Es ist ein trauriger Anblick, wenn eine Bibliothek stirbt. Das passiert nicht immer durch Naturgewalten. Manchmal ist es ein kleines menschliches Versagen, das ins große finanzielle Dilemma führt. Ein Satz auf der Website der Leipziger Frauenbibliothek MONAliesA deutet die Katastrophe nur an: "Liebe LeserInnen, aufgrund vereinsinterner Umstrukturierungen ist die Bibliothek bis auf Weiteres GESCHLOSSEN! Termine zur Bücherrückgabe können per E-Mail abgesprochen werden. Vielen Dank für Ihr Verständnis."
Der MonaLiesa e.V. ist insolvent. Die Biliothek ist nicht nur bis auf Weiteres geschlossen. 24 Jahre engagierter Arbeit sind zu Ende. Was eigentlich nicht hätte passieren dürfen, denn Unterstützung – auch finanzielle – bekam der 1990 gegründete Verein über all die Jahre. Auch die Stadt Leipzig sah die Arbeit dieser ganz besonderen Bibliothek immer als wichtig an.
Sein Selbstverständnis umriss der Verein so: “Die von MONAliesA konzipierten Projekte und angebotenen Leistungen folgen dabei stets dem Grundsatz, bestehende Geschlechterrollen und -verhältnisse kritisch zu reflektieren und deren weitere Entwicklung im Sinne der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau aktiv zu beeinflussen. So tritt der Verein aktiv im Rahmen frauenpolitischer Netzwerke für die Beseitigung geschlechts-spezifischer Ungleichbehandlung, Diskriminierung und Gewalt ein.” – Klingt mal wieder ganz trocken und politisch. Und ist so aktuell wie 1990, als die staatlich verordnete Gleichberechtigung von Mann und Frau sich der modernen Gender-Debatte der Bundesrepublik stellen musste und tatsächlich auch für die Naiven sichtbar wurde, wie starr auch im Osten die alten Stereotype waren.
Und wirklich viel hat sich seitdem ja nicht verändert. Wenn man das große Ganze sieht. Im Detail und vor allem in der Debatte hat sich einiges geändert. Auch weil sich Frauen wie Männer in der Jahr um Jahr wachsenden Frauenbibliothek mit den Neuererscheinungen zum Thema versorgen konnten. Die kleine Bibliothek sorgte auch für eine veränderte Wahrnehmung der Rolle der Frau in Leipzig. 1994 gab sie den ersten FrauenStadtplan heraus. Doch es erging dem Verein wie so vielen anderen in Leipzig: Er geriet immer wieder in Nöte – 1995 drohte das erste Mal die Schließung der Frauenbibliothek, 1997 die nächste, 2001 bedrohten Haushaltskürzungen der Stadt die Weiterexistenz.
Immer wieder fand man neue Partner und Partnerinnen, Unterstützer und Unterstützerinnen. 2006 wurde gar die Genderbibliothek der Universität Leipzig in den Bestand integriert. Das war Anerkennmung für professionelle Arbeit. 2007 bekam die Bibliothek unterm Dach des Hauses der Demokratie einen dicken Punkt auf der von der HTWK herausgegebenen Stadtkarte “Bibliotheken in Leipzig”. 20.000 Medieneinheiten verzeichnete das zugehörige Handbuch. Alles schien auf gutem Weg.
Neben der Sammeltätigkeit für die Großen, gibt es seit Jahren auch eine engagierte Mädchenarbeit, auch eine extra Mädchenbibliothek. Die Räume im Dachgeschoss wurden viel zu klein für all die Angebote. Die Mädchen bekamen einen eigenen Raum im Haus. Als Geschäftsführerin Hella Rößiger 2011 die Leitung abgab, schien die Bibliothek endlich in ruhigem Fahrwasser.
