Am 21. März veröffentlichten BUND und NABU ihre "Ampel" zur Biodiversität. In der Analyse betrachten die beiden Naturschutzverbände die Anstrengungen von 13 Bundesländern zum Erhalt der biologischen Vielfalt. Ausgenommen waren nur die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen. Aber wirklich Mühe geben sich auch die Flächenländer nicht. Für Sachsen steht die Ampel eindeutig auf "Rot."

Diese ernüchternde Bilanz macht deutlich, wie dringend gehandelt werden müsste. Man spricht zwar gern über ferne exotische Länder, wo mit der Vernichtung des Regenwaldes die Artenvielfalt massiv gestört wird. Aber auch in Deutschland geraten immer neue Tierarten auf die Roten Listen, weil ihre Lebensräume vernichtet oder beschnitten werden, weil Umweltgifte die Bestände dezimieren oder weil Futterketten durch eine massive Schädlingsbekämpfung zerstört werden.

Der Artenverlust könne bis 2020 nur gestoppt werden, wenn Schutzmaßnahmen tatsächlich konsequent vor Ort durchgeführt würden, warnen die beiden Umweltverbände. Das bedeute auch, dass das europäische Schutzgebietsnetzwerk Natura 2000 von den politisch Verantwortlichen endlich ernst genommen werden müsse.

Bei der Erarbeitung der Managementpläne für die Vogelschutzgebiete liege Sachsen beispielsweise ganz weit hinten, so Bernd Heinitz, Vorsitzender des NABU Sachsen. Auch bei der Ausweisung von Naturschutzgebieten sei Sachsen meilenweit (2,9 Prozent der Landesfläche) vom Ziel, welches das Bundesgesetz (10 Prozent der Landesfläche) vorsieht, entfernt.

“Wir sollten uns ein Beispiel am Nachbarland Brandenburg nehmen, hier ist der Flächenanteil mehr als doppelt so hoch”, sagt Heinitz. “Sowohl in der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie als auch in der Strategie zur Biologischen Vielfalt der Bundesregierung wurde schon für das Jahr 2010 das Ziel formuliert, 20 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche ökologisch zu bewirtschaften. Hier liegt Sachsen nicht nur im Vergleich zu den eigenen Zielen sondern auch im Vergleich zu den anderen Bundesländern ganz weit zurück. Neben einer drastischen Dezimierung des Flächenverbrauchs ist eine zielgerichtete Förderung von umweltgerechten Bewirtschaftungsformen das zentrale Mittel für mehr Naturschutz.”Aber mit einem Anteil von 3,9 Prozent des Öko-Landbaus an der landwirtschaftlichen Nutzfläche liegt Sachsen ganz hinten. Sachsen bekommt im Prinzip in allen Kategorien, in denen das Land etwas tun könnte für einen Erhalt der Artenvielfalt, eine rote Ampel verpasst – von Naturwäldern und Wildnisflächen bis zu den Naturschutzgebieten.

“Warum wurden bisher so wenige Flächen als Wildnisflächen ausgezeichnet?”, fragt Bernd Heinitz. “Gerade in Sachsen stehen weite Naturflächen, beispielsweise in den Bergbaufolgelandschaften oder auf ehemaligen Truppenübungsplätzen, zur Verfügung. Zwei Prozent der Landesfläche sollen bis 2020 als Wildnisfläche ausgewiesen werden – aktuell sind es gerade einmal 0,4 Prozent.”

Eine grüne Ampel gibt es lediglich für die Managementpläne in den Flora-Fauna-Habitat-Gebieten. Aber eigentlich wäre hier Gelb logischer gewesen. “Für nahezu alle FFH-Gebiete wurden inzwischen die Managementpläne fertig gestellt, weshalb die Ampel in dieser Teilkategorie auf grün springt”, erklären die Naturschützer ihre Wertung. Geben aber gleichzeitig zu, dass das noch keine Folgen hat: “Als nächstes steht die konsequente Umsetzung der Planung an, denn Papier ist geduldig und nur ein stringentes Management kann den Erhalt wertvoller Arten und Lebensräume sicherstellen.”

Dieser eher zögerliche Umgang mit den Naturschutzgebieten, gekoppelt mit der weiterhin ungebremsten Versiegelung von Böden, sorgt dafür, dass auch in Sachsen die biologische Vielfalt abnimmt.

“Der Erhalt der biologischen Vielfalt ist dabei nicht als alleinige Aufgabe für den Naturschutz, sondern aller Politikbereich zu sehen”, nimmt Bernd Heinitz die Politik in die Verantwortung, die das Thema gern beiseite schiebt, wenn wieder einmal Straßenneubaupojekte wichtiger erscheinen – man denke nur an die Debatte um die vom Land favorisierte Neubautrasse der B87 durch die Parthenaue. Die vielen roten Ampeln, die die Naturschützer im Land Sachsen sehen, erzählen von einer Politik, die noch nicht einmal ansatzweise den Erhalt der natürlichen Vielfalt als Handlungsmaxime gesetzt hat. All die Eiertänze um “300 Jahre Nachhaltigkeit” im Jahr 2013 waren nichts anderes als dies – politische Schaumschlägereien mit einem als modisch verstandenen Thema. Ohne Konsequenz und ohne Integration ins tägliche Handeln.

“Insbesondere mit Blick auf die Agrarpolitik müssen Konsequenzen gezogen werden, damit die Intensivierung der Landnutzung – eine der Hauptursachen des Verlustes biologischer Vielfalt – endlich eingegrenzt wird”, fordert Heinitz.

www.nabu.de/biodiv-ampel2014

www.bund.net/laenderampel

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar