Wer erinnert sich eigentlich nicht an den Auftritt Angela Merkels und Peer Steinbrücks, damals Finanzminister im Oktober 2008. Lehman Brothers ging im September in die Knie, eine Kettenreaktion begann und die beiden entscheidenden Politiker damals versicherten, dass die deutschen Spareinlagen sicher seien. Gewusst haben sie es nicht, ganz im Gegenteil. Die Krise ist bis heute nicht ausgestanden, die ökonomischen Folgen reichen bis in die Löhne der Bevölkerung. Ebenso wenig beendet: Kriege auf der Welt und ein Konflikt mit Russland vor Augen. Der Nährboden für eine eigentlich ökonomische Bewegung, welche schier unübersehbare, auch rassistische und menschenfeindliche Strömungen mitbringt.
Wären die Menschen im September 2008 losgegangen, um ihr Geld mal sehen zu wollen, wäre es wohl vorbei gewesen, der sogenannte “Bankrun” wurde befürchtet. Die Eigeneinlagen der Banken waren in den Jahren zuvor systematisch nach unten geschraubt worden, ein Josef Ackermann durch die Welt getanzt und hatte 25 Prozent auf eben diese geringer werdenden Eigeneinlagen erwirtschaftet. Im Sinne der Publicity nachvollziehbar, ökonomisch hinterließ er seinen Nachfolgern eher eine Bank, welche bis heute verklagt, durchsucht und von Anlegern skeptisch beobachtet wird. Gesellschaftlich war dies zudem ein gefährlicher Kurs, da sich auch andere Banken zunehmend als Riesen auf tönernen Füßen zeigten und zeigen.
Mit ihrer Aufgabe der Geldverteilung an Menschen hatte das neue Bankgeschäft namens “Investmentbanking” nicht mehr viel gemein. Für die Banken jedoch bis zu diesem Zeitpunkt kein Problem – sie hatten riesige Summen in Staatspapieren, Anteilen anderer Banken und vor allem in Schuldtiteln – salopp Krediten – gebunkert, kassierten darauf gute Renditen, die Staatsausgaben konnten steigen und die Welt war in Ordnung. Auch der Bürger konsumierte fröhlich vor sich hin, von Ressourcenknappheit wollte wirklich niemand etwas hören. Bis die ersten Anleihegeschäfte zu rutschen begannen und ganze Wagenladungen voller Kredite vor allem erst in den USA, bald auch in anderen Ländern nicht mehr bedient wurden.
Man sprach von Kernschmelze im Banksystem, die Party lief scheinbar nach einer kurzen Unterbrechung dennoch weiter. Seither gibt es ein nicht eben einfaches Ziehen und Zerren zwischen Politik und Finanzwirtschaft, von Begrenzungen ist die Rede, von der Schließung des Casinos und eine Frage stellen sich wieder mehr Menschen. Wie entsteht eigentlich Geld und wo geht es hin? Verkürzt erklärt: Banken schöpfen Geld, indem sie unter staatlicher Lizenzierung Geld verleihen dürfen. Die Grundlagen, also Geld, stellt die jeweilig zuständige Notenbank, an welche die Banken ebenfalls Zinsen zahlen. Gegen höhere Zinsen geben die Banken das Geld an die Verbraucher weiter.
Meinen viele Menschen.
In Wirklichkeit geben die Banken jedoch weit mehr Geld weiter, als sie von den Notenbanken erhalten. So “entsteht” quasi weiteres Geld in den Bilanzen der Banken, wenn sich jemand etwas gegen Zinsen bei ihnen geborgt hat. Die Eigenkapitalquote zwischen 4 und 9 Prozent derzeit ist also letztlich das wirklich eigene Geld der Bank, der Rest sind letztlich virtuelle Gelder – heute nur noch Einsen und Nullen in Form von Schulden in Computern. Der Fachmann nennt dieses Geld, mit welchem der Endnutzer ausgestattet wird “Giralgeld”. Dieses ist praktisch nur vorhanden, wenn es der Schuldner zurückzahlt, vorher ist es nur ein Eintrag in einer Datei. Letztlich ist dies noch nicht einmal schlimm – solang alle daran glauben, dass es sich um Geld handelt.
Banken haben also erst in Krisenzeiten sehr gute Gründe mit allen Mitteln ausgegebene Kredite einzutreiben. Denn auch sie haben Gläubiger, meist andere Banken oder Anleger, welche ihnen Gelder überlassen haben und welche es, kommen sie selbst in Schieflagen, gern ausbezahlt bekämen. Der Begriff zocken ist hier nicht weit, nennen wir es also mal: Alle wollen auf einmal “sehen”. Fallen nun, wie 2008 geschehen, die vielen kleineren Kredite der Banken auf der Seite der Bürger in Massen aus, ist es vorbei mit der Zahlenjonglage, die Bank steht vor dem Crash und reißt die nächste Bank eventuell mit hinunter. Bei geringeren Geldmengen kein Problem, bei den Mengen 2008 hingegen schon. Die Begriffe von der “systemischen Bank”, welche zu “groß war, um zu fallen”, ging die Runde herum.
Bevor das geschehen konnte, hat man sich also entschlossen, alle Menschen an der Rettung der Banken zu beteiligen – heute unter dem Stichwort “sozialisierte Verluste” allein in Sachsen für die ehemalige SachsenLB runde 3 Milliarden Euro. Geld, welches nun der Freistaat vom Steuerzahler erhält und Monat um Monat, Jahr um Jahr zurücklegt und abbezahlt. Man hätte natürlich auch die Banken alle Außenstände auf einmal eintreiben lassen können – die Wirkung auf die Wirtschaft wäre verheerend gewesen – die Schockstarre drohte also.
