"Lieber Uli!" - Naja, ganz so locker ging Roland Mey die Sache zwar nicht an. Aber gefragt er schon. Anfang 2013. Seit Jahren ackert der Leipziger für seine Broschüre "Der Schießbefehl am 9. Oktober 1989", mit der er insbesondere bei der jungen Generation Aufklärungsarbeit leisten will über die DDR, wie er sie erlebt hat, und ihr logisches Ende im Herbst 1989. Mit einer Broschüre, die natürlich gedruckt werden muss. Das kostet Geld.

Wenn sie gedruckt ist, verschenkt sie Roland Mey, bevorzugt als Klassensatz an Schulen in Sachsen. Denn die jungen Leute können sich oft nicht mehr vorstellen, wie es wirklich war und warum viele ihrer Eltern 1989 demonstrierten. Und zwar nicht erst am 9. Oktober. Die Mutigeren erzwangen sich schon am 25. September und am 2. Oktober den Weg auf die Straße, waren auch am 7. Oktober unterwegs, als die Polizei gewaltsam durchgriff. So eine Szene zeigt das Titelbild auf der Neuauflage von Meys Erinnerungsbuch: eine gestürzte Mutter mit ihrem Kind auf dem Karl-Marx-Platz, im Hintergrund ein Polizist im Anlauf.

Immer wieder hat Roland Mey den Druck der Broschüre aus eigener Tasche bezahlt. Aber warum nicht auch Leute fragen, die bekanntermaßen mehr Geld haben, ob sie nicht auch was beitragen wollen? Irgendwas im dreistelligen Bereich. Dafür würde ein Bankpräsident wahrscheinlich nicht mal “Peanuts!” sagen. Und ein FC Bayern-Präsident wohl auch nicht. Dachte sich Mey und wandte sich Anfang 2013 auch mit einem höflichen Brief an den Präsidenten des FC Bayern München. Der hieß da noch Ulrich Hoeneß und war vom Landgericht München II noch nicht zu einer dreieinhalbjährigen Freiheitsstrafe wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden. Für eine anerkannte Steuerhinterziehung in Höhe von 27,2 Millionen Euro.

Eine unfassbare Summe für Mey, der sich eine Woche nach der Verurteilung natürlich fragt: Warum waren dann die gewünschten paar Kröten für seine Broschüre nicht drin?
Immerhin hat er vor Jahresfrist tatsächlich ein Antwortschreiben aus dem Präsidium des FC Bayern München bekommen. “Leider müssen wir Ihnen nach Rücksprache mit Herrn Hoeneß mitteilen, dass wir Ihnen bzgl. Ihres Anliegens nicht behilflich sein können”, schrieb ihm die Sekretärin des Präsidenten. Den Grund nannte sie nicht. Vielleicht bekam der Präsident auch zu viele Anfragen dieser Art. Dass er und der FC Bayern München nicht arm waren, hatte sich ja herumgesprochen. Aber da lagen die Nerven wohl schon blank. Denn seit dem 15. Januar 2013 wusste auch Uli Hoeneß, dass der “Stern” an der Geschichte dran war und “blöde Fragen” stellte. Was dann die Selbstanzeige zur Folge hatte, die freilich viel zu spät erfolgte.

Andererseits operierte der Ex-Bayern-Präsident ja auch in Gelddimensionen, in denen ein paar hundert Euro wirklich keine Rolle spielten. Das kann man dann vielleicht, wenn man mit zweistelligen Millionenbeträgen jongliert, auch nicht mehr einordnen. Das irgendwo in der vierten Fußballliga spielende Leipzig wohl auch nicht. Schon gar nicht aus Bayern-Sicht, wo man den deutschen Fußball seit Jahrzehnten einfach mit Geld aufmischt, das man in München seltsamerweise hat, während die anderen Clubs bei den Spielerabkäufen nicht mal mitbieten können.

Deswegen gab’s ja auch den medial ausgetragenen Präsidentenstreit: FC-Bayern-Präsident Uli Hoeneß gegen den FC-Werder-Bremen-Präsidenten Willi Lembke, der dem FC Bayern vorwarf, der “Totengräber des deutschen Fußballs” zu sein. Dem FC Werder Bremen ist ja bekanntlich längst die finanzielle Puste ausgegangen, um mit den Bayern mithalten zu können. Ähnliches erleben gerade die Dortmunder.

Da spielt dann die zum Teil recht grimmige Erinnerung der Leipziger an ihren Herbst ’89 eher keine Rolle. In Bayern schon gar nicht. “Mia san mia”, heißt es dort auch gegenüber diesem so wehleidigen Osten, wo man nicht mal ein paar 100-Euro-Scheine zum Druck einer Neuauflage einer Broschüre locker in der Tasche hat. Vielleicht wurde auch deshalb nicht näher begründet, warum man Roland Mey einen trockenen Absagebrief nach Leipzig schicke. “Das will nicht in meinen Kopf”, sagt der ehemalige SPD-Stadtrat, der nun im Mai als Senior doch wieder auf der Stadtratswahlliste der SPD auftaucht, den Wahlkampf aber auch für sein Projekt “Mitteldeutschland” nutzen möchte. Denn dass die Bayern derzeit die deutsche Politik dominieren und in ihrem Sinne verbiegen, hat auch mit der Schwäche der ostdeutschen Bundesländer zu tun, die sich im regionalen Hickhack verzehren, aber auf Bundesebene einfach keine Stimme haben. Ein größeres Bundesland Mitteldeutschland könnte da schon ein paar Gewichte verschieben, findet Mey.

Und sammelt trotzdem weiter auch für eine weitere Auflage seine Broschüre “Der Schießbefehl am 9. Oktober 1989”. – “Vielleicht spende ich auch Uli Hoeneß ein Exemplar und schicke es ihm ins Gefängnis. Da hat etwas zu lesen und auch Zeit dafür. Ja, das mache ich”, sagt Mey. “Das ist eine gute Tat.”

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