Der braune Spuk des 2. November ist vorüber. Mit reichlich Skepsis und Abstand betrachtete das Häufchen Gohliser, welches sich auch von den Gegendemonstranten fernhielt, heute den heranrollenden NPD-LKW. Irgendwie zwischen Baum und Borke sahen sich die vielleicht 50 von der einen Straßenseite mit der versammelten NPD-Prominenz samt zirka 80 Anhängern und von der anderen Straßenseite mit rund 400 Gegendemonstranten und einem massiven Polizeiaufgebot konfrontiert. Von den Leipziger Gegendemonstranten gab's fröhliche Musik, Alerta-Rufe, ein paar aufmunternde Schilder und einen Schuh. Von der NPD nichts Neues.
Um 10 Uhr hatte sich das erste Häufchen Gegendemonstranten an der Leipziger Friedenskirche gesammelt, erste Ansprachen, Händeschütteln, Gespräche. Häufiges Kopfschütteln, jeder hat ein paar Anekdoten aus den vergangenen Tagen dabei. Der Hass war vor allem im Netz zu spüren gewesen, oft Wut auf alles Mögliche – im Zentrum immer “der Islam”. Unter den Politikern aller Parteien außer der CDU und der NPD, Vertreter der Ahmadiyya-Gemeinde, Bürger, Journalisten auch Burkhard Jung – ein bunter Haufen in lebhafter Debatte, Kennenlernen, Ansprachen und Interviews (später mehr auf L-IZ.de).
Kurz darauf geht es “zufälligerweise” einzeln und gemeinsam in Richtung Georg-Schumann-Straße, es ist noch etwas zu klären heute. Während der sich sammelnde Gegenprotest gegen 11 Uhr das erste Mal volle Mann- und Fraustärke erreicht hat, lässt die NPD reichlich undeutsch mal wieder auf sich warten. Zeit, einen Blick auf die andere Straßenseite zu werfen – OBM Burkhard Jung und Leipzigs Polizeipräsident Bernd Merbitz haben sich mitten unter die gestellt, welche sich lieber wie eine dritte Partei an den Gohlisarkaden gesammelt haben. Eigentlich geht es heute irgendwie um sie, um ihre Probleme mit einer Moschee in Gohlis.Doch so recht entscheiden mögen sie sich nicht, auch noch nicht so richtig für den Satz Burkhard Jungs an diesem Tag: “Man muss differenzieren und die einzelnen Richtungen des Islam betrachten.” Für viele hier ist dass alles irgendwie eins, zu den Gegendemonstranten wollen sie nicht, zu den Nazis auch nicht und so huscht der Blick immer wieder über die NPD-Maria, die Angst vor der Sharia hat. Neues gibt es da zwar heute nicht zu sehen, für die NPD war es einfach, die nicht genutzten Bundestagswahlplakate wieder aus dem Keller zu kramen, aber auf einmal scheint es für sie vielleicht doch zu passen.
Auf der anderen Seite der Kreuzung, bei den Leipzigern und anderen Gohlisern, ist längst die meiste Bewegung. Eine bunte Kapelle spielt, so mancher tanzt fast beiläufig und immer wieder gehen die Hände in die Höhe. Von “Alerta, alerta – Antifaschista”, über das deutliche “Nazis raus” bis hin zu “Haut ab” schallt es über die Straße, dazwischen ohrenbetäubendes Trillern aus den mitgebrachten und verteilten Pfeifen. Eine Gymnasiallehrerin mit Kinderwagen schaut am Rande interessiert zu und freut sich auf Nachfrage über die unangepassten Menschen und das bunte Engagement gegen die NPD auf der anderen Seite. Die Debatte um den Moscheebau selbst kommt ihr schon fast schäbig vor.
Wo bei den Rechtsextremen stumm das deutsche Fähnlein winkt, werden hier selbst gebastelte Schilder in die Höhe gehalten, aufmunternde Worte für die Unentschlossenen zum “Kleingarten im Kopf” schräg gegenüber sind auch dabei.
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Ob der plötzlich in die Höhe gestreckte Schuh nicht mehr nur in der muslimischen Welt als die schlimmste Beschimpfung des Gegenübers, hier stramme, deutsche Parteigefolgsleute der NPD, gelten und vielleicht Eingang in die deutsche Rechtssprechung unter Beleidigung Einzug halten wird, ist noch ungewiss. Aber das Zeichen ist deutlich und wird unter Nichtkleingärtnern längst weltweit als Signal für den vollständigen Respektentzug verstanden.
Während sich also der Protest in Leipzig zunehmend internationalisiert, konnte es auch heute egal sein, was die NPD von ihrem Wagen herab zu sagen hatte. Stand ja schon auf den alten Plakaten drauf und die Mehrheit war dagegen. Am 7. November 2013 wird jedenfalls mit der ersten Leipziger Bürgergesprächsrunde in der Michaeliskirche der Dialog über den geplanten Moscheebau, Kulturen und Religionen in Leipzig, sowie die Verständigung beginnen. Ohne so manchen Hetzer, der sich nur ins Netz, nicht jedoch auf die Straße traute und ohne die herangereiste NPD, welche vielleicht heute noch Richtung Schneeberg zum nächsten scheinbaren Wellenritt zum “Schneeberger Lichtellauf” musste. In Leipzig hatte man jedenfalls wenig Rückenwind und die Mehrheiten sahen auf der Straße so aus, wie in Leipzig gewohnt.
Zum Interview mit OBM Burkhard Jung vom 2. November 2013 auf L-IZ.de
Moscheebau in Gohlis: Burkhard Jung im Video-Interview
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