Bereits mit der ersten, oft naiven medialen Wahrnehmung der Montagsdemos wurde rasch von linker Seite der Antisemitismusvorwurf gegen die Inhalte und Hintergrund der Mahnwachen erhoben. Brüsk zurückgewiesen vom Berliner Veranstalter der Montagsdemos Lars Mährholz zum Beispiel der Vorwurf des indirekten Antisemistimus. Beide Seiten teilen hier ein Problem. Die Montagsdemos könnten schnell für Rechtsradikale zu Offenbarungsveranstaltungen werden, erste Bewegungen im Netz deuten darauf hin. Manche Linken warnen, andere bekämpfen die Veranstaltung bereits. Allerdings derzeit nur im Netz.

Denn AfD, NPD und freie Rechtsradikale reiben sich angesichts mancher Themen bereits die Hände, wenn immer öfter die Worte “Juden”, “Rothschild” und “Finanzknechtschaft” im Netz im Fahrwasser der gegen die Federal Reserve gerichteten Kritik auftauchen. Die Veranstalter versuchen sich von den typisch rechtsradikalen Spielfeldern zu distanzieren: Zeit also, sich einmal kurz mit der Organik des Geldes und dem Krieg in den vergangenen Jahrhunderten sowie einigen Bezügen der deutschen Hetze gegen jüdische Bankiers zu befassen.

Der Aufstieg der Familie Rothschild vom kleinen Münz- und Wechselhändler – ein Geschäft, was den sogenannten “ehrbaren”, christlichen Kaufleuten zu schmutzig vorkam – begann Ende des 18. Jahrhunderts in der Frankfurter Judengasse im Hessischen. Durch treue Dienste zum Hoffaktor des Kurfürsten Wilhelm von Hessen ernannt, wurden die Mitglieder der Familiendynastie im Laufe der Jahrhunderte zu Spezialisten in Sachen Staatsanleihen in ganz Europa und Übersee. In dieser Funktion waren es die Rothschilds, benannt nach dem Frankfurter Ursprungshaus “Zum Rot(h)en Schild”, welche Warengeschäfte absicherten, Münzhandel betrieben und manchem kriegswütigen Europäischen Herrscherhaus den Kriege mitfinanzierten.

Etwas, was in dieser Zeit viele taten – der territoriale Machtkampf in Europa tobte nahezu das gesamte 19 Jahrhundert hindurch, die europäischen Diktatoren sannen alle auf Landnahme bei den Nachbarn. Finanzierten die Banken nicht, gerieten sie schnell in den Fokus der Mächtigen und wurden enteignet, liquidiert oder verjagt.

Da der gesamte Kontinent und insbesondere das kleinfürstliche Deutschland praktisch ständig in irgendwelche Konflikte hineinrasselten, war der Bedarf an Finanzierungen enorm und die Rothschilds nicht allein in diesem Geschäft zu Hause. Gerade die Platzierung von Staatsanleihen, in schlimmen Zeiten auch Kriegsanleihen genannt, versprachen und versprechen bis heute enorme Gewinne. Auf der anderen Seite standen und stehen jedoch immer auch Käufer in allen Schichten, welche somit mit den Kriegen oder zum Beispiel dem Aufstieg des britischen Empires in dieser Zeit Geld verdienten.

Groß wurden die Nachfahren des Gründers Mayer Amschel Rothschild jedoch vor allem durch sogenannte deutsche Tugenden. Sie zahlten immer, pünktlich und gewannen, so wie andere Bankhäuser dieser Zeit selbstredend auch an Macht.

Vor allem jedoch dadurch, weil die Zeit durch Kriege zwischen England und Frankreich, Spanien und England bis hin zum Bürgerkrieg in Amerika und vor allem fehlender demokratischer Kontrolle der Mächtigen dieser Zeit geprägt war. Da konnte eine persönliche Feindschaft der blutarmen bis jähzornigen Monarchen schon mal in Säbelrasseln und anschließendem Tod unzähliger Landeskinder enden.

Doch nicht jedes Geschäft wurde gemacht – etwas, was bis heute Rechtsradikale gern indirekt oder direkt und natürlich unter Auslassung “germanisch” geprägter Geldhäuser unterstellen. Mancher Krieg wurde eben auch nicht “finanziert”, was spätestens im immer nationalistischer werdenden Deutschland dem patriotischen Furor entgegenstand. Seltsamerweise richtete sich also im mühsam aus Kleinstaaterei zum (letzten europäischen) Nationalsaat zusammengehämmerten Deutschland bereits im 19. Jahrhundert die Kritik gegen die Fuggers der Neuzeit eher dahin, dass man gern noch mehr Geld für Kriege haben wollte. Schon da also der Widerstreit zwischen Politik und Geldwesen – kein neues Thema also.

Was dieser kleine Ausflug in die Geschichte sollte?

Nun, es steht durchaus zu befürchten, dass sich gerade hinter der Forderung, gegen die unter Mitwirkung der Rothschilds im anbrechenden 20. Jahrhundert gegründeten “Fed” für alles Übel auf der Welt verantwortlich zu machen, rasch ein übles Gemisch aus Antisemiten und Menschenhassern versammeln könnte oder es bereits tut. Die deutsche Geschichte des “Judenhasses” beginnt eben nicht erst seit Hitler, wie viele immer noch glauben.

Im Netz geschieht die Wiederkehr des Hasses bereits, die angeblich einfache Lösung der “Zinslosigkeit” im Geldgewerbe zieht längst Rechtsradikale an.

Was Lars Mährholz und Andreas Popp zu Zauberlehrlingen im Sinne Goethes machen könnte, die Besen haben bereits begonnen zu tanzen. Die Aggressivität einiger “Montagsdemo”-Anhänger im Netz spricht bereits ebenso dafür, wie der klar nationalistische Aufruf einer offenbar abgesplitterten “Anonymous”-Gruppe bei Facebook namens “Anonymous.Kollektiv”. Andere Vertreter von Anonymous selbst versuchen sich jedenfalls bereits kräftig zu wehren, doch die Facebookseite “Anoymous.Kollektiv” hat mit locker 3.000 Likes pro Beitrag eine offenbar nicht geringe Schlagkraft und Aktivierungspotenzial.

Angeblich wurde sie durch einen Händler von Facebookaccounts und Likes übernommen – “Anonymous” scheint also ein hausinternes Problem mit der eigenen dezentralen Struktur bekommen zu haben.

Denn die Facebookseite polemisiert mit stark nationalistischen Tönen für die Montagsdemos.

Hier hat der Satz: “Solange Güter über Grenzen wandern, rollen keine Panzer”, keine Gültigkeit mehr. Hier wird verworfen, dass die verteufelte “Konzernwirtschaft” gerade den Konflikt zwischen USA, EU und Russland eher bremst, da die auf Vertrauen basierenden Wirtschaftsbeziehungen gerade zwischen Zentraleuropa und Russland zu Recht wichtiger sind, als eine Klopperei um ein Stück Boden ein wenig mehr angebliche Macht.

Doch die Oberflächlichkeit und der damit einhergehende Wunsch nach einfachen Lösungen scheinen auch in Leipzig auf dem Augustusplatz zugange. Dass mit Stéphane S. in Leipzig ein maßgeblicher Mitorganisator der Montagsdemos noch vor kurzem gegen muslimische Mitbürger und “den Islam” zu Felde zog, ist nicht einfach wegzureden. Ebenso wenig, wie die urplötzlich auftauchende NPD, welche seine Bürgerinitiative “Gohlis gegen den Moscheebau” schneller übernahm, als S. noch Möff sagen konnte. Grundsätzliche “Friedlichkeit” gegenüber anderen Mitmenschen war im radikalisierten Vorgehen der Bürgerinitiative nie zu finden. Hier fand eine Selektion nach “gut” und “böse” statt, Grauzonen gab es nicht. Wie S. nun für den Frieden mit allen Menschen eintreten möchte, ist deshalb nur schwer vorstellbar.

Der Fairness halber muss jedoch gesagt werden, dass der gleiche Mann vorher Mike Nagler unterstützte, als dieser 2013 erneut versuchte, auf der Liste der Linkspartei in den Bundestag einzuziehen. Heute nun ruft S. auf jeder Demonstration dazu auf, im Sinne des Friedens die Linke zu wählen.

Dennoch könnte er rechtsgerichtete Kräfte bald wieder bei den “Montagsdemos” in Leipzig um sich haben, wenn diese die Grenzziehung zumindest vor Ort verpasst. Ansonsten könnte es schnell heißen: Vereint durch neue Gegner: die Medien, die USA und die Großkonzerne. Für manche Zeitungen ist diese Sache längst entschieden, wie der Freitag.de am 20. April publizierte, sei dieser Zirkelschluss bereits vollzogen. In Leipzig ist dies derzeit schwer zu sagen, ob es hier um mehr geht, als Ökonomie, die Artikulation von Verärgerung und die öffentliche Ansprache von Sorgen.

Was zurück zum Vorwurf des Antiamerikanismus auf den Montagsdemos führt. Ist die Kritik an den USA berechtigt und der Staat machtlos gegenüber seinen Banken und damit der Federal Reserve?

Mehr in Teil 4 auf L-IZ.de
Montagsdemo unter der Lupe (4): Gegen die Fed, für eine freie Welt?

Interessante Sammlung von Begriffen der “neuen Rechten” im Netz

http://schmetterlingssammlung.net/2013/04/16/kommunikationsstrategien-der-neuen-rechten-2/

Gesprächsstoff und eine Menge Aggressionen bei Jutta Dithfurt auf Facebook
https://www.facebook.com/Jutta.Ditfurth

Anonymous.Kollektiv auf Facebook (vermutlich gefakter Anonymous-Account)
https://www.facebook.com/Anonymous.Kollektiv

Anonymous wehrt sich gegen Anonymous.Kollektiv

https://www.facebook.com/AnonymousSupportDE?fref=nf

Eine Seite sammelt Äußerungen von Montagsdemo-Anhängern aus dem Netz
http://wahnmache.tumblr.com/

Die Geschichte der Familie Rothshild
de.wikipedia.org/wiki/Rothschild

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