Doch die Ruhe trog. Das merkten die Partner der mittlerweile auf über 27.000 Medien angewachsenen Bibliothek jedoch erst 2013, als auf einmal die Zahlungen für die Miete eingestellt wurden. In aller Stille war der Verein in die Zahlungsunfähigkeit gerutscht. Krisensitzung folgte auf Krisensitzung. Doch noch ehe – wie in den Krisen zuvor – eine Rettungsaktion gestartet werden konnte, war der Insolvenzverwalter bestellt.
Doch die Konkursmasse ist nicht das, was man einfach so mal verscherbelt. Über 20.000 Bücher stehen in den Regalen, über Jahre mit Fleiß gesammelt, die das ganze Spektrum der Geschlechterdiskussion abdecken, die den beharrlichen Kampf der Frauen um Gleichberechtigung abbilden, der ja vor 150 Jahren in Leipzig begann mit Louise Otto Peters, Auguste Schmidt und den anderen. Wer qualifiziert mitreden wollte in der heutigen Gender-Debatte, fand hier die Informationen dazu. In dicken Schubern steckt die Genderbibliothek. Ein ganzer Verschlag ist mit Zeitschriften und Magazinen gefüllt.
Doch zur Zeit scheint nur eine Frage zu stehen: Wie wird das alles zu Geld? – Denn der Verein schuldet dem Haus der Demokratie mittlerweile die Mieten für mehrere Monate. Auch das Haus der Demokratie muss sich rechnen.
Der MonaLiesa e.V. ist selbst nicht mehr handlungsfähig. Jetzt laufen die Fäden für diese fast beklemmende Konkursmasse beim Insolvenzverwalter und beim Geschäftsführer des Hauses der Demokratie, Rolf Schumann, zusammen. Bei ihm rufen auch jene an, die jetzt fragen: Was können wir tun?
Spenden an den Verein? Die würden nur in der Konkursmasse verschwinden.
Einen neuen Verein gründen? Auch der müsste die finanziellen Löcher stopfen. Auch die Übernahme der wertvollen Bibliothek müsste gegenfinanziert werden.
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Fakt ist eins: Diejenigen, die um die dramatische finanzielle Schieflage wussten, haben zu spät reagiert. Viel zu spät. Deutlich wurde sichtbar, dass mit Susanne Scharff, die 2005 den Verein verließ, und Hella Rößiger, die bis 2011 Geschäftsführerin war, auch das wichtige Knowhow verlorenging, das man in der prekären Leipziger Vereinslandschaft so dringend braucht: Wie rettet man einen Verein? Wie nutzt man die bestehenden Netzwerke, um schnell aktiv zu werden, wenn Gefahren drohen? Und der MonaLiesa e.V. war über Jahre einer der bestvernetzten Vereine in Leipzig.
Er gehörte zu den wichtigsten Projekten im Haus der Demokratie.
Jetzt aber herrscht gespenstische Stille in den vier Räumen unterm Dach. Und eigentlich geht es nur noch um die Frage: Gibt es da draußen einen Mutigen und Spendablen, der die aufgelaufenen Schulden übernimmt? Und gibt es die Mutigen, die für dieses in Leipzig einmalige Projekt einen Neustart schaffen?
In den bisherigen Krisenrunden haben sich beide noch nicht gefunden. Die Zeit läuft ab. Wenn sich niemand findet, wird nur noch eins bleiben: Der komplette Ausverkauf dessen, was noch da ist: Möbel, technische Geräte und – das Tragischste von allem: der Verkauf der über 20.000 Bücher. Wahrscheinlich wie auf einem Flohbasar.
Diese Bibliotherk ist nicht nur in Not. Sie ist am Ende.
Jetzt können wirklich nur noch Mutige und Spendable helfen. Sie können sich direkt an den Geschäftsführer des Hauses der Demokratie, Rolf Schumann, wenden.
Kontakt:
Haus der Demokratie Leipzig e.V., Bernhard – Göring – Straße 152, 04277 Leipzig
Tel. (0341) 30 65 100/ 102, Fax (0341) 30 65 101, E-Mail: info@hddl.de
monaliesa.wordpress.co
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