Eine weitere Entwicklung lässt heute weltweit Wirtschaftsexperten an neuen Regeln für das Finanzsystem arbeiten. Der Vorgang des klassischen Geldverleihs fand in den vergangenen Jahren immer weniger statt, die Banken hatten auch dank enormer Geldmengen in ihren Rechnern eine leichtere, risikofreiere Art gefunden, Profite zu erwirtschaften. Indem sie weit über das vorher normale Maß hinaus spekulierten. Bösartig formuliert: Es war mehr Geld damit zu verdienen, auf eine Hungersnot in Zentralafrika und damit steigende Lebensmittelpreise zu spekulieren, als dem Handwerker im Ort einen Kredit zu vernünftigen Zinsen zu geben.
Scheinbar risikofreier zudem, denn die Preise kannten bei knappen oder gern auch mal künstlich verknappten Gütern in den vergangenen Jahren immer nur eine Richtung – nach oben. Wer viel einzusetzen hatte, konnte und kann enorme Gewinne einfahren – gänzlich schweißfrei am Rechner.
Was auch bis heute, wenn auch wieder verlangsamt, dazu führt, dass immer mehr Geld von “unten” (reale Wirtschaft, Bürger) nach “oben” unter anderem in Börsengeschäfte mit virtuellen Zukunftswerten wie zum Beispiel für Google und Facebook wandert. Die Politik steht also vor der Aufgabe, diesen Trend aufzuhalten oder gar umzukehren.
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Wo Geld ist, folgte also Geld nach – in der Hoffnung, dass noch mehr daraus wird. Vollständig der realen Wirtschaft entzogen wird das Geld dabei jedoch nur scheinbar, denn moderne Unternehmen sind heute andererseits bei Anteilsverkäufen oder Börsenstarts weit mehr wert, als noch vor 20, 30 Jahren.
Heruntergebrochen auf die Ebene der Angestellten und Mitarbeiter dieser Unternehmen stellt sich also eher die Frage: Warum stiegen gerade in Deutschland die Löhne real nicht mehr, während die verfügbare Geldmenge wuchs. Inflation ist also nur solange ein Problem für die Menschen, solange sie nur auf der Ausgabenseite stattfindet und der Lohn, das Einkommen oder eben auch die sozialen Leistungen nicht nachziehen. Immer mehr Menschen nennen dies ein “Verteilungsproblem” – zugrunde liegt jedoch weniger das “Zinsproblem”, auch wenn es eine gewisse Rolle spielen mag.
Was die einseitige Fokussierung der Montagsdemonstranten auf das “Zinssystem” infrage stellt. Die angeblich vollkommen machtlose Politik hat zudem soeben in der EU neue Regeln für die höhere Haftung der Eigner und Aktionäre von Banken und den zwingenden Anstieg der Eigenkapitalquote beschlossen. Was neben dem “Bankenrettungsfond”, welcher zukünftig die Banken untereinander stabilisieren soll, ein weiterer Schritt vieler noch folgender Schritte in Richtung Haftung für Banken ohne den Steuerzahler sein könnte. Doch dieser Weg ist zäh und beschwerlich und es gibt viele Menschen, die nicht glauben, dass er eine Lösung darstellen könnte.
Die Montagsdemonstranten versimpeln also derzeit komplexe Vorgänge sehr stark und stellen hinter die Forderung nach Frieden (in der Ukraine, auf der ganzen Welt) vor allem eine: Gegen dieses Finanzsystem, gegen die größte unter den Notenbanken, die Federal Reserve Bank (Fed) und die Vision eines Plan B. Die Vordenker, auf welche sich fast alle Demonstranten direkt oder indirekt berufen, heißen Andreas Popp (Wissensmanufaktur) und Silvio Gesell.
Die neue Version von Gesells Geldsystemmodel wird seit Jahren von Andreas Popp verbreitet, welcher also nicht grundlos am Montag, den 21. April in Berlin sprechen wird. Popp setzt dabei mit seinem seit Jahren verfolgten “Plan B” letztlich und nach eigener Auskunft auf den Grundlagen Silvio Gesells auf. Gesell, ein bayrischer Finanztheoretiker, propagierte Anfang des 19. Jahrhunderts in Zeiten von Räterepublikideen und Umsturz das sogenannte Freigeld. Die als “Plan B” oder sogenannter dritter Weg zwischen Kapitalismus und Kommunismus gepriesene Idee eines letztlich staatlichen Geldsystems ohne Zinsen. Der zentrale Satz Gesells “Es ist der Zins und Zinseszins, der unsere Welt zerstört”, findet bei den Montagsdemos derzeit Gehör und wird als die zentrale Lösung schlechthin umjubelt.
Doch – auch an dieser Stelle nochmals. Hingehen hat noch keinem geschadet. Die Frage, wie weit der Erkenntnisgewinn reift, ist hingegen noch offen.
Denn dass diese stark vereinfachte Parole deutliche Ähnlichkeiten mit dem Ruf jedes Antisemiten und Neonazis nach der “Befreiung von der Zinsknechtschaft” (durch die Juden) hat, dazu kommen wir in einem weiteren Teil zu den Hintergründen der Montagsdemos.
Mehr im Teil 2 auf L-IZ.de
Montagsdemo unter der Lupe (2): Freigeld, Vertrauen und Unstimmigkeiten
Die Tagesschau über die Mahnwachen
https://www.tagesschau.de
Peer Steinbrück zum Thema Bankenkrise & die Spareinlagen sind sicher
https://www.youtube.com/watch?v=rivy_FnlaCI
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