß diese Entwicklung schon angenommen hat. Die Antwort von Verwaltungsbürgermeister Andreas Müller (SPD) ist niederschmetternd.
Die Bürgervereine Gohlis und Möckern-Wahren sind in ihrer Existenz akut gefährdet. Die Ursachen sind vielfältig. Seit wann ist der Stadt Leipzig bekannt, dass beide Bürgervereine ihre Auflösung beschlossen haben bzw. diese planen?
Der Bürgerverein Gohlis informierte die Stadt Leipzig am 7.4.2014, dass die Mitgliederversammlung am 26.03.2014 die sofortige Auflösung des Vereins beschlossen hat.
Von einer geplanten Auflösung des Bürgervereins Möckern-Wahren erhielt die Stadt Leipzig erst mit dieser Anfrage Kenntnis. Nach Rücksprache mit der stellvertretenden Vereinsvorsitzenden wurde ein formaler Beschluss zur Auflösung noch nicht gefasst.
Welche weiteren Bürgervereine sind von der Auflösung bedroht?
Der Bürgerverein Paunsdorf teilte im Oktober 2013 mit, dass die Auflösung des Vereins vorgesehen ist, mit Schreiben vom 30.04.2014 wurde über den Auflösungsbeschluss zum 31.12.2013 informiert. Der Bürgerverein Bachviertel teilte am 23. 8.2013 mit, dass gegen den Verein ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde.
Welche Ursachen sieht die Stadtverwaltung für die existenzbedrohende Situation der Vereine?
Ausgehend von den Informationen, die der Verwaltung von den Vereinen vorliegen, können folgende zwei Schwerpunkte benannt werden:
– fehlender Nachwuchs für die Vereinsarbeit und mangelnde Bereitschaft Verantwortung im Verein zu übernehmen, daher keine Nachfolge für Vereinsvorstand, Vereinsarbeit konzentriert sich oft auf wenige aktive Mitglieder,
– die drastische Reduzierung der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen führt bei den Vereinen, die diese Strukturen in den vergangenen Jahren für ihre Kernaufgaben genutzt haben, zu erheblichen Einschränkungen in Quantität und Qualität ihrer Arbeit bzw. wird die Umsetzung bestimmter Ziele durch das Fehlen hauptamtlicher Beschäftigter unmöglich gemacht.
Welche Bedeutung haben die Bürgervereine aus Sicht der Stadtverwaltung für die Stadtgesellschaft?
Bürgervereine haben aus Sicht der Verwaltung eine große Bedeutung für die Stadtgesellschaft. Sie vertreten die Interessen der Bürger gegenüber der Verwaltung und sind Ansprechpartner der Verwaltung, wenn es um Themen im Stadtteil geht. Darüber hinaus tragen sie durch Aktivitäten wie Jugend-, Sozial und Seniorenarbeit, Organisation von Stadtteilfesten, Herausgabe von Publikationen und vielen anderem zur Verbesserung der Lebensqualität in der Stadt bei.
Welche Möglichkeiten sieht die Stadtverwaltung, die Arbeit der Vereine nachhaltig zu sichern?
Die wichtigste Möglichkeit zur Sicherung der Arbeit der Vereine ist die freiwillige finanzielle Unterstützung durch die Stadt Leipzig. Dazu stehen den Bürgervereinen verschiedene Fördermöglichkeiten zur Verfügung. Auf Basis der vom Stadtrat beschlossenen “Fachförderrichtlinie zur Förderung stadtteilbezogener Bürgervereine” können die Vereine eine anteilige Gegenfinanzierung für Sachausgaben wie z.B. Miete, Büroausgaben oder Öffentlichkeitsarbeit erhalten. In den letzten Jahren wurde den diesbezüglichen Anträgen der Vereine beim Hauptamt bis auf wenige Ausnahmen entsprochen.
Darüber hinaus können auch bei anderen Fachämtern der Stadt Leipzig Zuwendungen für spezielle Projekte beantragt werden, so auch Zuschüsse für Personalausgaben im Rahmen von beschäftigungspolitischen Maßnahmen. Eine vollständige Finanzierung ehrenamtlicher Strukturen über festangestellte Mitarbeiter als Ersatz von wegfallenden beschäftigungspolitischen Maßnahmen ist jedoch nicht möglich.
Über welche Strategie verfügt die Stadtverwaltung generell vor dem Hintergrund, dass arbeitsmarktpolitische Instrumente immer weniger dafür geeignet sind, ehrenamtliche Vereinsarbeit strukturell zu sichern? Welche Alternativen sieht die Stadtverwaltung?
Vor dem Hintergrund der Reduzierung öffentlich geförderter Beschäftigung haben sich verschiedene gemeinnützige Vereine mit der Bitte um Unterstützung an die Stadt Leipzig gewandt. Aus diesem Grund wurde eine Gesprächsrunde des OBM mit Vertretern von Vereinen und der Verwaltung organisiert und darauf aufbauend ein Workshop durchgeführt, in dessen Ergebnisse besonders folgende Anregungen in der Verwaltung weiter verfolgt werden sollen
– “Servicestelle” für kleinere Vereine ohne unternehmerische Tätigkeit
– strategische Steuerung des Themas
– eine Veranstaltung im Rahmen der “Zukunftsreihe” zum Thema: Gemeinwohlorientierte Entwicklung; Zukunft der Vereinslandschaft
– Überarbeitung der Rahmenrichtlinie.
Es sollen Arbeitsgruppen aus Vertretern der Vereine und der Verwaltung gebildet werden, die bestimmte Themen aus dem Workshop weiter ausarbeiten und deren Umsetzung vorbereiten. Durch die Reduzierung der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, den die Stadt Leipzig nicht finanziell ausgleichen kann, wird sich die Vereinslandschaft in den nächsten Jahren verändern. Vereine, die ihre Aufgaben überwiegend mit geförderten Mitarbeitern erfüllt haben, müssen ggf. die Strukturen ihrer Arbeit neu ausrichten.
Gelegenheit zum Abschiednehmen am 14. Juni in Gohlis:
Nach über 20 Jahren seit seiner Gründung veranstaltet der Bürgerverein Gohlis e.V. am Samstag, 14. Juni, von 14:30 bis 18 Uhr nunmehr sein wohl letztes “Großes Sommerfest” im autoforum in der Lindenthaler Straße 64. Das Unterhaltungsprogramm bietet den Besuchern unter anderem Kinderschminken, Torwandschießen, Hüpfburg, Kuchenbasar, einen Bratwurststand, sowie ein Gohlis-Quiz, Stoye-Seitenwagen Ausstellung und vieles mehr. Für die musikalische Umrahmung sorgen das “Familienorchester” und die “All Stars”.
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