Ist das jetzt völlig verrückt? Oder ist es überfällig?: Seit Juli sammelt ein Landtagsabgeordneter aus Sachsen-Anhalt Unterschriften für eine Fusion der Bundesländer Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen. Ein Thema, das seit 2006 auch regelmäßig von einigen Politikern Mitteldeutschlands diskutiert wird. Ohne wirklichen Widerhall. Das will Bernward Rothe jetzt ändern. Und mit ihm ein Urgestein der Leipziger Politik: Roland Mey, in den 1990er Jahren Stadtrat für die SPD.

In der “Volksstimme” hat der Landtagsabgeordnete Bernward Rothe, der seit 1998 für die SPD im Magdeburger Landtag sitzt und im eigentlichen Beruf Rechtsanwalt ist, aufgezählt, wie oft insbesondere SPD-Politiker das Thema Mitteldeutschland schon angesprochen haben. Meist in nachrichtenarmen Sommerzeiten. Aber ohne Konsequenzen für Politik in den drei Bundesländern, die jedes für sich zu klein sind, um in der bundesdeutschen Politik auch nur das geringste Gewicht zu haben. Zwar verhandeln die Regierungen der drei Länder immer wieder mal miteinander, um ein paar Dinge vielleicht gemeinsam zu organisieren. Aber oft genug geht das schief – zuletzt erlebt beim strengen Strafvollzug.

Mal passen die Gesetze, die sich die drei Länder zusammengeschustert haben, nicht zueinander. Mal sind die provinziellen Egoismen so stark, dass man auch dann noch mit eigenen Projekten weiter macht, wenn man sich eigentlich auf zentrale Baustellen geeinigt hat – so erlebt beim Thema der Flughäfen in Mitteldeutschland. Dann wieder passen Hochwasserschutzprogramme nicht zueinander, sind Hochschulpolitiken nicht aufeinander abgestimmt, passt die Zusammenarbeit beim ÖPNV nicht. Und so weiter.

Und wenn Befürworter eines einheitlichen Bundeslandes die möglichen Einspareffekte benennen, melden sich fast automatisch die Regierungskabinette und behaupten steif, es gäbe solche Einsparungen nicht. Dabei bleibt es aber immer wieder. Wider besseres Wissen. Denn die nicht koordinierte Wirtschaftspolitik hat alle drei Länder (und vor allem ihre Kommunen) immer wieder in teure Subventions- und Unterbietungsszenarien getrieben.Aber wie will man Länderfinanzen stabilisieren, wenn jeder einzelne nur “sein Ding” macht? Der Freistaat Sachsen erwirbt sich ja gerade legendären Ruhm im Bundesrat, weil es eine Initiative nach der anderen so dilettantisch einbringt, dass die Mehrheit sie nur schulterzuckend ablehnen kann. Auch weil Sachsens Regierung gern so tut, als könnte sie in irgendeiner Sache Wortführerschaft entwickeln. Aber das schafft nur, wer auch über genug “Schwungmasse” verfügt. Es sind die großen Bundesländer, die im Bundesrat Initiativen entwickeln und Interessen durchsetzen – allen voran Länder wie Bayern, Baden-Württemberg oder Hessen.

Und noch ein Thema wird die Republik in den nächsten Jahren beschäftigen: Die enorme Staatsverschuldung von 2 Billionen Euro. Von “Zeitbombe” sprach Marc Beise am Montag in der “Süddeutschen” und sieht zwei Szenarien: entweder massive Steuererhöhungen (auf die sich Wahlsiegerin Angela Merkel bestimmt schon freut) oder massive Sparprogramme. Steuererhöhungen, das lässt Beise augenzwinkernd zu den potenziellen Werbekunden der “Süddeutschen” anklingen, hält er persönlich für Teufelswerk, da “die wiederum aber das Wachstum mindern würden”.

Dass es aktuell Mindereinnahmen sind, die das Wachstum in Nordrhein-Westfalen und Mitteldeutschland bremsen, wie passt das in diesen beiläufigen Teilsatz?

Geschehen muss etwas. Und Roland Mey, der sich eigentlich als ehemaliger SPD-Stadtrat längst im Ruhestand befindet, meint: “Die Politiker müssen erstmal an sich selbst sparen.”

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“Wir wollen in Mitteldeutschland statt drei Regierungen und drei Parlamenten nur noch eine Regierung und ein Parlament”, sagt er. Das spart nicht nur Pensionsansprüche, sondern sorgt auch dafür, dass Entscheidungen für die gesamte Region getroffen werden, die historisch immer ein einheitlicher Wirtschaftsraum war. Der ist heute so zersplittert, wie es das Land Baden-Württemberg bis 1952 war: Württemberg-Baden, Württemberg-Hohenzollern und Baden. Zur wirtschaftlichen Macht wurde das Bundesland erst nach der Fusion. Über den Landesnamen hat man noch Jahre gestritten. Aber das ist egal am Ende.

Denn viel entscheidender ist, dass das Bundesland einen kompletten Wirtschaftsraum umfasst – und damit auch alle Regelungen für den Wirtschaftsraum insgesamt fällt. Da lass ich den Rothe nicht allein, sagte sich Roland Mey – und will die Initiative des SPD-Mannes aus Sachsen-Anhalt, der sein Rechtsanwaltsbüro in Halle hat, unterstützen.

Den Föderalismus will er nicht abschaffen. “Um Gottes willen”, sagt der studierte Physiker dazu. Aber um die Bundesländer zukunftsfähig und vor allem handlungsfähig zu erhalten, brauche es “(nur noch) starke Länder, die sich gegenseitig ‘nicht’ anbetteln müssen’.”

Deswegen will er in dieser Woche beginnen, Unterschriften für ein Volksbegehren “Mitteldeutschland” zu sammeln.

Die Unterschriftentische sollen zu folgenden Terminen aufgebaut werden:

– am Donnerstag, 26. September, von 15 bis 18 Uhr am Connewitzer Kreuz

– Am Donnerstag, 3. Oktober, von 15 bis 18 Uhr auf dem Lindenauer Markt

– am Mittwoch, 16. Oktober, von 15 bis 18 Uhr in der Petersstraße an der Thomaswiese

Die Website von Bernward Rothe: www.bernward-rothe.de

Die “Süddeutsche” zur Staatsverschuldung: www.sueddeutsche.de/wirtschaft/staatsverschuldung-nach-der-bundestagswahl-jetzt-wird-es-teuer-fuer-deutschland-1.1778122

Die Volksstimme zur Aktion von Bernward Rothe: www.volksstimme.de/nachrichten/sachsen_anhalt/1115222_Laenderfusion-Rothes-Reich.html

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